Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider trifft regelmäßig bekannte und weniger bekannte Menschen auf ein Getränk ihrer Wahl. Das Gespräch endet automatisch immer dann, wenn das Glas leer ist.
Der auf Ceylon (heute Sri Lanka) geborene Ian Karan, 74, kam 1970 nach Hamburg, gründete hier mehrere Unternehmen und wurde zu einem bedeutenden Mäzen. Von Sommer 2010 bis Frühjahr 2011 war er auch Wirtschaftssenator. Ein Treffen im Restaurant Henriks, Rotherbaum.
Hamburger Abendblatt: Was wollen Sie trinken?
Karan: Ich hätte Lust auf einen schweren Rotwein.
Es ist gerade einmal 15.30 Uhr.
Karan: Aber an einem Freitag darf man doch ruhig schon nachmittags Rotwein trinken.
Das mag sein. Aber heute ist Dienstag.
Karan: Ach so (lacht). Na gut, dann trinken wir eben einen Weißwein (blättert die Weinkarte durch). Wir nehmen einen Jermann, einen Sauvignon aus Italien. Den Winzer habe ich kennengelernt, als ich in Triest eine Firma hatte.
Sind Sie Weißweintrinker?
Karan: Eigentlich bietet mir Rotwein viel mehr als ein Weißwein. Aber Sie beharren ja darauf, dass heute Dienstag ist. Schade (lacht). Nein, mal im Ernst: Ich habe ja selbst ein Weingut in Sizilien, und da bauen wir vor allem Rotweine an.
Und was machen Sie damit?
Karan: Die verkaufen wir – und in Hamburg unterstützen wir mit meinen Weinen Veranstaltungen zugunsten karitativer Zwecke, zum Beispiel Event Prominent von Dunkelziffer und Hamburger Leuchtfeuer.
Womit wir schon bei einem der Hauptgründe wären, weswegen ich mich mit Ihnen auf ein Glas treffen wollte. Wann immer in den vergangenen Wochen bei mir eine Einladung mit einem karikativen...
Karan: Sie meinen karitativen. Wäre schön, wenn man Deutsch kann (lacht laut und lange). Wer hätte gedacht, dass Sie von mir in Sachen Sprache etwas lernen können...
Ich nicht (wir trinken einen Schluck). Bei mir ist wirklich der Eindruck entstanden, dass Sie quasi einen Großteil ihres Geldes für wohltätige Zwecke ausgeben. Sind Sie jetzt von Beruf Großspender?
Karan: Einen Großteil nicht, da passt meine Frau schon auf. Aber im Verhältnis versuchen wir schon, Menschen in Not möglichst viel zu geben. Ich bin damals mit 3000 Mark in der Tasche nach Hamburg gekommen, ohne Deutschkenntnisse und ohne Hochschulabschluss. Diese Stadt hat es mir trotzdem erlaubt, das zu werden, was ich geworden bin. Das ist keine Selbstverständlichkeit, und deswegen ist es mir eine Verpflichtung, etwas zurückzugeben. Das klingt etwas pathetisch, aber so ist das. Und ich hoffe, dass ich mit meinem Beispiel auch andere Migranten dazu ermuntere, sich einzubringen. Wir dürfen nicht nur hierherkommen, um von Hamburg zu profitieren.
Das geht bei Ihnen so weit, dass man Ihnen nachsagt, bei Hilfegesuchen nicht Nein sagen zu können.
Karan: Es fällt mir tatsächlich schwer, aber wir können nicht allen Bitten nachkommen, das sind inzwischen zwei bis drei Anfragen pro Tag. Meine Frau und ich versuchen jedes Jahr, unsere Spenden direkt und unterschiedlich zu verteilen.
Sie geben nicht nur Geld, Sie sind auch oft bei den entsprechenden Events dabei. Warum? Um zu sehen, was mit Ihren Spenden getan wird?
Karan: Das auch. Aber zugleich, um Präsenz zu zeigen. Wissen Sie, wenn Sie irgendwo hingehen, fällt das keinem auf. Sie sind ein Deutscher.
Was man meiner Sprache nicht immer anmerkt...
Karan: (lacht) Das haben Sie gesagt. Aber mir sieht man halt sofort an, dass ich nicht aus Deutschland komme. Wenn ich mich zeige, ist das ein anderes Zeichen. Wenn Sie so wollen, ist das meine Form der Integration.
Ich frage mich, ob es in der heutigen Zeit nicht besser ist, so zu sein wie Sie als so wie ich.
Karan: Sie meinen ein wenig Sri Lanka, ein wenig England, ein wenig Hamburg ist besser als nur deutsch?
Ich meine: Die Gegenwart gehört den Weltbürgern.
Karan: Trotzdem hat Hamburg nicht auf mich gewartet, als ich hier angekommen bin.
Aber ihre Internationalität hat Ihnen am Ende doch geholfen.
Karan: Absolut. Die Tatsache, dass ich international bin in meiner Denkweise, dass ich nicht engstirnig bin und mich in andere Kulturen hineinversetzen kann, hat mir auch ermöglicht, dass ich mich in Hamburg so wohlfühle. Ich habe ja nicht meine Vergangenheit und meine Herkunft abgelegt; aber ich war in der Lage, Deutschland und die Deutschen zu verstehen. Ich wusste immer: Wenn ich irgendwo hinkomme, muss ich mich anpassen. Und das würde ich auch anderen Menschen mit Migrationshintergrund raten – schlicht, weil es ihr Leben viel einfacher macht. Das ist es, was ich versuche zu vermitteln.
Sie haben es damit sogar zum Wirtschaftssenator in Hamburg gebracht. Hat diese Zeit Ihre Einstellung zu und Ihr Verständnis für Politiker verändert?
Karan: Ja. Ich bin erstaunt, dass es angesichts der Schwierigkeiten und Anfeindungen, mit denen Politiker oft konfrontiert werden, immer noch so viele Menschen gibt, die in der Politik arbeiten wollen. Dafür, finde ich, verdienen Politiker in Deutschland zu wenig.
Absolut richtig.
Karan: Der Normalbürger denkt, der Politiker hat ein leichtes Leben. Das stimmt nicht.
Haben Sie das auch gedacht, bevor Sie Politiker wurden?
Karan: Ich hatte keine Ahnung von diesem Beruf. Ich habe in meiner kurzen Zeit als Senator – es waren ja nur neun Monate – gelernt, wie schwierig das Leben als Politiker ist. Ich habe noch nie so viel gearbeitet wie damals. Ich habe sonnabends und sonntags gearbeitet, ich habe tonnenweise Akten gefressen, es war der Wahnsinn.
Ihr Wein wird warm.
Karan: Sie haben recht. Es gibt wenig Schlimmeres als warmen Weißwein. Wollen wir noch mal nachschenken?
Nicht schummeln, Herr Karan. Nur ein Glas!
Karan: Und dann noch nicht einmal Rotwein, obwohl Freitag ist (lacht).
Sie haben nur noch einen Schluck, und ich muss doch noch wissen, was von der Zeit als Wirtschaftssenator übrig geblieben ist.
Karan: Es ist lange her. Aber die Zeit hat mich misstrauischer gemacht. Damals wie heute werde ich unruhig, wenn ich eine Rede halten muss, weil ich nicht weiß, wie die Menschen, die mir zuhören, meine Worte verstehen. Ich habe mich oft missverstanden gefühlt. Das hat mir sehr zu schaffen gemacht (trinkt sein Glas aus).