Historische Schlepper, Dampfer und Segler ziehen die Blicke auf sich, wie jetzt beim Hafengeburtstag. Doch die Oldtimer auf See müssen heute moderne Vorschriften erfüllen – und kämpfen längst ums Überleben
Beim Hamburger Hafengeburtstag ziehen sie die Blicke auf sich. Alte Schiffe mit gesetzten Segeln und Dampfer mit qualmenden Schloten fahren während der Ein- und der Auslaufparade an modernen Containerumschlaganlagen und Werftdocks vorbei – und zeigen eindrucksvoll, wie sich die Handelsschifffahrt in gut 100 Jahren verändert hat. Einst fuhren sie von Finkenwerder oder Blankenese aus zum Fischfang in die Nordsee und kamen mit vollen Körben wieder am Fischmarkt an. Andere brachten Waren aus Amerika, Zwei- und Dreimaster trugen im 19. Jahrhundert die Hauptlast des Warenverkehrs zwischen den Kontinenten, sie verteilten die Güter in den Häfen an der Küste und ernährten die Menschen, die auf ihnen arbeiteten. Dampfschlepper bugsierten die Segler an ihre Liegeplätze.
Was man heute bei Paraden alter Schiffe bewundern kann, sind die wenigen Übriggebliebenen einer einst Zehntausende zählenden Flotte. Sie haben den Siegeszug der Dampfschiffe und Dieselantriebe überlebt, die Zeit der enorm gewachsenen Schiffsgrößen, von denen Menschen zur damaligen Zeit nicht mal zu träumen gewagt hätten.
Hamburg hat ein Herz für schwimmende Oldtimer. Der Museumshafen Oevelgönne wurde schon in den 1970er-Jahren eröffnet und ist damit der älteste Deutschlands. Mittlerweile ist der Traditionsschiffhafen in der HafenCity als Liegeplatz dazugekommen. So hat sich Hamburg zur Stadt mit der größten fahrbereiten Traditionsschiffflotte Europas entwickelt.
Bis zu 2000 Ehrenamtliche kümmern sich um Pflege
Instand und in Fahrt gehalten werden die alten Schiffe von Schiffsbegeisterten, die ihre Freizeit dafür aufwenden. Aktiv kümmern sich bis zu 2000 Ehrenamtliche um Pflege und Betrieb. Einige haben ihr gesamtes Berufsleben auf einem solchen Schiff verbracht und widmen sich nun als Rentner um deren Erhalt. Dabei geben sie ihre Erfahrung an Jüngere weiter und bewahren so das Wissen aus Berufen, die es heute nicht mehr gibt.
Ihre Belohnung finden sie bei maritimen Veranstaltungen, wenn sie mit den gepflegten schwimmenden Schmuckstücken im Mittelpunkt stehen. Doch in letzter Zeit wehen in deren Masten immer häufiger schwarze Flaggen und Protestplakate. Hinter vorgehaltener Hand wird in der Szene schon darüber gesprochen, auch die Paraden beim Hamburger Hafengeburtstag für Proteste nutzen zu wollen.
Denn etliche Eigner alter Schiffe fühlen sich in ihrer Existenz bedroht, weil sie anstehende Änderungen in der Zulassung von Traditionsschiffen und damit eine strengere Auslegung der Richtlinien auf sich zukommen sehen. Alte Schiffe zu unterhalten, die Schmuckstücke von öffentlichen Veranstaltungen sind, ist teuer. Die Eigner sind also darauf angewiesen, dass Gäste Geld für Fahrten bezahlen. Nur so können sie den Unterhalt finanzieren. Dabei müssen die Eigner Widersprüche überbrücken. Einerseits brauchen sie die Einnahmen aus den Gästefahrten, um deren Substanz erhalten zu können, andererseits dürfen sie die Fahrzeuge nicht so umbauen, dass sie in erster Linie auf die Mitnahme von Gästen ausgerichtet sind. Denn dann verlieren sie ihre Zulassung als Traditionsschiff.
Andererseits benötigen auch alte Schiffe, die an Veranstaltungen wie dem Hafengeburtstag teilnehmen, aus Sicherheitsgründen Vorschriften, Richtlinien und amtliche Zulassungen wie alle anderen Verkehrsteilnehmer auch. Weil alte Schiffe nicht denselben Standards entsprechen können wie Neubauten, gibt es seit 1998 eine „Sicherheitsrichtlinie für Traditionsschiffe“. Sie enthält Zulassungsbestimmungen für Oldtimer und berücksichtigt technische Vorschriften nach den baulichen Gegebenheiten. Als die Sicherheitsrichtlinie 1998 in Kraft trat, war die Definition von Traditionsschiffen nur sehr ungenau. Die unklare Definition war durchaus in Kauf genommen worden, um unterschiedlichen Schiffstypen gerecht werden zu können. Aber genau das sorgt jetzt für Ärger. Denn nicht jedes alte Schiff ist auch ein Traditionsschiff. Mancher nutzte das Zulassungsprivileg der Oldtimer, um gewerbliche Schifffahrt zu betreiben.
Der Begriff Traditionsschiff soll eigentlich nur für Wasserfahrzeuge gelten, die seit ihrer Indienststellung nicht wesentlich verändert wurden. So etwas zu finden ist heutzutage aber fast unmöglich. In teilweise mehr als 100 Jahren haben sich die Voraussetzungen für die Seefahrt verändert. So mancher Segler, der im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts noch als Küstensegler seine Eigner ernährte, war irgendwann nicht mehr konkurrenzfähig. Es musste also ein Dieselmotor eingebaut werden, um die Lieferzeiten einhalten zu können. Irgendwann verzichteten die Eigner dann auf das Rigg, die Masten und Segel, und auf den alten Rumpf setzten sie größere Aufbauten. Aus dem Küstensegler war ein Küstenmotorschiff geworden.
