Ex-Senator und „Container-König“ Ian Karan spendet Millionen und unterstützt derzeit allein in Hamburg 34 verschiedene soziale Projekte.
Harvestehude. Es ist eine Herzensangelegenheit, die viel Vorbereitung und Geld kostet. Doch in Hamburg wissen nur Eingeweihte davon. Am 1.April hat in der Kleinstadt Point Pedro an der Nordspitze Sri Lankas ein Internat seinen Betrieb aufgenommen, das den Namen des Spenders trägt: Ian Karan Hostel. 160 Waisenjungen finden ein Zuhause mit direktem Anschluss an die Schule nebenan. Ein ähnliches Haus für Mädchen entsteht in der Nähe. Es wird ebenfalls finanziert vom „Container-König“ aus Hamburg. Es ist von mehr als 700.000 Euro die Rede.
Anfang März flogen Karan und seine Ehefrau Barbara, eine gebürtige Kielerin, auf den Inselstaat im Indischen Ozean, um das neue Gebäude einzuweihen. Es war eine fröhliche Zeremonie, an der auch der Deutsche Botschafter, der Gouverneur und der Ministerpräsident teilnahmen. Der Hintergrund des Projekts ist ernst. Denn nach dem frühen Tod seiner Eltern wuchs Ian Karan erst bei seiner Großmutter, dann in einem später zerstörten Internat auf – genau dort, wo das aktuelle Projekt entsteht. Das ist auch deshalb sinnvoll, weil der Mann mitfühlen kann. „Nach 25Jahren Krieg keimt allmählich wieder Zuversicht“, sagt Karan.
Bevor er mehr davon berichtet, bittet Ian Kiru Karan in sein Büro. Es befindet sich im zweiten Stock einer Villa am Harvestehuder Weg, kleiner Park und Alsterblick inklusive. Der große Raum ist hanseatisch eingerichtet, aber mit exotischer Note angereichert: eine uralte Seekiste, maritime Bilder, eine lebensgroße Buddhafigur mit Original-Schal vom Dalai Lama.
Grüner oder schwarzer Tee ist die erste Frage dieses Nachmittags. Der Gastgeber ist in Hochform. „Moin!“, hat er zur Begrüßung gesagt. Immer wieder lacht er laut, reagiert schlagfertig und gewitzt, erweist sich als humorvoll und äußerst eloquent. Ein guter Spruch folgt dem nächsten. Nach diesem Vorspiel wird der Unternehmer, der am 17. Juni seinen 65. Geburtstag begeht, unvermittelt ernst. Kein Wunder: Es geht um seinen turbulenten Lebenslauf, um „Spenden aus Prinzip“, um eine gewisse Diskretion darüber, aber auch um Attacken gegen seine Person aus seiner Ära im politischen Tagesgeschäft. Mancher Stich aus der Senatorenzeit sitzt unverändert tief. Das wird rasch klar.
Doch der Reihe nach.
Das Stichwort Waisenhaus in Point Pedro und seine eigene Vergangenheit dort bringt Ian Karan zum Sinnieren. Im Sauseschritt skizziert er seinen Werdegang aus einfachen Verhältnissen zum vermögenden Bürger seiner Wahlheimat Hamburg. Tod der Mutter, einer Bauerntochter, bei Ians Geburt 1939, Tod des Vaters drei Jahre später. 1955, im Alter von 16 Jahren, Übersiedlung nach London im Rahmen eines Sportstipendiums der methodistischen Kirche. Zehn Jahre später Trainee bei der deutschen Logistikfirma Schenker in England, danach beruflicher Wechsel nach Basel.
1970 zog es den nunmehr 31-Jährigen nach Hamburg, um Deutsch zu lernen. Das sollte den beruflichen Aufstieg beflügeln. Zeitweise arbeitete der ehrgeizige junge Mann als Tellerwäscher in einem vegetarischen Restaurant in den Alsterarkaden. Es folgten eine Anstellung in der Spedition Max Grünhut und 1975 das Wagnis Selbstständigkeit. Auf ins Containergeschäft! Das Ergebnis ist bekannt: Karan ist wirtschaftlich ein gemachter Mann.
Dazu trug der Verkauf seines Unternehmens Capital Lease 2007 für einen dreistelligen Millionenbetrag bei. Diese Summe stand in der Wirtschaftspresse. Karan schweigt dazu. Offensichtlich hat er neben seiner norddeutschen Lebensart auch den Grundsatz hanseatischer Pfeffersäcke inhaliert, dass man Geld zwar sehr gerne hat, aber lieber nicht darüber spricht.
