Verfassungsschutzbericht weist 895 Straftaten für 2013 aus. Auch Salafisten-Szene bereitet dem Senat große Sorgen
Hamburg. Es gab im vergangenen Jahr in Hamburg deutlich mehr linke Gewalt und ein immer offeneres Auftreten der Salafisten-Szene. Das sind die beiden markantesten Erkenntnisse aus dem Verfassungsschutzbericht, der am Montag vom Leiter des Landeamtes für Verfassungsschutz, Manfred Murck, und Innensenator Michael Neumann vorgestellt wurde. Demnach hat sich die Zahl der linksextremistisch motivierten Straftaten im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Die Zahl der links motivierten Gewalttaten hat sich sogar nahezu verdreifacht. Die Ursache für den sprunghaften Anstieg ist laut Murck die von „Gewaltexzessen“ begleitete Demonstration am 21.Dezember 2013, als Tausende Vermummte vor der Roten Flora aufmarschiert waren.
895 politisch motivierte Straftaten aus der linken Szene weist der Verfassungsschutzbericht für 2013 aus. Das ist der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre. 297 der Taten werden Linksextremisten zugeordnet. Die Masse davon, 187, waren Gewalttaten. 2012 hatte es 64 linksextremistisch motivierte Gewalttaten gegeben. Auch das war ein Höchststand gewesen.
Der linken Szene sei es gelungen, verschiedene Themen zu bündeln, dadurch bundesweit für die Demo am 21.Dezember 2013 zu mobilisieren und die traditionell starke Allianz mit der Berliner Szene zu nutzen, so Murck. Das habe dazu geführt, dass unter den rund 7000 Demonstranten, die sich am 21.Dezember vor der Roten Flora im Schanzenviertel aufbauten, rund 4000 gewaltbereite Linksextremisten waren.
Die mit der Demo verbundenen Ausschreitungen seien laut Murck „wesentlich“ für den rasanten Anstieg der linken Gewalttaten. Für die Szene dürfte der Tag ein großer Erfolg gewesen sein. „Massenmilitanz ist die favorisierte Ausdrucksform der Szene“, so Murck. Die Verbindung von „Ideologie und Aktion“ würde die Mobilisierung unterstützen. Gleichzeitig geht Murck davon aus, dass das ein Ereignis war, das die Szene nicht so schnell wieder realisieren kann. Real dagegen ist eine Radikalisierung innerhalb der linken Szene. Sie wird an der Zahl der sogenannten Antiimperialisten festgemacht, die sich innerhalb von zwei Jahren auf 100 verdoppelt hat. Diese Form des Linksextremismus ist klar gegen die bestehende Gesellschaftsform ausgerichtet.
Die CDU nimmt den deutlichen Anstieg links motivierter Gewalt zum Anlass, um ein härteres Vorgehen gegen Linksextremisten zu fordern. „Hamburg leidet mehr denn je unter gewalttätigem Linksextremismus“, so Kai Voet van Vormizeele, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. „Die brutalen Übergriffe auf Polizeibeamte haben deutlich gemacht, dass der Senat den Rechtsstaat dringend entschlossener verteidigen und eskalierende linksextremistische Gewalt konsequent bekämpfen muss.“
Mit Sorge betrachtet der Verfassungsschutz auch die islamistische Klientel in der Stadt. Die Salafisten-Szene agiere so offen wie nie, sagte Murck. Jede Woche sei sie in der Innenstadt präsent, ihre Anhänger verteilten den Koran. Dabei gingen sie viel offensiver vor als früher. „Die Salafisten sind deutlich öffentlichkeitsorientierter geworden“, so Murck. „Sie sind nicht nur auf dem Steindamm, sondern auch in der Fläche aktiv und tragen damit den Funken in andere Teile Hamburgs.“
Auch eine Radikalisierung der islamistischen Szene macht der Verfassungsschutz aus. So gebe es einen merkbaren Wechsel von Salafisten in die „Dschihadisten-Szene“, die besonders stark gewaltorientiert ist. Dschihad bedeutet Heiliger Krieg. Vor allem der Bürgerkrieg in Syrien sei das große Thema in der Szene. „Der Konflikt in Syrien hat ein deutlich höheres Mobilisierungspotenzial als der Irak-Krieg oder der in Afghanistan“, so Murck. Aus Hamburg sind bislang 25 Dschihadisten Richtung Syrien in den Krieg gezogen. Zwei von ihnen sind getötet worden. Andere kehrten wieder nach Hamburg zurück. „Sie sind mental verroht und haben gelernt zu kämpfen“, so Murck. Deshalb seien sie eine große Gefahr.
Rechtsextremisten spielen zahlenmäßig eine deutlich kleinere Rolle in Hamburg. 330, davon 160 gewaltbereit, werden der Szene zugeordnet. Die Zahl der ihnen zugerechneten Straftaten wird mit 362 angegeben. Darunter sind 32 Gewalttaten. Vor allem die sogenannten Kameradschaften hätten kaum noch Bedeutung. Aktiv ist dagegen weiterhin die „Weisse Wölfe Terrorcrew“. Innensenator Michael Neumann betonte, das man auch weiterhin mit hoher Priorität gegen die rechte Szene vorgehen werde.
Sichtlich berührt war Neumann beim Thema Spionageabwehr. „Ich hatte mir nie vorstellen können, dass ich eine wie heute gezeigte Folie vorstellen muss“, so Neumann angesichts eines Schaubildes, auf dem neben China, Russland und dem Iran auch die Flaggen Großbritanniens und der USA als „Angreifer“ zu sehen sind.