Rund 1000 Gäste sind am Sonntag ins Thalia Theater gekommen, um Helmut Schmidt nachträglich zum 95. Geburtstag zu gratulieren. Darunter auch Gerhard Schröder und Olaf Scholz.
Hamburg. Großer Bahnhof für Altkanzler Helmut Schmidt in Hamburg: Rund 1000 Gäste aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft haben am Sonntag im Thalia Theater nachträglich den 95. Geburtstag des Hamburger Ehrenbürgers gefeiert. Die Würdigung Schmidts übernahmen SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, Altkanzler Gerhard Schröder und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz. Im Anschluss luden Senat und Bürgerschaft Schmidt zu einem Empfang ins Rathaus – obwohl es Schmidt, wie er sagte, gerne eine Nummer kleiner gehabt hätte. Seinen eigentlichen Geburtstag am 23. Dezember hatte der Herausgeber der Wochenzeitung „Die Zeit“ traditionell im kleinen Kreis in seinem Haus im Hamburger Norden verbracht.
Altkanzler Schröder: „Schmidt ist ein großartiger Mensch“
„Er ist längst eine politische Institution in Deutschland – und das, ohne dass er ein öffentliches Amt hat“, betonte Gabriel. Grund sei vor allem seine klare Haltung. Er sei der Inbegriff eines sozialdemokratischen Kanzlers. „Lieber Helmut, wir sind außerordentlich stolz darauf, dass Du Mitglied der Partei bist und geblieben bist über all die Jahrzehnte.“
Altkanzler Schröder nannte ihn einen der ganz großen Staatsmänner des 20. Jahrhunderts. Er sei ein wirklicher Europäer, ein kluger Staatsmann und, „wenn man ihm näherkommen darf, auch ein verdammt großartiger Mensch“. Zu den Gratulanten im Theater zählten unter anderem Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, Ex-US-Außenminister Henry Kissinger, Ex-Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP), Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Ex-SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück.
Hamburg verneige sich vor Schmidts Lebensweg und Lebenswerk, betonte Bürgermeister Scholz. Er sei ein „großer Hanseat“ und verkörpere den hamburgischen Geist wie kaum ein zweiter. „Es sind dabei bürgerliche Tugenden wie Verantwortungsbewusstsein, Vernunft, innere Gelassenheit und Solidarität, die für Helmut Schmidt für die gute weitere Entwicklung unseres Landes und für den „Zusammenhalt der Gesellschaft unerlässlich“ sind“, sagte Scholz. Dieses Bekenntnis zur Ratio möge manchem etwas zu hanseatisch ernüchtert vorkommen. Doch das Machbare machen, statt vom Wünschbaren träumen – das sei die Quintessenz von Schmidts politischer Philosophie.
Schmidt wollte eigentlich bescheidener feiern
Schmidt sagte, er hätte sich den Vormittag eigentlich etwas bescheidener gewünscht. Ihm hätte ein Symposium über die enormen Veränderungen der Welt im Laufe des 20. Jahrhunderts gereicht. „Stattdessen haben wir Lobreden gehört.“ Als „an den Rollstuhl gefesselter uralter Mann“ nehme er sich deshalb die Freiheit, zu sagen: „Meine Fehler habt Ihr verschwiegen, aber Euer Lob habt Ihr weit übertrieben.“ Er räumte jedoch ein: „Ich habe Euren Reden gern zugehört.“
In seiner kurzen Rede dankte Schmidt besonders seinen Freunden Kissinger und dem Editor-at-Large der „Zeit“ Theo Sommer, die er schon seit den 1950er Jahren kennt. Gleichzeitig erinnerte er an seine 2010 im Alter von 91 Jahren gestorbene „lebenslange Ehefrau“ Loki, mit der er 68 Jahre verheiratet war – und vergaß dabei nicht seine langjährige Sekretärin Ruth Loah zu erwähnen, „die sich nach Lokis Tod um mich gekümmert und mein Überleben gesichert hat“.
Schmidt, der sich selbst „wunschlos glücklich“ nannte, mahnte die Deutschen angesichts der „nervösen und überheblichen Debatte“ zu begreifen, dass es in ihrem Interesse sei, die Europäische Union zu vervollständigen „und nicht, dass wir uns über sie erheben“. Außerdem schrieb er den Deutschen ins Stammbuch, niemals die Hilfe vieler Völker nach dem Zweiten Weltkrieg zu vergessen. Sie hätten es den Deutschen ermöglicht, „in die Geschichte der Menschheit zurück zu kehren.“
Schmidt war von 1974-1982 Kanzler der Bundesrepublik Deutschland. Im Zentrum seiner Amtszeit standen die Ölkrise, die Vorbereitung eines europäischen Währungssystems und der Nato-Doppelbeschluss. Vor allem aber die Morde und Entführungen durch die Rote Armee Fraktion (RAF) haben Schmidts Kanzlerschaft bis heute geprägt. Denn als am 5. September 1977 Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer von der RAF entführt wurde, blieb Schmidt hart.