In Deutschland gibt es „regionale Hotspots“, in denen die Menschen besonders alt werden. Forscher wollen nun die Ursachen ergründen. Viele der Höchstaltrigen starben nicht weit von ihrem Geburtsort entfernt.
Hamburg/Rostock. Die größten Chancen, mindestens 105 Jahre alt zu werden, hatten in jüngerer Vergangenheit die Menschen aus Hamburg, Berlin, Schleswig-Holstein oder Hannover. Wie das Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock am Mittwoch mitteilte, haben Forscher des Instituts mit Karten der Geburts- und Sterbeorte von Höchstaltrigen erstmals belegt, „dass es in Deutschland regionale Hotspots extremer Langlebigkeit gibt“. Dazu waren Daten von extrem Langlebigen aufbereitet worden, die von 1989 bis 2002 ein Alter von 105 oder mehr erreicht hatten.
Während der Anteil der Uralten bei der Auswertung nach Geburtsort in nordwestlichen Regierungsbezirken um mehr als 50 Prozent über dem Bundesdurchschnitt lag, erreichte er in Bayern stellenweise kaum die Hälfte. So lag Oberbayern um 63 Prozent hinter dem Mittelwert. Hingegen waren die Regierungsbezirke Hannover (plus 53 Prozent) und Schleswig-Holstein (plus 52 Prozent) Spitzenreiter außerhalb der großen Metropolen. Die höchsten Werte verzeichneten die Städte Berlin (plus 59 Prozent) und Hamburg (plus 72 Prozent).
Die Phasen zu Beginn und zum Ende des Lebens seien für die Überlebenswahrscheinlichkeit besonders relevant, hieß es. Darum sei es sinnvoll, nach Ursachen für die Langlebigkeit an diesen Orten zu forschen. Auffällig sei, dass viele Höchstaltrige nur unweit von ihrem Geburtsort starben. Etwa ein Drittel starb sogar in dem Ort, in dem er geboren wurde. Allerdings hätten die Forscher mit den vorhandenen Daten nicht der Frage nachgehen können, ob Sesshaftigkeit vorteilhaft für ein langes Leben ist.
Es sei noch unklar, was Menschen uralt werden lässt: Umgebung, Gene, oder beides. Falls vor allem die örtlichen Lebensbedingungen für extreme Langlebigkeit wichtig sein sollten, müssten die meisten Methusalems in einigen Jahren nicht mehr an der Küste, sondern in der Nähe der Alpen zu finden sein. Wenn die Gene eine größere Rolle spielen, könnten die Hotspots hingegen im Norden verbleiben. Ein Indiz dafür könne sein, dass dort die schwersten und größten Kinder geboren werden.
Das „Langlebigkeitswunder von Berlin“ falle deswegen auf, weil die Metropole in beiden Weltkriegen stark von Hungersnöten und Bombardierungen betroffen war. Die besseren wirtschaftlichen und medizinischen Bedingungen scheinen die Kriegsfolgen aber mehr als ausgeglichen zu haben. Metropolen würden besonders für sehr alte Menschen höhere Überlebenschancen bieten. Für die Jüngeren sei die Situation zumindest in Berlin allerdings nicht mehr besonders vorteilhaft: In den vergangenen 40 Jahren konnten Hauptstädter weder bei Geburt noch im Alter von 65 Jahren mit überdurchschnittlich vielen Lebensjahren rechnen.
Künftig dürftig es zum Normalfall werden, dass Menschen 100 Jahre und länger leben, hieß es. Ihre Zahl habe sich in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren nach Schätzungen des Rostocker Instituts etwa verzehnfacht. 2012 wurden gut 14.000 Menschen hundert oder älter. Wenn sich die Lebenserwartung wie in den vergangenen 150 Jahren entwickelt, wird jedes zweite heute in Deutschland geborene Kind ein Alter von 100 Jahren erreichen.