Die Stunden vor der Bescherung wollen einfach nicht vergehen. Einige Abendblatt-Autoren erzählen, zuweilen auch aus Sicht ihrer Kindheit, wie sie diese Stunden mit ihren Kindern verbringen.
Hamburg. Der Heiligabend ist so, je nach Familie, von 17 oder 18 Uhr an wirklich schön – mit Besinnlichkeit, Gedicht, Essen und natürlich mit Besuch und möglichst vielen Geschenken. Wer allerdings Kinder hat, die noch keine coolen Teenager sind, hat in den Stunden zuvor – im Grunde nach dem zu frühen Aufwachen – mit der Ungeduld und der Zappeligkeit des Nachwuchses zu kämpfen. Und das in einer Zeit, in der noch so viel Sinnvolles zu erledigen wäre. Einige Abendblatt-Autoren erzählen deswegen, zuweilen auch aus Sicht ihrer Kindheit, in kleinen Geschichten, wie sie diese Stunden mit ihren Kindern halbwegs sinnvoll verbringen. Vielleicht ist gerade noch rechtzeitig die eine oder andere Anregung dabei.
Wann geht Papa endlich aufs Klo?
Das Wohnzimmer ist abgeschlossen, den ganzen Tag. Selbst frühzeitiges Aufstehen in der Hoffnung, einen Blick auf das Christkind zu erhaschen, bringt nichts: Die Weihnachtsüberraschung wird so spannend wie möglich gemacht. Wir Kinder wundern uns nicht, dass der Tannenbaum, der eben noch an der Kellertreppe stand, nicht mehr da ist. Wir wundern uns auch nicht, dass immer nur ein Elternteil gleichzeitig zu sehen ist und der andere auf wundersame Weise durch vom Christkind höchstpersönlich verschlossene Wohnzimmertüren gehen kann. Und doch wird die Vorfreude nahezu unerträglich, wenn dann endlich die Predigt im Weihnachtsgottesdienst vorbei ist, wenn endlich das Vaterunser geflüstert wurde, wenn endlich die dritte Strophe vom „O du fröhliche …“ erreicht ist. Jetzt ist sie ganz nah, die Bescherung. Doch es fehlt noch der Butterkuchen, der traditionell im Kinderzimmer eingenommen wird. Wohnzimmer geht ja nicht. Schon bald nach dem ersten Bissen schauen alle Kinder den Vater herausfordernd an. „Wann geht der denn endlich aufs Klo?“, denken sie, trauen es sich aber nicht auszusprechen. Es kommt, wie es jedes Jahr kommt: Der Vater entschuldigt sich in Richtung Lokus, ein paar Minuten später klingelt das Glöckchen, die Wohnzimmertür ist wieder aufgeschlossen, und die Kerzen am Baum brennen. (hib)
Ein Schläfchen im Kinosessel
Nach vier Jahren in zu warmen und überfüllten Kirchen, in denen die Hälfte der Kinder nichts sah und die andere aus anderen Gründen weinte, haben wir uns entschieden, die Stunden im weltlichen Reich zu verbringen. Keine Sorge, mein Sohn kennt die Weihnachtsgeschichte, sie wird sogar abends vorgelesen. Ich war bei dem ersten Kinobesuch am heiligen Nachmittag erstaunt, wie voll der Saal war. Natürlich gibt es dann (wie auch an den anderen 364 Tagen) keine stumpfen Action-Filme, sondern netten Zeichentrick. Für mich hat das einen ganz großen Vorteil: hinter der 3-D-Brille und in den bequemen Sesseln mündet der Weihnachtsstress ganz prima in ein kleines Schläfchen. In die Storys kommt man dennoch wieder rein, das ist also auch nicht anders als beim Krippenspiel. (jlau)
Warten aufs WLAN
Christkind? Welches Christkind? Bei uns heißt das nicht mal mehr Weihnachtsmann, sondern längst Santa. Schließlich kommt an der Coca-Cola-Kultur keiner mehr vorbei, der über zehn ist und per Facebook dauerhaft mit der Welt in Verbindung. Weshalb sich auch das mit der Ungeduld ganz einfach regeln lässt: Gib deinen Teenagern WLAN, und der ganze Weihnachtskram ist ihnen schnuppe. (vfz)
Austoben im Wildpark