Umso offenherziger reagiert er auf Fragen nach seiner politischen Karriere, die ihn 2010 als ersten Migranten überhaupt in den Hamburger Senat führte. Diese Zeit war begleitet von massiven Vorwürfen, auch sehr persönlicher Art. Es ging um angebliche Mogeleien bei der Übernahme der deutschen Staatsbürgerschaft und um Details seiner Vita. „Dass in der Politik Tiefschläge zum Alltag gehören, war mir klar“, meint er rückblickend. Schwerer verdaulich sei die fehlende Gelegenheit gewesen, sich zu den Punkten vorher detailliert äußern zu können. Unter dem Strich, sagt er, habe alles seine Ordnung gehabt. An seiner Spendierfreude zum Wohl der Stadt änderte diese aus seiner Sicht bittere Erfahrung nichts. Rund 1,3Millionen Euro, so heißt es, spendet der Kaufmann jährlich für wohltätige Zwecke. Vor ein paar Jahren sollen es sogar 1,8 Millionen Euro gewesen sein.
Der bisher so redegewandte, nie um einen Spruch verlegene Mann wird schmallippig. Er spricht von Zurückhaltung auf diesem Gebiet, Rücksicht auf Ehefrau und die vier Kinder, finanzielle Bittgesuche von allen möglichen Seiten. Das müsse man respektieren. Letztlich jedoch dementiert er die genannten Zahlen nicht.
„Ich kann schlecht Nein sagen“, sagt er. Diese Angewohnheit muss zu der in Hamburger Spenderkreisen verbreiteten Ansicht geführt haben: „Wer bei Karan um Unterstützung bittet, geht selten mit leeren Händen.“ Bei dieser Behauptung kehrt das Lachen zurück. „Ein bisschen stimmt das“, sagt er. Letztlich wolle er sich gar nicht ändern. Er habe schon abgegeben oder geteilt, als er noch ein „armer Schlucker“ gewesen sei. Zugeknöpfte Taschen oder „einen Igel“ ebendort habe er zeitlebens nicht gehabt. Diese Großzügigkeit spürten auch andere. Ian Karan fördert den Bau der Elbhpilharmonie mit angeblich einer halben Million Euro, doch auch zu dieser Zahl gibt er keinen Kommentar. Schon eher zu den Zahlungen an politische Parteien. Eine sechsstellige Summe, so ist offiziell bekannt, floss an die CDU, aber auch die Schill-Partei, FDP und SPD nahmen gerne. Und die Grünen? Die hätten nicht gefragt. Warum an fast alle, Herr Karan? Ist das nicht inkonsequent? „Ich habe Hamburg und den Hamburgern viel zu verdanken“, antwortet er. „Da ist es nicht nur eine Frage des Herzens, sondern auch des Prinzips, etwas zurückzugeben.“
Er sei mit 3000 D-Mark gekommen, ohne Sprachkenntnis, ohne Freunde, er habe unter dem Strich reichlich Fortune gehabt im Leben. Jetzt folge seine Art von Dank. Und das Fundament des Wohlstands, der Rechtsstaat, müsse gefördert werden. Dies gelte für alle demokratischen Parteien. Umso schmerzhafter empfinde er politische Attacken aus der Zeit als Wirtschaftssenator 2010/11. Auch der Einsatz im Aufsichtsrat des HSV brachte nicht nur Freude. Beides allerdings sei ein anderes Kapitel.
Ergebnis von Karans Großzügigkeit ist eine von der Juristin Jasmin Hoppmann gemanagte Stiftung. Ehefrau Barbara, Betriebswirtin, habe den „klaren Auftrag“, die Spendengelder konzentriert einzusetzen. Zuwendungen an Einzelpersonen gehören nicht zur Stiftungspolitik. Im Fokus des gemeinnützigen Engagements der Familie Karan stehen derzeit 34 Projekte. Zwei Hospize, „Herz im Zentrum“ der Uniklinik Eppendorf, die Stiftung Musikleben und die Aktion NestWerk von Reinhold Beckmann. „Es gibt so viel zu tun“, sagt Karan. „Und ich bin froh, in der Lage zu sein, ein wenig helfen zu können.“