Jedes Jahr machen sich 1200 Hamburger mit Unterstützung der Arbeitsagentur aus der Arbeitslosigkeit heraus selbstständig. Arbeitslosigkeit im Februar verharrt auf hohem Niveau.

Hamburg Sie macht alles allein. Lange bevor Isabelle Guillot-Vignot ihr Café Le BeauVoisin in der Ulmenstraße öffnet, steht sie in der Küche: Gemüse putzen und schälen, Suppe kochen oder den Teig für Quiche und Tarte zubereiten. Bis zu vier Stunden benötigt sie jeden Tag dafür. Nur montags gönnt sie sich einen Ruhetag – von ihren Gästen, nicht aber vom Geschäft. Als Gründerin kann sie sich noch keine Auszeit leisten. Auch Geschäftspläne, Abrechnungen und Warenbestellungen müssen bewältigt werden. Erst im November 2013 hat sie sich selbstständig gemacht.

Wo früher ein Weinladen war, eröffnete sie ein französisches Café mit 27 Plätzen. Sie bietet typische französische Gerichte an, die alle zwei Tage wechseln. Mal serviert sie eine Sellerie-Maronen-Suppe, dann eine Brokkoli-Cremesuppe. Mal wird Quiche mit Thunfisch und roten Zwiebeln serviert, dann wieder mit Schafskäse und Brokkoli. Auch leckere Kuchen gibt es. Alles ist selbst gemacht. „Der Zuspruch ist sehr gut, vor allem am Wochenende“, sagt Guillot-Vignot. Sie ist eine von 1200 Gründerinnen, die sich mit Unterstützung der Arbeitsagentur Hamburg jedes Jahr selbstständig machen. „Ich habe im Logistikbereich eines Konsumgüterherstellers gearbeitet und bin arbeitslos geworden“, sagt die 29-Jährige, die in Frankreich BWL studiert hat und seit drei Jahren in Deutschland lebt. „Die Jobangebote, die ich dann bekommen habe, entsprachen weder meiner Ausbildung noch meiner Berufserfahrung“, sagt sie.

Die Lage am Hamburger Arbeitsmarkt ist schwieriger geworden. Aktuell sind 75.524 Hamburger arbeitslos, wie die Arbeitsagentur gestern bekannt gab. Die Zahl der freien Stellen geht seit Monaten zurück. Zwar gab es im Februar knapp 12.000 Jobangebote, aber das sind rund 23 Prozent weniger als vor zwölf Monaten. Jahrelang wurden auch die Mittel zur Förderung der Selbstständigkeit gekürzt. Jetzt hat ein Umdenken eingesetzt. Bundesweit sollen in diesem Jahr von den Arbeitsagenturen 427 Millionen Euro für die Gründungsförderung ausgegeben werden. Das ist fast doppelt so viel wie im Vorjahr. Auch Hamburg wird seine Aufwendungen um knapp 20 Prozent aufstocken. „Wir haben ein großes Interesse daran, innovative, kreative und geprüfte Existenzförderungen aus der Arbeitslosigkeit heraus zu fördern“, sagt Sönke Fock, Chef der Arbeitsagentur Hamburg.

Schon nach dem Studium hätte Guillot-Vignot gerne in der Gastronomie gearbeitet. Die Arbeitslosigkeit war für sie Anlass, sich neu zu orientieren. „Das ist typisch für Gründer“, sagt Experte Andreas Lutz, der die Internetseite www.gruendungszuschuss.de betreibt. Die Gründung erfolge nicht aus der Not heraus, sondern die Ideen seien meist schon länger gereift. „Mit dem Café konnte ich mein eigenes Konzept umsetzen“, sagt Guillot-Vignot. „Mit der Zubereitung von warmen Speisen und Kuchen habe ich schon vor 15 Jahren angefangen.“ Viele Rezepte stammen noch von ihrer Großmutter. Bei der geschäftlichen Planung holte sie sich Rat bei der Lawaetz-Stiftung. Sie hat sich auf die Betreuung von Gründern aus der Arbeitslosigkeit spezialisiert.

Denn nur wer ein überzeugendes Konzept bei der Arbeitsagentur vorlegt, hat die Chance, den Gründungszuschuss zu bekommen. Er kann bis zu 15 Monate lang gewährt werden und besteht aus zwei Elementen. Die Grundförderung wird sechs Monate lang gezahlt und besteht aus dem Arbeitslosengeld und einer Pauschale von 300 Euro zur Deckung der Sozialversicherungsausgaben. Im Anschluss daran kann es noch für neun Monate eine Aufbauförderung geben. Sie besteht nur noch aus der Pauschale von 300 Euro. Voraussetzung für den Gründungszuschuss ist, dass der Gründer noch mindestens 150 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat.

Guillot-Vignot ist noch in der Förderphase. „Das ist schon eine Entlastung für die wichtigsten persönlichen Ausgaben“, sagt sie. Am Wochenende hat sie eine Aushilfe. Doch ewig das Café allein zu betreiben, ist keine Lösung. „Ich denke, dass ich Ende des Jahres auch einen Angestellten beschäftigen kann“, sagt sie. Die Aussichten sind gut. „70 Prozent der Gründer sind nach fünf Jahren noch selbstständig“, sagt Lutz. Die übrigen 30 Prozent landen nicht zwangsläufig wieder in der Arbeitslosigkeit. „Viele schaffen es auch aus der Selbstständigkeit heraus wieder zu einem Angestelltenjob“, sagt Lutz.

Im Vergleich zum Vormonat ist die Zahl der Arbeitslosen in Hamburg im Februar leicht gestiegen. „Wir haben 383 Jobsuchende mehr als im Januar des Jahres, insgesamt sind es 76.524“, sagt Fock. Das milde Wetter habe den Arbeitsmarkt noch nicht beflügelt. Im Vorjahresvergleich zeigt sich, dass die Arbeitslosigkeit deutlich gestiegen ist. Es gibt jetzt sechs Prozent mehr Jobsuchende als im Februar 2013. Nach Focks Einschätzung halten sich die Firmen bei Neueinstellungen zurück, obwohl die Konjunktur in diesem Jahr anziehen soll. „Die Hälfte der Jobsuchenden sind Fach- und Führungskräfte“, sagt Fock. Bleibt ihr Potenzial ungenutzt, werden sich einige als Gründer versuchen. Bundesweit verharrte die Arbeitslosenzahl bei 3,138 Millionen.