Der Hamburger Unternehmer Michael Otto warnt vor den gesellschaftlichen und ökologischen Folgen des aktuellen Wirtschaftens. Er will seinen Appell dabei nicht nur für Deutschland verstanden wissen.
Hamburg. Wenn Michael Otto über Ethik in der Wirtschaft spricht, ist der Eigentümer und Aufsichtsratsvorsitzende des Hamburger Versandhändlers Otto Group in seinem Element. „Es ist viel Vertrauen in die Wirtschaft verloren gegangen“, sagt der 70-Jährige und erinnert die rund 90 Zuhörer im voll besetzten Hafen-Klub an die Banken- und Finanzkrise. Viele Menschen würden Unternehmer nur mit „überzogenen Gehältern und Steuerhinterziehung“ in Verbindung bringen. Dabei arbeite der überwiegende Teil der Firmen „sehr seriös“. Aber es gebe eben schwarze Schafe, gerade im Finanzbereich. Otto formuliert seinen Wunsch ohne Umschweife, klar und deutlich: „Es muss eine Rückbesinnung auf die soziale Marktwirtschaft geben. Denn der soziale Kitt in unserer Gesellschaft ist brüchig geworden.“
Er will seinen Appell nicht nur für Deutschland verstanden wissen. Denn der Blick rund um den Globus stimmt ihn nachdenklich. Wegen der Banken- und Schuldenkrise würden die öffentlichen Haushalte weltweit ihre Ausgaben drosseln, es stünde damit weniger Geld für Bildung, Gesundheit und Wohnungsbau zur Verfügung. „In vielen Regionen der Welt droht der Traum von einem besseren Leben zu platzen“, befürchtet Otto.
Den Finanzmärkten und vor allem den vielen nur für Fachleute durchschaubaren Finanzprodukten traut der Hamburger Ehrenbürger nicht. Auf dem Höhepunkt der Bankenkrise hätten zwar viele Politiker und Wirtschaftsvertreter eine Zügelung der Finanzmärkte versprochen, doch geschehen sei wenig. Otto hat dafür kein Verständnis und verlangt: „Alle Finanzprodukte müssen auf ihren Sinn für die reale Wirtschaft hin überprüft werden.“ Es müsse Schluss sein mit undurchschaubaren Papieren, die nur als Ziel haben, den Reichtum Einzelner zu mehren. Denn schließlich müsse die Wirtschaft den Menschen dienen. Otto erinnert an den Ehrbaren Kaufmann, das in Europa über Jahrhunderte gewachsene Leitbild eines verantwortungsvollen Unternehmers – und er konkretisiert es: „Redlich, aufrichtig, anständig und vertrauensvoll“ solle man agieren.
Doch Otto geht es an diesem Abend nicht nur um soziales Handeln, er wirbt zugleich für mehr Ökologie in der Ökonomie. So spiele der Klimaschutz aus seiner Sicht heute leider nicht mehr die Rolle für Wirtschaft und Politik, welche angemessen und notwendig wäre mit Blick auf die globale Erwärmung. Im Zuge der Schulden- und Euro-Krise gehe der Blick für notwendigen Umwelt- und Ressourcenschutz verloren. Otto erzählt von Kriegen um kostbares Wasser in Afrika. Er erinnert daran, dass 60 Prozent der Weltmeere überfischt sind und die CO2-Emissionen immer weiter steigen – trotz unzähliger Klimakonferenzen. Der Umweltschutz liegt ihm am Herzen. Bereits in den 1980er- und 1990er-Jahren widmete er sich als Otto-Vorstandschef ganz praktisch diesem Thema. Er holte Lieferanten an einen Tisch, einigte sich mit ihnen auf ökologische und soziale Mindeststandards bei der Produktion von Textilien. Er gründete eine nach ihm benannte Stiftung für Umweltschutz und bekam bereits im Jahr 1997 den Deutschen Umweltpreis. Weitere renommierte Auszeichnungen folgten.
Otto ist ein Überzeugungstäter, das zeigt sich auch an der von ihm gegründeten Stiftung Cotton made in Africa. Sie unterstützt mittlerweile 480.000 Kleinbauern in sieben afrikanischen Ländern, die sich verpflichtet haben, Baumwolle nach sozialen und ökologischen Mindeststandards zu produzieren. Renommierte Unternehmen wie Puma, C&A oder Rewe konnte Otto für diese Idee begeistern. Sie verarbeiten die faire Baumwolle in der von ihnen produzierten und gehandelten Kleidung – die Otto Group selbstverständlich auch. Michael Otto ist offensichtlich ein guter Kommunikator, kann überzeugen. Denn er macht klar, dass ein Unternehmen alleine nur wenig verändern könne. Man brauche Allianzen, die er mit sehr unterschiedlichen Managern, die für sehr unterschiedliche Interessen standen, geschmiedet hat. Dies sei nicht immer einfach gewesen, gibt Otto zu.
Am Ende seines rund 40 Minuten langen Vortrags gibt er allen Unternehmern noch den zentralen Satz mit auf den Weg, welcher alles Gesagte auf eine Kernbotschaft reduziert: „Jeder sollte tagtäglich die Wirkung seines Handelns auf Mensch und Natur überprüfen.“ Der Applaus im Hafen-Klub ist lang.