Am Donnerstag beginnen die Wahlen zum Plenum der Handelskammer. Erstmals streiten zwei größere Gruppen gegeneinander. Wer sich durchsetzt, bestimmt die Richtlinien der Kammerarbeit.
Hamburg. Alle drei Jahre wählen die Mitglieder der Handelskammer das Parlament der Hamburger Wirtschaft. Von heute an ist es wieder so weit. Doch in diesem Jahr ist die Wahl etwas Besonderes. Zum einen wird das neue Plenum einen Nachfolger für den Präses Fritz Horst Melsheimer bestimmen müssen, der das Amt aufgibt. Zum anderen treten in der knapp 350-jährigen Geschichte der Kammer erstmals Wahlbündnisse gegeneinander an, welche die Richtung der Wirtschaftsinstitution für die kommenden drei Jahre vorgeben wollen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen, die sich rund um die Kammerwahl ergeben.
Wer wird gewählt?
Für das Plenum der Handelskammer werden 56 Kandidaten direkt von den Mitgliedern gewählt. Um ein repräsentatives Abbild der Hamburger Wirtschaft und ihrer Branchen zu erhalten, werden alle Mitgliedsunternehmen 13 Wahlgruppen zugeordnet, die je nach Größe der Branche, dem Gewerbeertrag und der Anzahl der Mitarbeiter eine bestimmte Anzahl von Sitzen im Parlament erhalten. Mit neun beziehungsweise sieben Sitzen sind die Industrie und der Groß- und Außenhandel am stärksten in der Kammer vertreten. Mit je zwei Sitzen haben Hotel- und Gaststättengewerbe, Personenverkehr, Informationstechnologie und Versicherungswirtschaft die wenigsten Plätze im Kammerparlament.
Zu den 56 direkt gewählten Mitgliedern kann das Plenum bis zu zehn weitere Personen der Hamburger Wirtschaft hinzuwählen, sodass das Plenum insgesamt maximal 66 Sitze umfasst. Die Möglichkeit für das Plenum, einige weitere Mitglieder zu kooptieren, wurde geschaffen, um einigen wenigen Kandidaten die Wahl zu ersparen oder ihnen die Möglichkeit zu geben, dennoch ins Plenum zu rutschen, auch wenn sie bei der Wahl durchfallen. Meist handelt es sich um Honoratioren mit Sachverstand, auf deren Einfluss die Kammer nicht verzichten will.
Wie wird gewählt?
Bis zum 21. November 2013 um Mitternacht hatten Interessenten Zeit, ihre Kandidatur der Kammer anzuzeigen. Am Tag darauf stellte der Wahlausschuss die Kandidatenliste auf. Es handelt sich um eine Briefwahl. Alle Mitgliedsunternehmen der Kammer erhalten einen Stimmzettel per Post zugesandt, auf dem sie so viele Bewerber ankreuzen dürfen, wie ihre Wahlgruppe Sitze im Parlament hat. Ein Einzelhändler darf also sechs Kreuze machen, weil der Einzelhandel sechs Sitze im Plenum hat. Dabei gilt der Grundsatz: Jedes Unternehmen hat nur einen Stimmzettel, egal wie groß es ist oder welchen Umsatz es macht. Bis zum 19. Februar – wiederum um Mitternacht – müssen die Stimmzettel bei der Handelskammer eingegangen sein.
Wer stellt sich zur Wahl?
Gewählt werden darf nur, wer selbst wählen darf. Es müssen also Personen sein, die allein oder zusammen mit anderen zur gesetzlichen Vertretung ihres Unternehmens befugt sind, also mindestens Geschäftsführer oder Prokurist. Die Kandidatenliste umfasst in diesem Jahr 97 Bewerber. Darunter sind Vertreter großer Unternehmen wie Manfred Bullinger, Vorstandsmitglied bei ExxonMobil, der Vorstand von Lufthansa Technik, August-Wilhelm Henningsen, oder Karstadt-Filialgeschäftsführer Hans-Werner von Appen. Die mit Abstand meisten Kandidaten stammen aber aus kleinen und mittelständischen Betrieben. Diese verteilen sich auf die Branchen sehr unterschiedlich. Die Wahlgruppe Dienstleistungen etwa darf fünf Mitglieder ins Plenum entsenden. Es stellen sich aber 17 Kandidaten zur Wahl. Im Güterverkehr bewerben sich sechs Kandidaten um fünf Sitze, im Gaststättengewerbe drei um zwei Sitze. In der Industrie gibt es zehn Bewerber für neun Plätze.
