Aber noch knapp 4900 Plätze sind unbesetzt. Bei der Auswahl ihrer Auszubildenden gehen die Firmen neue Wege. Das Zeugnis entscheidet nicht mehr allein über die Einladung zum Vorstellungsgespräch.
Hamburg Martin Schmidt hat es fast geschafft. Der 25-Jährige ist im vierten und damit letzten Ausbildungsjahr als Elektroniker für Betriebstechnik im ICE-Werk Eidelstedt. „Ich wollte schon immer in einem großen Unternehmen arbeiten“, sagt der Auszubildende. Bei der Deutschen Bahn in Hamburg, die jedes Jahr rund 150 neue Auszubildende einstellt, hat er seinen Idealberuf gefunden: „Gewerblich-technische Berufe haben mich schon immer interessiert. Es sollte auch eine Mischung aus körperlicher und geistiger Tätigkeit sein“, sagt Schmidt.
Nicht alle haben solche klaren Vorstellungen von ihrer beruflichen Zukunft. Da hilft es dann auch nicht, dass es für Hamburgs Schulabgänger seit Jahren mehr Lehrstellen gibt, als rein rechnerisch benötigt werden. „Wir rechnen bis zum Herbst mit über 10.000 Lehrstellen, die uns gemeldet werden“, sagt Sönke Fock , Chef der Arbeitsagentur, am Montag bei der Vorstellung einer Zwischenbilanz zum Ausbildungsmarkt. Die meisten neuen Ausbildungsverhältnisse beginnen am 1. August. Seit Oktober wurden der Arbeitsagentur rund 7900 Lehrstellen gemeldet, davon sind noch 4900 frei. Darin enthalten sind auch viele Lehrstellen, die von Handels- und Handwerkskammer in ihren Lehrstellenbörsen geführt werden. „Jetzt ist die beste Zeit, sich einen Ausbildungsbetrieb zu suchen“, sagte Fock.
Doch für viele beginnt nach der Schule erst eine Findungsphase. Auch Schmidt hat nicht gleich die richtige Lehrstelle gefunden. „Ich habe viele Praktika gemacht, im Hafen als Kommissionierer und Packer gearbeitet und bei einem anderen Unternehmen als Chemielaborant“, sagt Schmidt. Bis schließlich die ersehnte Zusage der Bahn kam.
Fock rät, sich nicht nur auf die gefragtesten Berufsbilder wie Kfz-Mechatroniker, Zahnmedizinische Fachangestellte oder Tischler zu konzentrieren. „In Hamburg werden 320 Berufe ausgebildet. Da können viele Interessen bedient werden“, sagt er. Die bisherige Entwicklung zeigt, dass in diesem Jahr bis März sieben Prozent weniger Lehrstellen gemeldet wurden als im Vorjahr. Fock führt das auf die schwache konjunkturelle Entwicklung im vergangenen Jahr zurück.
Auch die Zahl der noch unbesetzten Lehrstellen liegt neun Prozent unter dem Wert des Vorjahres, so die Arbeitsagentur. Neben dem leicht geringeren Angebot deutet das darauf hin, dass sich Schulabgänger schneller als im vergangenen Jahr für ein Ausbildungsverhältnis entscheiden.
Dafür spricht auch die Entwicklung im Handwerk. Bisher wurden bei der Handwerkskammer 420 Ausbildungsverträge unterschrieben. Das sind 26 Prozent mehr als im Vorjahr. „Das Hamburger Handwerk stellt mehr freie Ausbildungsplätze zur Verfügung als je zuvor“, sagte Oliver Thieß, Leiter Bildungspolitik in der Handwerkskammer Hamburg. Knapp 600 freie Ausbildungsplätze für 2014 gibt es noch im Bereich des Handwerks. Bei der Handelskammer sind noch knapp 1900 Ausbildungsplätze zu besetzen.
Als schwierig erweist sich, die Interessen von Bewerbern und Firmen in Übereinstimmung zu bringen. Das ist ein Grund, warum viele Lehrstellen unbesetzt bleiben. Gleichzeitig klagen die Unternehmen darüber, keine Bewerber zu finden. Fock appellierte an die Firmen, ihre Auswahlverfahren zu überdenken: „Viele schriftliche Bewerbungen erhalten zu schnell den Stempel ,nicht geeignet‘, dabei verfügen die Bewerber oft über Qualitäten und Talente, die aus den schriftlichen Unterlagen nicht hervorgehen.“
Auf diese Entwicklung haben die Unternehmen zum Teil bereits reagiert. „Bei der Vorauswahl sind Zeugnisnoten nicht mehr das ausschlaggebende Einstellungskriterium“, sagt Inge Brück von der Region Nord der Deutschen Bahn. Alle Bewerber werden zu einem Onlinetest eingeladen. Wer den besteht wird – unabhängig von seinem Zeugnis – zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. „Wir wollen mit dem neuen Verfahren vor allem die Stärken, Schwächen und Neigungen unserer Bewerber herausfinden“, sagt Brück. „Wenn der Test nicht so gut ausfällt, geben wir auch Hinweise auf Alternativberufe bei uns.“ Wer sich als Mechatroniker beworben hat, hat dann vielleicht noch eine Chance als Industriemechaniker. Insgesamt gibt es bei der Deutschen Bahn 50 Ausbildungsberufe, in Hamburg können davon 13 erlernt werden. Aktuell sind sogar noch 50 Lehrstellen in der Hansestadt unbesetzt, darunter 13 für den Elektroniker Betriebstechnik und 15 für Mechatroniker.
Im Handwerk erhalten auch Abgänger ohne Schulabschluss eine Chance. 137 junge Leute konnten im vergangenen Jahr davon profitieren. „Dafür sind zahlreiche Berufe geeignet, wie etwa eine abgespeckte Malerlehre“, sagt Thieß. Die Erfahrung zeige, dass häufig in der Ausbildung für die Jugendlichen der Durchbruch komme. Denn in der praktischen Ausbildung haben sie ihre ersten Erfolgserlebnisse.
Die Handelskammer lädt am 3. Juni in ihren Räumen zu einem Speeddating ein. Bewerber können sich in zehn Minuten bei 50 teilnehmenden Firmen präsentieren. „Wir wollen keine Zeugnisse sehen, sondern nur einen kurzen Lebenslauf“, sagt Fin Mohaupt von der Handelskammer. Schon am Ende des Gesprächs kann die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch stehen. Anmeldungen sind unter www.hk24.de/speeddating möglich.