Eine bisher nicht beachtete Zeugin soll befragt werden. Sie soll 2001 kurz nach dem Mord an Süleyman Tasköprü am Tatort angekommen sein und lebt nun in Bristol. LKA-Ermittler wollen eine Speichelprobe von der Frau nehmen.

Hamburg. Es ist erst ein paar Tage her, da ging ein Schreiben der Generalbundesanwaltschaft (GBA) in Richtung London. Adressat: United Kingdom Central Authority, das britische Pendant der GBA. In dem Brief bitten die Staatsanwälte um Rechtshilfe. Die mittlerweile in Bristol lebende Deutsche soll als Zeugin befragt werden. Es geht um den Hamburger Mord an Süleyman Tasköprü im Juni 2001, mutmaßlich begangen durch den neonazistischen „Nationalsozialistischen Untergrund“, NSU. Gegen Beate Zschäpe läuft ein Verfahren in München. Es geht um zehn Morde, Raubüberfälle und Gründung einer terroristischen Vereinigung. Und die Zeugin Rahat Ara H. spielte bisher keine Rolle. Nun aber ist sie eine neue Spur im Hamburger Fall.

Aus den Unterlagen, die dem Abendblatt vorliegen, geht hervor, dass die Generalstaatsanwälte im NSU-Verfahren davon ausgehen, dass die 39 Jahre alte H. „zeitnah am Tatort Schützenstraße in Hamburg“ eintraf. Kurz nachdem der Vater seinen Sohn tot im Lebensmittelgeschäft der Familie aufgefunden hatte, ermordet durch drei gezielte Kopfschüsse. Laut Akten erhofft sich die GBA neue Erkenntnisse über Personen am Tatort. Auch Kriminalbeamte des Hamburger LKA sollen nun für eine Befragung der neuen Zeugin nach England reisen. Im Gepäck: 30 Fragen an die Zeugin. Kannte H. den Toten? Hat sie Schüsse gehört oder Männer aus dem Laden gehen sehen? Zudem wollen die Beamten der neuen Zeugin Bilder von Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt vorlegen.

Lange in falsche Richtung ermittelt

2001 hatte der Vater des Ermordeten erst gesprochen, dass zwei Männer aus dem Laden gelaufen seien. „Deutsche“, sagte Ali Tasköprü damals. In späteren Aussagen habe er sich dann nicht mehr genau erinnern können, ob die Männer „deutsch“ aussahen. Die Hamburger Polizei ermittelte jahrelang in die falsche Richtung, vermutete die Täter im „türkischen Milieu“ oder Drogengeschäfte hinter der Tat. Auch als andere Bundesländer bereits einen rassistischen Hintergrund Morde vermuteten, blieben die Hamburger Beamten bei ihrer These. Ohne Erfolg. Über Jahre blieben die Morde, begangen mit der selben Tatwaffe, unaufgeklärt. Der NSU um Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe soll für die Morde verantwortlich sein. Bisher ist nicht geklärt, ob nur Mundlos und Böhnhardt die Opfer erschossen haben, oder ob auch Zschäpe an den Tatorten gewesen ist. Zschäpe schweigt.

Die neue Zeugin könnte nun die Aussagen des Vaters bestätigen, der zwei fremde Männer am Tatort gesehen hatte. Zudem soll die Zeugin laut GBA auch eine freiwillige Speichelprobe abgeben. Denn bisher konnten die Ermittler im Hamburger Fall eine DNA-Spur am Opfer nicht zuordnen. Mehrere Bewohner aus der Nachbarschaft waren dem Vater im Laden damals zur Hilfe geeilt. Trifft nun die DNA-Probe mit der Zeugin H. überein, können die Beamten ausschließen, dass die Spur einer weiteren an der Tat beteiligten Person gehört. „Ein Tatverdacht gegen die Zeugin ist damit in keiner Weise verbunden“, heben die Beamten in ihrem Schreiben an die britischen Kollegen hervor.

Erst 2008 hatten Hamburger Beamte eine damalige Anwohnern in Bahrenfeld als Zeugin befragt. Erst dann kam heraus, dass die Frau eine weitere Person am Tatort gesehen hatte, eine Frau, die sie aus der Nachbarschaft kenne. Doch die Ermittler ließen die Spur fallen, als der Person nicht gefunden werden konnte. Erst die GBA konnte die neue Zeugin mit Hilfe der britischen Polizei in England ausmachen.