Als die Schiffsgrößen immer weiter wuchsen, waren nach dem Zweiten Weltkrieg dann auch diese Motorschiffe nicht mehr konkurrenzfähig. Viele von ihnen endeten unter den Schneidbrennern von Abwrackwerften, nur einige wenige wurden in abgelegene Hafenecken geschleppt und sich selbst überlassen. So lange, bis Kenner ihren historischen Wert erkannten und ihren Dornröschenschlaf beendeten. Einer dieser Fachleute ist Joachim Kaiser, der dafür dann sorgte, dass mithilfe alter Pläne sowie dem Wissen über die frühere Verwendung die alte Substanz möglichst detailgetreu hergestellt wurde. Heute ist der Nautiker Vorstandsmitglied der Stiftung Hamburg Maritim, die sich dem Erhalt alter Schiffe verschrieben hat.
Strenge Maßstäbe
Andere alte Schiffe gerieten in weniger sachkundige Hände, sie wurden nicht mit dem Ehrgeiz wieder aufgebaut, sich dem historischen Vorbild anzunähern, sondern mit ihnen Geld verdienen zu wollen. So entsprechen sie trotz der teilweise alten Bausubstanz nicht den strengen Maßstäben, wie sie künftig an Traditionsschiffe angelegt werden sollen.
Puristen unter den Liebhabern alter Schiffe können sich lange darüber streiten, ob ein alter Segelfischkutter als Traditionsschiff noch immer eine Bünn haben muss. Das ist ein Kasten im Rumpf mit Löchern im Boden, in dem frisch gefangene Fische im Wasser schwimmend noch lebend zum Verkauf auf dem Fischmarkt gefahren werden können. Auf anderen Kuttern wurde sie entfernt, damit man mehr Gäste unter Deck unterbringen kann. Äußerlich sind die gepflegten Fahrzeuge nicht voneinander zu unterscheiden. Eine Zulassung haben beide.
Schwierig sind auch die Maßstäbe bei der Brigg „Roald Amundsen“ anzulegen, die in diesem Jahr erstmals bei der Hamburger Ein- und Auslaufparade dabei ist. Äußerlich wirkt sie wie einer jener Segler, die im 19. Jahrhundert noch die Lasten des transatlantischen Handels trugen. Als das stählerne Schiff 1952 in Rosslau an der Elbe gebaut wurde, trug es noch keine Masten, sondern sollte als motorisierter Fischlogger fahren. Zwischendurch war es dann Versorgungs- und Tankschiff für die Nationale Volksmarine der DDR, war als Bilgenentöler eingesetzt, diente als Wohnschiff für Wachmannschaften der Marine, gammelte unbenutzt ein Jahr in Neustadt/Holstein vor sich hin und wurde schließlich im Rahmen eines ABM-Projekts zu dem heutigen Segler umgebaut. Das macht die Einordnung als Traditionsschiff schwierig.
„Aber bei uns an Bord wird traditionelle Seemannschaft vermittelt“, sagt Ulrich Komorowski vom Vorstand Sailtraining Brigg Roald Amundsen, der das Schiff in Fahrt hält. So wurde die Genehmigung erteilt.
Auf der „Roald Amundsen“ kann jeder mitsegeln, selbst wenn er keine Vorkenntnisse hat – wie auf anderen Traditionsschiffen auch. Ulrich Komorowski: „So mancher kam nur mal für einen Törn und war so begeistert, dass er immer wieder kam.“ Wer nach solch einem Einstieg nach und nach die unterschiedlichen Patente erwirbt, kann auch verantwortliche Funktionen bis hin zum Kapitän übernehmen. Von solchen Bordkarrieren berichten auch Eigner anderer Traditionsschiffe.
Die Beispiele zeigen, dass unterschiedliche Bewertungskriterien an die Schiffe und die Art ihres Betriebs angelegt werden müssen.
Sorgen um die entsprechenden Zulassungen für seine Schiffe macht sich der Museumshafen Oevelgönne nicht. Vereinsgeschäftsführer Bjørn Nicolaisen: „Unsere Fahrzeuge entsprechen allen hohen Ansprüchen an Traditionsschiffe.“ An geplanten Protesten während des Hafengeburtstages beteiligen sie sich deshalb ebenso wenig wie die Fahrzeuge der Stiftung Hamburg Maritim.
Alte Schiffe sind als Kulturgut erhaltenswert. Das haben auch die beteiligten Behörden erkannt. Mittlerweile sind die Dachverbände der Traditionsschifffahrt, die Gemeinsame Kommission für historische Wasserfahrzeuge GSHW und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Museumshäfen (AGDM) mit den staatlichen Stellen im Gespräch. Gemeinsam wollen sie neue Regeln für die Zulassung von Traditionsschiffen erarbeiten.
Nach den Vorstellungen der Traditionsschiffsverbände sollten die Anträge von einen unabhängigen, sachkundigen Gremium überprüft werden. Die Zulassung von Gutachtern und Sachverständigen müsste geregelt werden und verbindliche Kriterien für die Bewertung derjenigen Schiffe erarbeitet werden, die als Traditionsschiffe fahren wollen. Die nächsten Verhandlungen sind für den Juni angesetzt.