Seit 2005 werden die Prüfungsaufgaben immer leichter, kritisieren Wissenschaftler. Sie bemängeln vor allem, dass die Mathe-Aufgaben zunehmend mit langen, erläuternden Texten eingeleitet werden.
Hamburg. Die Hamburger Abituraufgaben in Mathematik werden seit Jahren immer leichter. „Von 2005 bis 2013 gibt es einen klaren Abstieg in den Anforderungen“, schreiben fünf Wissenschaftler in einem Aufsatz, den die Deutsche Mathematiker-Vereinigung demnächst veröffentlichen wird. Die Autoren haben die Qualität des zu Erlernenden im Fach Mathematik in Hamburg über Jahre verglichen. Das berichtet das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“.
Die Autoren, vier Universitätsprofessoren und ein Schulleiter, aus dem gesamten Bundesgebiet nennen mehrere Gründe für das sinkende Niveau bei der mathematischen Reifeprüfung. So müssen weniger Aufgaben bewältigt werden, die Zeit dafür ist aber nicht verkürzt worden. Zudem sei die minimal erforderliche Punktzahl für das Bestehen der Abiturprüfung einfacher zu schaffen als noch vor knapp zehn Jahren. Die Schulbehörde war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Einer der Kritiker der Hamburger Abiturklausuren in Mathematik ist der Frankfurter Universitätsprofessor Hans Peter Klein. „Waren in Mathematik im Grundkurs im Jahr 2005 noch drei Aufgaben in 270 Minuten zu lösen, sind es 2011 und 2012 selbst im Kurs auf erhöhtem Niveau nur noch zwei Aufgaben in 300 Minuten, man mag es kaum glauben“, schrieb Klein vor Kurzem in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. „Selbst das nicht als Hardliner bekannte Nordrhein-Westfalen verlangt im Leistungskurs immer noch drei Aufgaben in 255 Minuten“, so Klein.
Die Wissenschaftler bemängeln vor allem, dass die Mathe-Aufgaben zunehmend mit langen, erläuternden Texten eingeleitet werden. Dahinter versteckten sich zumeist gängige mathematische Operationen. Weil der Rechenweg relativ simpel ist, seien die Aufgaben für Schüler leicht einzuüben. Deswegen würden gute Ergebnisse bei Klausuren nicht viel über das tatsächliche mathematische Verständnis der Abiturienten aussagen, so das Fazit der Autoren.
In Mathematik, sagt Klein, reiche mittlerweile die Lesekompetenz aus, um in einer Abiturarbeit zumindest ein Ausreichend zu erzielen, „ohne dass man zum Beispiel Analysis-Aufgaben rechnen kann“. Die Mathematiker wenden sich bei ihrer Kritik ebenfalls gegen den breiten Einsatz von Taschenrechnern, der oftmals den Blick auf das mathematisch Wesentliche verstelle. „Die Taschenrechnerkompetenz spielt inzwischen eine überragende Rolle.“
Die Gründe für die Vereinfachung, vermuten die Wissenschaftler, könnten politisch motiviert sein. „Unter den Bundesländern scheint gerade ein Wettbewerb ausgebrochen zu sein, wer am schnellsten die höchsten Abiturquoten generiert“, sagen sie. Und dieses Ziel sei nur mit textlastigen Aufgaben, die auf die Lesekompetenz der Schüler ausgerichtet seien, zu erreichen.
So sieht es auch der Stuttgarter Mathematiker Wolfgang Kühnel. „Keiner traut sich mehr, anspruchsvolle Aufgaben zu stellen“, sagt er. Die Politik setze auf Quantität statt auf Qualität. Zudem befürchte man den Protest der Eltern und hohe Durchfallquoten bei den Abiturprüfungen. Die Aufgaben sind in den 16 Bundesländern noch unterschiedlich. Erst von 2017 an, so die Einigung der Kultusminister, sollen in allen Bundesländern in Mathe, Deutsch, Englisch und Französisch vergleichbar schwere Prüfungen geschrieben werden.