Die grünen Agrarminister Robert Habeck (Schleswig- Holstein) und Christian Meyer (Niedersachsen) nehmen die Bauern und die Ernährungswirtschaft freundlich, aber sehr bestimmt an die Kandare.
Es ist noch gar nicht so lange her, da war die norddeutsche Landwirtschaftswelt noch ganz in Ordnung.
Nördlich wie südlich der Elbe regierten schwarz-gelbe Landesregierungen und mit ihnen christdemokratische Landwirtschaftsministerinnen, die den Bauern in ihren Ländereien ziemlich freie Hand ließen. Im Umgang mit ihren Tieren und mit deren Ställen.
Auch bei der Pflege der Natur, die sich die Bauern von jeher auf die Fahnen geschrieben hatten; wobei Begrifflichkeiten wie Grenzwerte wie Verpflichtungen nicht immer einheitlich betrachtet wurden. Pi mal Daumen. Passt schon.
Diese Zeiten sind vorbei. Spätestens mit dem Regierungswechsel in Niedersachsen vor gut einem Jahr zeichnet sich in Norddeutschlands Niederungen eine grüne Agrarevolution ab, deren Folgen für die Bauern, aber auch für die Verbraucher noch gar nicht absehbar sind.
Einiges wird davon abhängen, wie lange die Regierungszeiten der rot-grün geführten Kabinette in Kiel und Hannover dauern wird. Genauer: Wie lang die Amtszeit der beiden grünen Landwirtschaftsminister Robert Habeck und Christian Meyer sein wird.
Zwei Jungspunde mit Ambitionen
Die beiden Politiker, mit 44 und 38 Jahren noch echte Jungspunde in ihrem Amt, haben sich einiges vorgenommen. Sie sind der personifizierte Bauernschreck, jedenfalls für diejenigen Landwirte, die lieber nach alter Väter Sitte weiterwirtschaften und weiterwachsen würden.
Aber so sagt man natürlich nicht. Weder bei den Kreisbauernverbänden in Schleswig-Holstein noch beim Landvolk, wie sich die entsprechenden Organisationen in Niedersachsen noch immer traditionsbewusst nennen.
Die Landwirtschaft will es sich mit ihren Landwirtschaftsministern auf keinen Fall grundsätzlich verderben.
Stattdessen versucht man sich lieber kleinteilig aneinander abzuarbeiten. Reibt sich an Meyers Filter-Erlass für Schweineställe und Habecks neue Regeln für Schleswig-Holsteins Knicks, die die Bauern nördlich Hamburgs im vergangenen Jahr mächtig auf die Zinne gebracht haben.
Sie dürfen ihre Böden seither nur noch bis auf einen halben Meter an die kleinen Schutzwälle heran bearbeiten; für einen weiteren halben Meter ist eine bestimmte Art des Beschnitts verpflichtend.
Landesweit kommen da schon einige Hektar zusammen, die aufgrund von Habecks Knickverordnung mehr oder weniger brachliegen. Und Ackerboden ist teuer mittlerweile hier im Norden; seitdem aus Mais nicht nur Getreide, sondern auch Energie gewonnen wird, haben sich die Quadratmeterpreise verzigfacht.
Schärfere Bauern-Regeln
Die intensivere Nutzung der Böden ist einer der Gründe, warum die grünen Landwirtschaftsminister die Bauern-Regeln ihrer Bundesländer verschärfen wollen.
Die Nitrateinträge in die Böden haben sich in den vergangenen Jahren erheblich erhöht; spätestens in zehn Jahren, so die Befürchtung von Ökologen, könnte das Grundwasser in weiten Teilen des Nordens mit dem unter Umständen krebserregenden Stoffen verseucht sein.
Meyers Ministerium werkelt deshalb derzeit an einem Gülle-Kataster, mit dessen Hilfe er vor allem die enormen Nitrat-Eintragungen im Nordwesten Niedersachsens unter Kontrolle bringen will.
Dort sorgt die industrielle Massentierhaltung für erhebliche Gülle-Überschüsse. Wo die derzeit wirklich landen, weiß niemand so recht. Das soll sich mit dem Kataster ändern.
