Die Anwohner sind wütend wegen einer Feier zum 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens – weil sie nicht gefragt wurden. Der Plan sieht fünf Bühnen, gesperrte Straßen und etwa 100.000 Besucher vor. Den Anwohnern schwant nichts Gutes.

Neustadt. Unterversorgt sind die Bewohner des Portugiesenviertels nicht. Jedenfalls nicht, wenn es um Feste vor ihrer Haustür geht. Beim Hafengeburtstag, dem Schlagermove, den Hamburg Cruise Days, dem Marathon oder dem Motorradgottesdienst ist das Quartier in der südlichen Neustadt exzellent angebunden. Einerseits. Andererseits gibt es wochenendweise Remmidemmi. Darüber beklagt sich auch niemand, sagen die Anwohner.

Nun aber werde dem Viertel zu viel zugemutet, sagen die Anwohner. Ein weiteres Fest soll über ihre Köpfe hinweg geplant worden sein. „Und zwar ohne Information, ohne mit uns gesprochen zu haben“, sagt Markus Wenzel. Er wohnt seit zehn Jahren im Viertel. Grund ist ein Plan der portugiesischen Botschaft in Berlin und des Generalkonsulats in Hamburg. Am 7. und 8. Juni soll der 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und Portugal in Hamburg gefeiert werden. Im Portugiesenviertel. Der Plan sieht fünf Bühnen, gesperrte Straßen und etwa 100.000 Besucher vor – den Anwohnern schwant nichts Gutes.

Die Leute im Viertel befürchten eine Fressmeile ohne kulturellen Tiefgang

„Wir lehnen das Fest nicht grundsätzlich ab“, sagt Markus Wenzel: „Aber den Umfang und die Art und Weise.“ Die Anwohner fürchten zusätzliche Einschränkungen „und das finden wir nicht richtig“. Sie würden gern mitreden und bei der Planung beteiligt werden. Bei den anderen jährlichen Großveranstaltungen werden der Austausch, die Begegnung und die Unterhaltung durchaus geschätzt. Aber zeitgleich gebe es auch immer Parkplatznot, Verkehrschaos und Belästigung. Eine weitere Feier in diesem Ausmaß überschreite die Belastungsgrenze.

Zumal das nun geplante Fest kommerziellen Zielen folge. Der kulturelle Tiefgang fehle, es laufe auf eine große Fressmeile hinaus. Sicherheitsbedenken seitens der Anwohner gebe es auch: „Das geht bei den Rettungswegen los“, sagt Markus Wenzel. Im Viertel seien Straßen wegen Bauarbeiten gesperrt. Einen gefahrlosen Fluchtweg zu gewährleisten sei problematisch, mit Kindern das Haus zu verlassen fast unmöglich. „Deshalb protestieren wir gegen Entscheidungen, die getrieben von kommerziellen Interessen über unsere Köpfe hinweg gefällt wurden.“

Ausgedacht hat sich das Fest Manuel Correia da Silva vom portugiesischen Generalkonsulat. Er sei nun erschreckt über die Reaktion der Anwohner. Denn eigentlich halte er den Anlass der Feier für eine gute Sache, für eine kulturelle Bereicherung, für ein positives Signal an Hamburg. Er plane eine Veranstaltung von nationaler Wichtigkeit mit offiziellen Vertretern Portugals. „Wir wollen für zwei Tage die portugiesische Kultur in die Stadt bringen, mit Fado, kulinarischen Spezialitäten und internationalen Begegnungen.“ Bratwurststände soll es eher nicht geben, sagt er. Ihn wundere der Widerstand in der Bevölkerung. Zumal es eine einmalige Veranstaltung sei.

Andererseits, so da Silva, müsse er wohl zugeben, dass ein Konsulat wenig Erfahrung mit der Organisation von Straßenfesten habe. Im Vorfeld sei einiges unglücklich gelaufen. „Vielleicht hätten wir das anders angehen müssen. Früher auf die Anwohner zugehen.“ Deshalb habe man nun kurzfristig mit der Bergmann-Gruppe eine professionelle Eventagentur verpflichtet.

