Wenn die ersten Läufer längst im Ziel und viele Zuschauer wieder nach Hause gegangen sind, kämpfen am Ende des Feldes die langsamsten Teilnehmer mit dem Besenwagen. Wer dessen Tempo nicht halten kann, ist raus.
Hamburg. Es ist schon ruhig geworden an der Strecke, viele Läufer sind längst im Ziel und die meisten Zuschauer wieder nach Hause gegangen, als Udo Franßen seinen Kampf mit dem Besenwagen aufgeben muss.
Mehr als vier Kilometer war der 69-Jährige beim Haspa Marathon ganz am Ende des Feldes unterwegs, den Besenwagen immer im Nacken. An der Sierichstraße, bei Kilometer 21, ist dann Schluss: Der Wagen holt Franßen ein, der muss die Strecke freimachen. „Eigentlich wollte ich heute meine zehnte Marathonmedaille holen“, sagt der 69-Jährige aus Wiesbaden. „Aber es macht ja keinen Sinn, hier weiter die Strecke zu blockieren. Ich habe einfach nicht die Form, die ich sonst hatte.“
Obwohl er disqualifiziert ist, kommt es für ihn „überhaupt nicht infrage, in den Besenwagen einzusteigen“. Er wechselt einfach auf den Gehweg, dort geht es zu Fuß weiter. „Bei Kilometer 30 wartet mein Bruder auf mich. Da muss ich auf jeden Fall noch hin.“
Wer langsamer ist, ist raus
Der Besenwagen ist das berühmt-berüchtigte Fahrzeug, das bei Läufen am Ende des Feldes fährt, Verletzte einsammelt – und das untere Tempolimit markiert. Wer langsamer unterwegs ist als der Besenwagen, wird aus der Wertung genommen und der Strecke verwiesen, damit die Straße wieder für den Verkehr freigegeben werden kann.
Besonders bedrohlich sieht der Besenwagen aber gar nicht aus. Es ist einfach ein Krankentransporter, und zwar der, mit dem Besenwagenfahrer Steffen Teubler sonst auch für die Johanniter im Fahrdienst arbeitet. Beim Marathon ist Teubler erstmals als Besenwagenfahrer im Einsatz – und deutlich langsamer unterwegs als sonst.
„Ich fahre die ganze Zeit mit Standgas“, sagt der 30-Jährige. „Ich schätze, das sind so fünf bis sieben Kilometer pro Stunde.“ Radfahrer, Skater und Freizeitjogger ziehen am Besenwagen vorbei, als er an der Außenalster entlang fährt.
Ein bisschen Gas geben kann Teubler nur, wenn ein einsames Schlusslicht der Strecke verwiesen wurde und der Besenwagen zum neuen Schlusslicht aufschließen muss. Oder wenn ein verletzter Läufer eingesammelt wurde und zur nächsten Versorgungsstation gebracht werden muss. Ansonsten geht es sehr gemächlich mit Schrittgeschwindigkeit voran.
Nächstes Jahr neuer Versuch
Einer der Läufer, die im Besenwagen landen, ist Simon Frølich aus Kopenhagen. Er ist mit Kollegen seiner Firma nach Hamburg gereist, um seinen ersten Marathon zu laufen. Aber bei Kilometer fünf muss er aufgeben – bei einem Halbmarathon vor zwei Wochen hat er sich am Knie verletzt. „Ich hatte schon damit gerechnet, dass es Probleme geben könnte, aber ich wollte es trotzdem probieren“, meint der 27-Jährige.
Für Dagmar Linck aus Bonn endet der diesjährige Hamburg Marathon bei Kilometer vier ebenfalls im Besenwagen – auch bei ihr ist das Knie schuld. Die 52-Jährige arbeitet in Bonn als Lauftrainerin, es wäre ihr 31. Marathon gewesen. Dass sie aufgeben muss, sieht Linck gelassen: „Gesundheit geht vor. Ich bin lieber vernünftig und höre auf, bevor ich mir was Chronisches hole.“
Sowohl Frølich als auch Linck wollen im kommenden Jahr wieder in Hamburg an den Start gehen. „Der Hamburg Marathon ist stimmungsmäßig immer top, besser als in den meisten anderen Städten, in denen ich gelaufen bin“, meint Linck. Und auch Udo Franßen lässt sich nicht entmutigen und will in ein paar Tagen gleich wieder ins Training einsteigen. „Aufgeben ist nicht mein Ding“, sagt er. Und beim nächsten Anlauf klappt es bei ihm bestimmt mit der zehnten Marathonmedaille.