Strengere Vorgaben beim Tierschutz
Aber das ist nicht die wesentliche Veränderung für Bauern und Ernährungsindustrie in diesem Landstrich Niedersachsens. Punkt für Punkt hat Meyer damit begonnen, den von seinem Vorgänger, dem CDU-Landwirtschaftsminister Gerd Lindemann verfassten Tierschutzplan umzusetzen.
Konkret heißt das, dass diverse – aus Sicht der Grünen tierquälende, aus Sicht vieler Landwirte notwendige – Haltungsarten verboten werden sollen.
So soll der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung künftig strikt reduziert werden. Das Schnabelkürzen bei Legehennen wird ab 2016 grundsätzlich verboten, ab 2018 gilt das auch in der Putenhaltung.
Das betäubungslose Enthornen von Kälbern soll ebenso grundsätzlich unterbunden werden wie das Kupieren der Schwänze von Ferkeln und das massenweise töten männlicher Eintagsküken.
Bauern fürchten steigende Kosten
Die Besatzdichte von Ställen wird künftig an die Gesundheit der Tiere gekoppelt. Das heißt: Liefert ein Bauer zu viele erkrankte Tiere an die Schlachthöfe, muss er die Zahl der in seinen Ställen lebenden Exemplare verringern.
Fazit eines führenden norddeutschen Bauernfunktionärs: „Jede einzelne Maßnahme verteuert die Produktion.“
Erst recht, wenn es so drastisch zugeht wie gerade in Bad Bramstedt. Dort hat Robert Habeck mal eben den größten norddeutschen Schlachthof stilllegen lassen, weil Kontrolleure dort erhebliche Verstöße gegen die Tierschutzgesetze identifiziert hatten.
Nach allem, was man weiß, war das keine Neuigkeit. Vielmehr dürften die zuständigen Behörden in der Vergangenheit einige Augen zugedrückt haben im Umgang mit der Großschlachterei.
Wirtschaften über den Tag hinaus
Entsprechend groß ist nun die Aufregung um die von Habeck veranlasste vorläufige Schließung des Betriebes, Antrag auf dauerhaften Entzug der Zulassung inklusive.
Zustände wie in Bad Bramstedt, die mittlerweile auch die Oppositionsparteien als haarsträubend empfinden, erleichtern den grünen Agrarministern die ansonsten eher umständliche Überzeugungsarbeit.
Die ohnehin tendenziell abnehmende Akzeptanz der Massentierhaltung in der Bevölkerung wird beschleunigt. Habeck und Meyer prophezeien den Landwirten deshalb sinkende Einnahmen gerade für den Fall, dass sie ihre Produktion nicht an die erhöhten Verbraucheransprüche anpassen.
Mehr ökologischer Landbau, mehr Tierschutz, mehr Qualität, so der Ansatz der beiden Grünen, das seien die Leitplanken für erfolgreiches Wirtschaften über den Tag hinaus.
Bauern bangen um Wettbewerbsfähigkeit
Spätestens an diesem Punkt weisen die Vertreter der Bauernverbände auf den mit 30 Prozent nicht eben unerheblichen Anteil des Exports an den Umsätzen der Landwirtschaft.
Ihre Befürchtung: Mit den grünen Agrarauflagen und dem damit verbundenen teilweisen Verzicht auf moderne Massenproduktionsmethoden verlören die deutschen Bauern ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit.
Und auch jener Teil der hiesigen Verbraucher, der seine Kaufentscheidung allein an den Preis bindet, würde künftig eben zu den preiswerteren ausländischen Produkten greifen.
Man sieht also: Es ist ein ziemlich weiter Weg, den grüne Agrarminister und die Mehrheit der norddeutschen Bauernschaft noch vor sich haben.
Man wird miteinander reden, aber man wird sich am Ende nicht wirklich verstehen, sondern bestenfalls ertragen. Oder, um es noch einmal in der Kurzsprache der Bauernverbände zu formulieren: „Es besteht ein prinzipielles Grundmisstrauen.“