Er hatte sie alle – aber anders. In einer neuen Radioreihe lädt der Journalist Hubertus Meyer-Burckhardt ausschließlich weibliche Gäste zum Gespräch.

Hamburg . Auf die Minute pünktlich erscheint der Journalist und Medienmanager Hubertus Meyer-Burckhardt in der Lobby des Hotels Park Hyatt in der Hamburger Innenstadt. Seinen Schal nimmt er ab, als die heiße Zitrone mit Honig serviert wird. Eine Erkältung kann sich der 57-Jährige jetzt auf keinen Fall erlauben, in Kürze startet das neue Projekt des Filmproduzenten. Dieses Mal geht es allerdings nicht um einen Film, sondern um ein Radioformat, da ist Stimme alles. In „Meyer-Burckhardts Frauengeschichten“ auf NDR Info empfängt er künftig an jedem ersten Sonntag im Monat interessante Menschen zum Gespräch. Und die sind alle weiblich.

Hamburger Abendblatt: „Meyer-Burckhardts Frauengeschichten“, das macht neugierig. Was erfährt der Zuschauer über Ihre?
Hubertus Meyer-Burckardt: Oh, so ist es nicht gemeint. In der Sendung geht es um Geschichten von Frauen und über Frauen. Ich gehe nämlich davon aus, dass Frauen vielschichtiger, schwieriger auszurechnen und – zumindest aus männlicher Sicht – auch irrationaler sind.

Wirken die Frauen nicht vielleicht nur vielschichtiger und irrationaler auf Männer, weil diese sich nicht genug anstrengen, um Frauen zu verstehen?
Meyer-Burckhardt: Das mag sein. Männer sind eben sehr pragmatisch. Und vielen mangelt es auch an Fantasie. Ich aus meiner persönlichen Perspektive finde es jedenfalls viel spannender, mit Frauen zu reden als mit Männern.

Ihr erster Gast ist Barbara Schöneberger, die sie doch bereits sehr gut kennen. Was wollen Sie von ihr denn noch Neues erfahren?
Meyer-Burckhardt: Ich habe viel Neues erfahren. Aber es war natürlich ein Vorteil, dass ich wusste, wo ein paar Anekdoten sitzen. Sie ist eine wunderbare Persönlichkeit, und ich mag sie von Herzen. Und sie kann toll erzählen.

Es wird auch um Musik gehen ...
Meyer-Burckhardt: Ja! Jede Frau stellt drei Lieblingslieder vor, und ich setze einen Song von Rod Stewart dagegen, der zu dem jeweiligen Gast passt. Für Barbara war das ,She Makes Me Happy‘.

Welche Frauen faszinieren Sie außerdem, wessen Geschichten möchten Sie gerne hören?
Meyer-Burckhardt: Mich faszinieren Frauen, die klug sind, die widersprechen und eigensinnig sind. Das Langweiligste, was ich mir vorstellen kann, sind Frauen, die anbeten und bewundern. Viele Männer mögen das, mir ging das immer auf die Nerven. Als Gast kann ich mir gut Ina Müller vorstellen. Oder Hannelore Elsner. Auch Jil Sander ist bemerkenswert. Sie hat mit einer kleinen Boutique an der Milchstraße begonnen und daraus einen Weltkonzern gemacht, der dann an Prada verkauft wurde. Das ist einfach ein faszinierender Lebensweg. Ich mag solche radikalen Figuren.

Sie sind bekennender Agnostiker. Inwieweit beeinflussen solche Gespräche mit faszinierenden, radikalen Menschen Ihre Sicht auf das Leben?
Meyer-Burckhardt: Ich habe ein unstillbares Interesse an Menschen und bin ein großer Menschenfreund. Ich höre gerne zu, beobachte gerne. Vielleicht bin ich auch deshalb Produzent geworden, weil ich nichts so spannend finde wie interessante Lebensläufe. Ich habe das Gefühl, in unserer Gesellschaft gibt es eine geringe Wertschätzung von Lebenszeit. Wir wissen immer, was wir auf dem Konto haben oder im Portemonnaie und sind sofort besorgt, wenn mal weniger da ist. Aber ist uns auch bewusst, wie viel wir noch auf dem Lebenszeitkonto haben? Meine Großmutter hat immer gesagt: „Das Leben ist kurz, auch wenn es lang ist.“ Und das stimmt. Deshalb möchte ich meine Zeit nicht mit Menschen verbringen, die mir Energie aus den Knochen saugen, sondern mich am liebsten mit Menschen umgeben, die mich auch inspirieren.

Sind Sie ein Frauenversteher?
Meyer-Burckhardt: Nein, ganz im Gegenteil. Ich höre oft staunend zu, was Frauen erzählen. Schauen Sie sich allein die Vielzahl an Frauenmagazinen an, worin Frauen sich ja vor allem mit sich selbst beschäftigen. Sie haben ein riesiges Reflexionsbedürfnis. Männer haben das nicht. Bei denen geht es um Inhalte. Autos, Musik, Sport. Männer interessieren sich für Themen, Frauen interessieren sich für sich selbst.

Ihre Lebenspartnerin Dorothee Röhrig ist Chefredakteurin der Zeitschrift „Emotion“. Lesen Sie auch Frauenmagazine zu Lehrzwecken?
Meyer-Burckhardt: Ich will es mal so sagen, ich lese ja auch Reisemagazine über Länder, die ich vermutlich niemals besuchen werde. Gerade habe ich eins über Tibet gelesen. Und so geht es mir mit Frauenzeitschriften. Da ist ein Thema auf dem Cover, das mich vermutlich niemals betreffen wird. Aber ich widme und nähere mich dem mit einer virtuellen Abenteuerlust. Ich bin übrigens auch kein Freund von dem Wort Partnerschaft.