Weil wir Heiligabend in die Nähe von Celle fahren, nutzen wir den Weg, um vorher noch in den Wildpark Lüneburger Heide zu gehen. Dann bekommen die Mädels (5 und 8) noch einmal Bewegung und frische Luft, bevor sie bei Omi nonstop Fernsehen dürfen (leider). Der Weihnachtsmann hat sich für Heiligabend dieses Jahr auch sehr spät angekündigt. Deshalb gilt es viel Wartezeit zu überbrücken. Aber, das ist organisiert, er wird nicht nur seinen Geschenkesack vor die Tür stellen und wieder abhauen. (gen)
Opa sorgt fürs Nickerchen
War das schön, als die Kinder noch klein waren. Da kam Heiligabend der Opa, lud die Jungs ein und brachte den Nachmittag mit ihnen herum – mit Spielen und einem schönen Film. Die ersten Jahre dachte ich noch, ich müsste schnell die Gelegenheit nutzen und staubsaugen, damit alles glänzt. Über die Jahre ist mir klar geworden, über Weihnachten wird es sowieso nicht sauberer – und habe lieber ein Nickerchen eingelegt. Wenn Oma und Opa dann mit den Jungs zurückkamen, trafen sie auf eine völlig entspannte Mutter. (jes)
Singen am Lagerfeuer
Wir machen seit vielen Jahren mit den Kindern, Nachbarn, deren Familie etc. bei Anbruch der Dunkelheit ein großes Feuer im Garten, trinken Glühwein, die Kinder warmen Kakao und singen ein bis zwei Weihnachtslieder. Meist liest jemand eine kurze (nicht unbedingt besinnliche) Geschichte vor. Das hat sich im Laufe der Jahre zur festen, bei Jung und Alt heiß geliebten Weihnachtsinstitution entwickelt. (um)
Den Weihnachtsmann überholt
Als ich Kind war, musste mein Großvater immer mit mir spazieren gehen und mich mit erfundenen Geschichten bei Laune halten. Außerdem wurde noch mal schnell das Gedicht geübt. Später sind wir immer um 17 Uhr in die Kirche gegangen. Zu Hause gab es dann anschließend erst Essen und danach die Bescherung. Mit unserem Sohn haben wir die Wartezeit meist im Auto auf dem Weg zu meinen Eltern nach Lübeck verbracht. Ein Jahr fuhren wir durch Bargfeld-Stegen und begegneten dort dem Weihnachtsmann und seinen Engeln in ihrer Kutsche. „Papa fahr schnell, hier ist er schon“, tönte es von der Rückbank im Auto. Papa gab Gas, und wir waren rechtzeitig vor dem Weihnachtsmann in Lübeck. (fis)
Oma Christel hat Geburtstag
Sobald das morgendliche Ritual mit allem, was dazugehört (auch Frühstück – obwohl vor lauter Aufregung nichts hineinpasst) abgeschlossen ist, wird Papa mit Tochter in den Stall zum Pferd fahren. Sie darf an diesem Tag besonders gründlich misten, putzen und reiten, damit die Zeit irgendwie vorbeigeht. So ist das mit der Zeit: Kaum fängt man an zu warten, geht sie nicht vorbei. Na und dann ist der Besuch bei Oma Christel eingeplant. Die ist ein Christkind und hat immer dann Geburtstag, wenn man eigentlich selber die Geschenke auspacken möchte. Ach ja. Dann wird gemütlich Kaffee getrunken, anschließend ist ein Kirchenbesuch eingeplant und danach, die Zeit ist endlich rum, liegen bunte Geschenke unter dem Baum. Bis nach dem Essen kann sich auch niemand mehr gedulden... (AK)
Erst Tee, dann ein Glas Champagner
Als die Kinder noch klein waren, haben sie sich die Zeit mit einem Video vertrieben. Besonders angesagt war ganz früher „Pippi Langstrumpf feiert Weihnachten“, später dann „Kevin allein zu Haus“. Mittlerweile ziehen sich die drei (15, 19 und 23 Jahre alt) in ihre Zimmer zurück und basteln noch einen Gutschein oder wickeln Geschenke ein. Dann gibt es traditionell Tee und selbst gebackene Kekse, danach gehen wir in die Kirche (mal sehen, wie viele dieses Mal noch mitkommen...). Nach unserer Rückkehr schließen wir Eltern die Wohnzimmertüren und entzünden die Kerzen am Baum. Dann rufen wir die Kinder, es gibt ein Glas Champagner, und die Bescherung beginnt. Wir alle lieben diese Abfolge und halten an ihr fest – denn als Patchworkfamilie verbringen wir ohnehin nur jeden zweiten Heiligabend miteinander. (fru)