Beim “Ehrbaren Kaufmann“ holte Präses Fritz Horst Melsheimer zum Rundumschlag aus: Verkehr, Lampedusa, Elbvertiefung. Bei den Krawallen um die Rote Flora sieht er den Besitzer in der Pflicht.

Hamburg. Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer hat massiv vor einem Verkehrschaos in Hamburg gewarnt. Vor der "Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg" wies Melsheimer darauf hin, dass demnächst der Ausbau der Autobahn 7 (zwischen Othmarschen und der Landesgrenze zu Schleswig-Holstein) zeitgleich mit Arbeiten an der Kieler Straße erfolgen soll. „Da ist doch das Verkehrschaos im gesamten Hamburger Westen vorprogrammiert“, warnte der Präses vor rund 2200 geladenen Gästen in der Kammer, darunter auch Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und die meisten Senatsmitglieder.

Von Verkehrssenator Frank Horch (parteilos), seinem Vorgänger als Kammer-Chef, forderte Melsheimer eine bessere Koordination der Baumaßnahmen: „Herr Senator Horch, hier sind Managerqualitäten gefragt.“

Dennoch stellte der oberste Vertreter der Hamburger Wirtschaft dem Senat überwiegend ein gutes Zeugnis aus, auch und gerade im Verkehrsbereich. So begrüßte er, dass die Mittel für den Erhalt des Straßennetzes verdoppelt wurden. „Inzwischen dürfen wir uns alle an 64 Kilometern instandgesetzten Straßen und holperfreiem Fahren erfreuen“, dieses Gefühl sei unter den CDU-geführten Vorgängersenaten fast in Vergessenheit geraten.

Scharf verurteilte der Handelskammer-Chef die gewalttätigen Krawalle der vergangenen Tage: „Überhaupt nicht akzeptabel ist der gewalttätige Vandalismus des Vorweihnachtswochenendes, dem jeder Vorwand recht war, Chaos zu verbreiten und sogar Unbeteiligte anzugreifen.“

In der Frage des Umgangs mit der „Gruppe Lampedusa“, einem der Auslöser der Krawalle, stärkte Melsheimer dem SPD-Senat den Rücken. Damit die über die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa nach Hamburg gekommenen Flüchtlinge „die Segnungen unseres Staates in Anspruch nehmen“ könnten, müssten sie ihre Identitäten offenlegen, so der Präses. „Wie soll dies anders funktionieren? Doch nicht, indem die Kirche auf ewig Asyl in ihren Mauern gewährt!“

Scharf kritisierte Melsheimer in dem Zusammenhang den Missbrauch des Demonstrationsrechts „in Form der bewussten Lahmlegung der City-Einkaufslagen an den Adventstagen“.

Auch in Sachen Rote Flora, dem zweiten Auslöser für die Krawalle, stellte sich die Kammer klar an die Seite des Senats. Christian Dyckerhoff, der Vorsitzende der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns, warf dem Besitzer des besetzten Kulturzentrums, Klausmartin Kretschmer, „unhanseatisches“ Verhalten vor. Dass Kretschmer immer wieder Spekulationen über eine Räumung des ehemaligen Theaters anheize und von der Stadt Millionensummen für den Rückkauf des Gebäudes verlange – das er 2001 für 370.000 Mark gekauft hatte –, sei nicht mit der Tradition eines ehrbaren Kaufmanns vereinbar.

Gewohnt scharf griff Melsheimer die Umweltverbände für die „unerträgliche Verzögerung“ der Elbvertiefung an. In einer Demokratie habe „die Interessenabwägung im Parlament stattzufinden und nicht mittels Verbänden vor Gericht“, so der Präses. Angesichts der Tatsache, dass Umweltverbände wie der BUND und der WWF das Projekt mit Klagen zu stoppen versuchen, sei das „Verbandsklagerecht in seiner bisherigen Form nicht haltbar“, sagte Melsheimer. Er ging sogar noch einen Schritt weiter und forderte: „Den Umweltverbänden sollten die Kosten von Verzögerungen angelastet werden, die durch offensichtlich unbegründete Klagen entstehen.“

Nachdem der Volksentscheid zum Rückkauf der Energienetze entgegen der Haltung der Kammer erfolgreich war, kündigte Melsheimer mehr Einmischung in die Meinungsbildung an. Wenn das Volk direkt als Gesetzgeber auftrete, werde sich die Kammer auch „unmittelbar an das Volk wenden müssen“. Sie werde als „Akteur“ in der Volksgesetzgebung auftreten müssen. „Vielleicht sogar als Initiator.“

Kritik erntete der Senat für sein Eintreten für eine Mietpreisbremse auf Bundesebene. „Die sogenannte Mietpreisbremse ist in Wahrheit eine Neubaubremse“, sagte Melsheimer. Miete sei Rendite, und wenn die Rendite nicht stimme, würden private Investitionen in den Wohnungsbau zurückgehen. Melsheimer: „Angesichts des bislang erfolgreichen Wohnungsbauprogramms des Senats ist es daher gleichermaßen verwunderlich wie ärgerlich, dass die Initiative für die Mietpreisbremse ausgerechnet aus Hamburg kam."

Der Senat hatte sich auf Bundesebene für eine Gesetzesänderung eingesetzt, die es den Ländern ermöglicht, schärfere Regeln einzuführen. In Hamburg gilt bereits eine „Mietpreisbremse“, wonach Vermieter die Bestandsmieten binnen drei Jahren nur noch um 15 Prozent erhöhen können. Bislang waren 20 Prozent erlaubt.

Vor der Handelskammer hatten Vertreter des Bündnisses „Die Kammer sind wir“ auf ihr Anliegen aufmerksam gemacht. Dahinter stecken nach eigenen Angaben 15 Hamburger Unternehmerinnen und Unternehmer, die mehr Transparenz in der 350 Jahre alten Institution und eine Beitragssenkung fordern. Ihre konkreten Ziele wollen sie am 2. Januar vorstellen.

Melsheimer ging in seiner Rede kurz darauf ein und verwies darauf, dass die Kammer seit dem 1. Dezember ein eigenes Transparenzportal unterhalte. Außerdem seien die Beiträge für die Mitglieder seit 2010 um 20 bis 30 Prozent gesenkt worden. „40 Prozent unserer Mitglieder sind ohnehin von jeglichen Beitragszahlungen freigestellt.“