Warum?
Meyer-Burckhardt: Wenn Frauen sagen, „das ist mein Partner“, dann klingt das so nach gemeinsamer Anwaltskanzlei. In Frankreich spricht man von einer Affäre. Oder einer großen Amour ...

Partnerschaft ist vielleicht alltagstauglicher als Affäre.
Meyer-Burckhardt: Das klingt ziemlich spaßbefreit. Ich bin oft in Italien und finde es dort so schön, wie selbst alte Ehepaare miteinander umgehen: Sie nach ihren Möglichkeiten Grand Dame, tief dekolletiert, und er mit leicht zurückgegelten Haaren an ihrer Seite. Man hat das Gefühl, wenn seine Frau jetzt angeflirtet wird, bekommt der andere Mann Schwierigkeiten.

Was bedeuten Ihnen Flirts?
Meyer-Burckhardt: Diesbezüglich gibt es ja schon regionale Unterschiede. In München flirtet es sich viel einfacher als in der Kaufmannsstadt Hamburg. Kaufmänner an sich sind keine spielerischen Menschen, sondern zielgerichtete. Das Wesen des Flirts ist aber das Spiel, er verfolgt kein Ziel.

Der Flirt ist nicht zielgerichtet?
Meyer-Burckhardt: Nein. Das wäre dann der Versuch einer Eroberung. Der Flirt setzt aber immer Distanz voraus. Ein letzter Blick zu einer schönen Frau beim Verlassen eines Restaurants, beispielsweise.

Auch Sie haben, wie so viele, eine Trennung erlebt. Was macht das Zusammenleben für die Ewigkeit in unserer Zeit so schwer?
Meyer-Burckhardt: Wir beschäftigen uns heute viel mehr als früher mit der Frage, was Glück ist und was uns glücklich macht. In anderen Generationen war man glücklich, wenn die Kinder gesund, das Heu in der Scheune und das Essen auf dem Tisch war. Die Erwartung war geringer. Heute fragen sich viele: „War das denn schon alles?“ Und Frauen sind wirtschaftlich unabhängiger. Das alles spielt eine Rolle. Und die Ehen der letzten Jahrhunderte waren ja nicht unbedingt schöner und besser, nur weil man zusammenblieb.

In der NDR-Talkshow und als Journalist dürfen Sie Ihre Gesprächspartner alles fragen und tun es in der Regel auch. Sie selbst sprechen fast nie über Privates. Wie passt das zusammen?
Meyer-Burckhardt: Das passt zusammen, weil ich auch sehr selten Privates frage. Nicht nach sexueller Präferenz, Partner oder Konfession. Privatleben als Quelle für Fragen wird überschätzt. In Anlehnung an Helmut Dietls Film „Rossini – oder die mörderische Frage, wer mit wem schlief“: Mir ist gleichgültig, wer mit wem schläft.

Sie haben schon so viel gemacht. Werbung, Verlagsvorstand, Produzent, Autor, Journalist, Professor, jetzt Radio – langweilen Sie sich leicht?
Meyer-Burckhardt: Ich langweile mich nicht schnell, aber ich bin nicht so sehr interessiert am Ritual.

Oder haben Sie Angst vor dem Ankommen?
Meyer-Burckhardt: Ich weiß noch nicht sehr lange, was das ist.

Zufriedenheit?
Meyer-Burckhardt: Das Wort mag ich gar nicht. Das riecht für mich nach Bohnerwachs und Bratkartoffeln, und am Sonntag kommen die Schwiegereltern. Das bin ich nicht. Ich bin vielleicht in der Bewegung, im Reisen angekommen. Ich mag die Vorstellung vom Weltbürger.

Sie sind Pate eines Kinderhospizes. Was bedeutet der Tod für Sie?
Meyer-Burckhardt: Viel. Ich habe ein sehr sinnliches Verhältnis zum Tod. Mich erinnert der Tod daran, dass ich äußerst fragil bin. Es kann schnell vorbei sein, und das steigert meine Freude am Leben. Die letzten Tage vom Urlaub machen ja auch am meisten Spaß, weil einem die Endlichkeit bewusst ist, und man genießt umso mehr. Im Hospiz wird übrigens viel mehr gelacht als draußen. Es geht dort um den Moment. Um das Positive, das wirklich Wichtige.

Welches Lied sollte auf hrer Beerdigung gespielt werden?
Meyer-Burckhardt: Viel Rod Stewart. „Hard Lesson To Learn“. Oder „Downtown Train“ vielleicht.

Sie stehen auf Rockmusik und das Lebensgefühl dahinter. Wie und wo leben Sie das aus?
Meyer-Burckhardt: In meiner Sicht auf das Leben. Ich sehe mein eigenes Leben mit einer Prise Humor. Das macht vieles leichter. Ich stamme aus einer Zeit, die vielleicht nicht besser war. Aber einen Hauch lustiger.

Haben Sie in einer Kommune gelebt?
Meyer-Burckhardt: Nein. Ich wollte mich nicht anstellen müssen, um zu duschen.

„Meyer-Burckhardts Frauengeschichten“, ab 2. Februar 2014, jeden ersten Sonntag im Monat auf NDR Info, um 16.05 Uhr