Die Veranstalter wollen jetzt das Gespräch mit den Anwohnern suchen

Agenturchef Uwe Bergmann ist sich sicher, dass das Anliegen des Festes ein gutes ist: „Nur die Öffentlichkeitsarbeit war bisher ausbaufähig.“ Er hoffe allerdings, mit seinem neuen überarbeiteten Konzept die Anwohner doch noch mitnehmen zu können. Treffen mit ansässigen Gewerbetreibenden und Bewohnern seien geplant. „Wir wollen den Dialog herstellen. Denn es soll ja ein kuscheliges, charmantes Fest werden und eben keine kommerzielle Straßenfeier mit Motorrädern.“ Eine größere Bühne sei lediglich auf der Michelwiese geplant, im eng bebauten Viertel selbst sollen Bühnen und Buden den Rahmen nicht sprengen und dem kulturellen Anspruch genügen. Es gehe ja um ein historisch bedeutsames Datum, dem das Programm gerecht werden soll. Aufklärungsarbeit sei nun gefragt.

Falko Droßmann, SPD-Fraktionschef in der Bezirksversammlung Mitte, wird noch deutlicher. Er nennt die bisherige Kommunikation „unterirdisch“. Dabei sei die geplante Veranstaltung eine „Auszeichnung für die Stadt“. Doch das unlängst vom Konsulat vorgestellte Konzept sei weder schlüssig noch genehmigungsfähig. „Deshalb haben wir die Entscheidung vertagt.“ Ein neuer Versuch werde am heutigen Dienstag in der Stadtteilkonferenz gestartet. Event-Experte Bergmann und Veranstalter da Silva sollen dort Rede und Antwort stehen, die Bedenken der Anwohner gegebenenfalls ausräumen. Denn laut Droßmann soll nichts gegen den Willen der Bürger genehmigt werden. Es komme nun darauf an, dass das Generalkonsulat die Menschen im Viertel überzeuge. Polizei und Feuerwehr müssten zudem die Bedenken bezüglich der Rettungswege prüfen. Eine Entscheidung soll am 4.März im Hauptausschuss fallen.

Die CDU-Fraktion um Jörn Frommann bleibt dagegen skeptisch. „Nach allem, was wir bisher wissen, werden wir das Gesuch ablehnen.“ So ein Fest könne nicht einfach „von oben hereinfliegen“, erst recht nicht in einem so sensiblen Gebiet. „Die Belastung der Anwohner durch Großveranstaltungen ist ohnehin hoch. Noch mehr Einschränkungen für die Menschen sind unzumutbar.“ Ähnlich sieht es die Grünen-Fraktion. Deren Chef Michael Osterburg sagt: „Die Idee ist gut. Wir finden das als Zeichen der Weltoffenheit super.“ Aber die Vorbereitung sei „höchst unprofessionell“ gelaufen.

Gastronom Carlos Soares-Vasconcelos aus dem Restaurant Porto sieht es genauso. „Ich freue mich auf das Fest, kann die Kritik der Anwohner aber verstehen.“ Er spricht sich für eine gemeinsame Lösung zwischen Veranstalter und Anwohnern aus. Doch „wenn Portugiesen feiern, dann auch mit Musik und Tanz“, sagt er. Ganz ohne Lärm wird es wohl nicht gehen.

„Wir wollen nicht blind blockieren“, sagt Anwohner Wenzel. Nichts liege den Bürgern ferner als Intoleranz. „Aber wir erwarten vom Veranstalter Kompromiss- und Gesprächsbereitschaft.“ Die Chance bietet sich schon am heutigen Dienstagabend von 19Uhr an bei der Stadtteilkonferenz in der Rudolf-Roß-Grundschule, Kurze Straße 3.