Schlaraffenland für Freunde des deftigen seit 130 Jahren. Familie Quast im Alten Land setzt auf Bio-Wurst, Handarbeit und will die Produktion kräftig ausbauen.
Hamburg. Es duftet nach Buchenrauch, nach Wald und Natur. An langen Stangen hängen Dutzende Würste aufgereiht in der würzigen Luft. Das Lager der Räucherei Quast im Alten Land ist ein Schlaraffenland für Genießer, hier warten Mettwurst, Kabanossi und Salami aus Naturreife, verfeinert mit grünem Pfeffer oder Oliven, auf die Auslieferung. Der milde Rauch und die frische, etwas feuchte Luft direkt an der Elbe intensivieren das Aroma der Spezialitäten.
Früher lebten Dutzende Räuchereien von diesem besonderen Klima am Fluss, neben den Obstplantagen bildeten die Fleischverarbeiter einen der wichtigsten Wirtschaftszweige an dem grünen Deich mit seinen wuchtigen Bauernhäusern. Doch das war einmal. Etliche Räuchereien haben inzwischen aufgegeben. „Heute sind wir hier als einer der letzten Betriebe übrig geblieben“, sagt Inhaber John Quast. Der kernige Fleischermeister erbte das Wissen über die Naturreifung von seinen Vorfahren, immerhin seit 130 Jahren produziert die Firma Altenländer Fleisch- und Wurstwaren schon nach den überlieferten Rezepten.
Heute gibt der 60-Jährige dieses Know-how an seinen Sohn weiter. Jan-Eric Quast hat Wirtschaft studiert, gleichzeitig den Fleischermeister gemacht und angefangen, im Betrieb mitzuarbeiten. Seine Pläne, in den Flugzeugbau zu wechseln, hat der Junior aufgegeben. „Die Beschäftigung mit Lebensmitteln ist sehr befriedigend, jeden Tag sehe ich das Ergebnis meiner Arbeit“, sagt der 25-Jährige, der im weißen Kittel zwischen den duftenden Räucherwaren steht und mit einem Händedruck den Reifegrad prüft.
Die Arbeit ist aber nicht nur eine Sache der Leidenschaft für Lebensmittel – die Familie folgt auch der Verantwortung, eine alte Tradition zu bewahren. Schließlich gehören die Quasts unter den Firmen, die Rohwurst noch handwerklich herstellen, ohne chemische Zusatzstoffe oder Enzyme, sogar im ganzen Norden zu den letzten Anbietern. Der Preisdruck im Handel mit der Dominanz der Discounter hat die Branche verändert: Der harte Wettbewerb zwingt die meisten Wurstanbieter dazu, auf den Einsatz von Chemie und eine industrielle Fertigung zu setzen. So werden die Produktionszeiten beschleunigt und die Ware kann günstiger angeboten werden.
Produkte von Quast finden die Verbraucher nicht bei Aldi oder Lidl. Fleischerfachgeschäfte, aber auch manche Edeka-Läden, Feinkost Korn in Eidelstedt und zunehmend auch Famila-Märkte führen die Mettwürste, die etwas teurer sind als die Massenware der bekannten großen Hersteller. „Bei uns räuchern die Würste immerhin bis zu zwei Wochen“, beschreibt John Quast den traditionellen Prozess der Haltbarmachung.
Um sich noch deutlicher von der industriellen Fertigung zu unterscheiden, setzt Quast zudem immer stärker auf Bioware. Von den 250 Tonnen an Fleischprodukten, die der Familienbetrieb im Jahr herstellt, tragen derzeit zehn Prozent das Bio-Siegel. Désirée Quast, die Schwester von Juniorchef Jan-Eric, fährt jeden Sonnabend mit dem Quast-Verkaufswagen auf den Öko-Wochenmarkt am Marie-Jonas-Platz in Eppendorf, um die Räucherware zu verkaufen. Die Kommunikationsdesignerin und Fotografin stößt unter den kritischen Kunden auf eine hervorragende Resonanz: „Die Leute fragen nach der Herkunft des Fleisches oder nach den Inhaltsstoffen und freuen sich, wenn sie bei uns die Transparenz über die Produkte haben“, sagt die 27-Jährige. Das Fleisch bekommen die Quasts ausschließlich aus der Region. Außerdem gehen Vater und Sohn regelmäßig in der eigenen Jagd im Kehdinger Land auf die Pirsch – für die Wildmettwurst. Außerdem: Die zucker- und glutenfreien Würste ohne Laktose oder Geschmacksverstärker könnten auch viele Menschen vertragen, die auf andere Fleischwaren allergisch reagierten.
Aufgrund der positiven Erfahrungen mit der Biowurst will die Firma diesen Bereich weiter ausbauen. Insgesamt soll die Produktion in den nächsten Jahren um 20 Prozent wachsen.
Seniorchefin Agnes Quast, zuständig für das Marketing, will den Verkauf in den nächsten Monaten zudem mit einem Onlineshop weiter fördern. Unter der Adresse www.derwurstladen.de können die Kunden das gesamte Sortiment ab diesem Sommer auch im Internet bestellen. Schließlich gilt es nicht nur, eine Tradition zu bewahren, sondern auch an die Zukunft zu denken. Mit Linéa, der kleinen einjährigen Tochter von Désirée Quast, krabbelt bereits die sechste Generation der Räucherfamilie zwischen den Buchenholzspänen herum.