Der frühere “Zeit“-Chefredakteur Theo Sommer ist geständig. Es geht um gut 500.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage beim Schöffengericht erhoben.
Hamburg. Er gehört zu den bekanntesten Hamburgern und ist einer der profiliertesten Journalisten der Republik: Theo Sommer, langjähriger Chefredakteur der renommierten Wochenzeitung „Die Zeit“ und über Jahre auch gemeinsam mit Helmut Schmidt und Marion Gräfin Dönhoff deren Herausgeber sowie Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse. Der 83-Jährige kann auf eine bislang makellose und auch sehr beeindruckende Vita zurückblicken. Doch jetzt sieht er sich mit einer in höchstem Maße ungewohnten und wenig schmeichelhaften Rolle konfrontiert – der eines Angeklagten in einem Strafprozess. Am Mittwoch kommender Woche steht Sommer wegen Steuerhinterziehung vor Gericht.
„Herr Dr. Sommer ist wegen Einkommenssteuerverkürzung in neun Fällen angeklagt“, bestätigte Oberstaatsanwältin Nana Frombach auf Anfrage Informationen des Abendblattes. „Es geht um Taten aus den Jahren 2007 bis 2011.“ Nach Informationen dieser Zeitung handelt es sich um Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, die Sommer nicht versteuert haben soll. Es geht demnach um einzelne Beträge zwischen 3000 und rund 120.000 Euro. Insgesamt soll es sich um eine sechsstellige Summe in mittlerer Größenordnung handeln, um einiges mehr als eine halbe Million Euro.
Vom Abendblatt mit den Vorwürfen konfrontiert, reagierte Theo Sommer höflich und offen. „Ich bin kein Uli Hoeneß“, sagte der 83-jährige Journalist in Anspielung auf den Präsidenten des FC Bayern München, der über ein Konto in der Schweiz 3,2 Millionen Euro hinterzogen haben soll. „Ich habe nie spekuliert, ich hatte nie Auslandskonten und habe nie Geld verschoben“, betonte Sommer. Nur zweimal in seinem Leben habe er Aktien gekauft, Telekom und Lufthansa, die er aber bald wieder abgestoßen habe. „Ich habe mich immer in erster Linie um meine Arbeit gekümmert, nicht um meine Finanzen. In den wenigen Jahren, um die es hier geht, habe ich fünf Bücher geschrieben. Deren Abfassung hat mich bis spät in die Nacht beschäftigt“, sagte Sommer.
„Aus Schusseligkeit oder Schlamperei habe ich es dann über mehrere Jahre versäumt, eine einzige Einkommensquelle anzugeben. Das war eine Torheit, die ich bereue. Ich habe aber inzwischen die gesamte Steuerschuld abgetragen, und zwar unter Inkaufnahme großer Opfer für meine Altersversorgung und die meiner Frau. Ich habe aus der Sache meine Lehre gezogen und kann nur wünschen, dass auch andere sie beherzigen.“
Der Prozess gegen Sommer ist zunächst auf einen Tag terminiert. Die Anklageschrift umfasst nach Abendblatt-Informationen 22 Seiten. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage beim Schöffengericht erhoben; daraus ist zu schließen, dass der Fall nicht im unteren Bereich eingeschätzt wird. Die Strafgewalt eines Schöffengerichts, also die Strafe, die es maximal verhängen darf, reicht bis zu vier Jahren Haft.
Es ist auch durchaus möglich, dass bei einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren oder auch deutlich weniger herauskommt, die dann zur Bewährung ausgesetzt werden kann, oder dass eine Geldstrafe verhängt wird.
Als Journalist hat Theo Sommer seit 1949 eine ungewöhnlich steile und herausragende Karriere gemacht. Nach seinem Studium der Geschichte und politischen Wissenschaften sowie der Promotion zum Dr. phil. kam er nach wenigen Jahren in einer Lokalredaktion als politischer Redakteur zur Wochenzeitung „Die Zeit“, der er seit mittlerweile 55 Jahren angehört. Er beschäftigt sich vorwiegend mit außenpolitischen Fragen. 1973 wurde Sommer Chefredakteur der „Zeit“ und im Jahr 1992 deren Herausgeber, gemeinsam mit Helmut Schmidt und Marion Gräfin Dönhoff.
Seit dem 1.April 2000 ist der in Volksdorf lebende Hamburger „Editor-at-Large“ bei der Zeitung, eine international übliche Bezeichnung für frühere Chefredakteure, Chefredakteure Emeriti oder Chefredakteure zur besonderen Verwendung. „,At large‘ heißt auf Englisch, laut Wörterbuch, ‚auf freiem Fuß‘“, schreibt Sommer auf seiner Homepage. „Ein Ambassador-at-Large ist ein Botschafter, der bestimmte Aufträge ausführt, ein „criminal at large“ ist ein entsprungener Häftling, ein Editor-at-Large eine Mischung aus beiden. Er kann für das Blatt schreiben, reisen und Tagungen besuchen.“ Er nehme unter anderem an Redaktionskonferenzen teil und betreue bestimmte Verlagsprojekte.
Sommer erhielt zahlreiche Auszeichnungen, neben dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse unter anderem auch das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold sowie den renommierten Theodor-Wolff-Preis. Er schrieb etliche Bücher, zuletzt das Werk „Unser Schmidt. Der Staatsmann und Publizist“.