Was wollen die Kandidaten?
Die Interessen der Kandidaten sind so breit gefächert wie die Branchen, denen sie entstammen. Die einen treten für die Interessen Inhaber-geführter Traditionsgeschäfte ein, andere für die Belange der Schifffahrt, dritte für gute Bedingungen in der Gastronomie. Was alle eint, ist das Interesse an einer ehrenamtlichen Tätigkeit. Auffallend viele Bewerber sind bereits in anderen Institutionen wie Fachverbänden, Beiräten oder Stiftungen engagiert. Und noch etwas haben alle gemeinsam: Sind sie gewählt, vertreten die Mitglieder nicht einen bestimmten Gewerbezweig, sondern die Kammer in ihrer Gesamtheit. Bis dahin kämpft jeder für sich. Erstmals haben sich in diesem Jahr aber zwei Gruppen von Kandidaten herauskristallisiert, die in einem Bündnis gemeinsame Interessen in der Kammer durchsetzen wollen. Unter dem Motto „Die Kammer sind WIR“ haben sich 15 Kandidaten zusammengefunden, welche die Kammer reformieren wollen.
Die Bewerber, von denen die Mehrzahl erstmals kandidiert, werfen der Kammer vor, Mitgliedsbeiträge zu horten, und wollen deshalb einen Jahresbeitrag erstattet haben. Zudem fordern sie mehr Transparenz. Unter anderem soll das Gehalt des Hauptgeschäftsführers der Kammer, Hans-Jörg Schmidt-Trenz, veröffentlicht werden. Drittens ist die Kammer ihrer Meinung nach zu wenig auf klein- und mittelständische Betriebe ausgerichtet.
Dagegen hat sich ein zweites Bündnis „Für eine starke Handelskammer“ gegründet. Dessen Mitglieder weisen die Kritik zurück. Es handelt sich um 46 Kandidaten, von denen viele bereits engagiert in der Kammer mitarbeiten.
Welche Aufgaben hat das Plenum?
Das Parlament bestimmt die Richtlinien der Arbeit der Handelskammer und gibt damit deren Ausrichtung vor. Dazu werden in Ausschüssen und Arbeitskreisen Themen und Standpunkte erarbeitet, die dem Plenum dann vorgestellt werden. Das Plenum wählt den Präses und die Vizepräsides der Handelskammer und bestellt den Hauptgeschäftsführer. Es bestimmt den Wirtschaftsplan und die Satzung.
Wer wird neuer Präses?
Am 8. Mai wählt das frisch bestellte Plenum einen neuen Präses für die Handelskammer sowie sechs Vizepräsides. Fritz Horst Melsheimer war dann zwar nur gut drei Jahre im Amt, muss aber einem neuen Chef Platz machen. Grund ist, dass er 2011 den Kammervorsitz von Frank Horch übernahm, der wenige Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit in die Politik gewechselt war. Melsheimer übernahm die Restzeit und wurde einmal wiedergewählt, mehr lässt die Kammersatzung nicht zu. Jetzt wird spekuliert wer sein Nachfolger wird.
Üblicherweise stammt der neue Kammerchef aus dem Kreis der Vizepräsides. Dabei wird ein Name immer wieder genannt: Andreas Bartmann, 54, Geschäftsführer des Outdoor-Ausrüsters Globetrotter. Bartmann war bereits im März 2011 als Nachfolger für den in die Politik gewechselten damaligen Kammerpräses Frank Horch ins Spiel gebracht worden. Doch er soll abgewinkt haben, weil sein Unternehmen Globetrotter expandierte und seine volle Aufmerksamkeit forderte. Aber auch andere Manager-Persönlichkeiten werden genannt: Haspa-Chef Harald Vogelsang, Michael Behrendt von Hapag-Lloyd, der Software-Unternehmer Thomas Schünemann und der Chef des Industrieverbands Hamburg, Michael Westhagemann. Noch tritt keiner hervor, weil alle zunächst mit ihrer Wiederwahl für das Plenum beschäftigt sind.