TV-Forscher haben herausgefunden, dass Manager in „Tatort“-Filmen schlecht wegkommen. Wirtschaftsthemen werden in den Krimis sehr stereotyp aufgegriffen, die Rollen sind klar veteilt.
Nicht immer ist der Mörder der Gärtner. Manchmal trägt der Täter statt grüner Schürze und Gießkanne in der Hand einen gut sitzenden Anzug mit Krawatte. Und wenn man der beliebten ARD-Krimiserie „Tatort“ glauben darf, steht das Motiv von vornherein fest: Der Krawattenmann ist böse.
Wissenschaftler der Hamburg Media School und des Instituts für empirische Medienforschung haben jetzt festgestellt, dass in der sonntagabendlichen TV-Krimiunterhaltung Wirtschaftsthemen sehr stereotyp aufgegriffen werden.
Wann immer Vorstandsetagen, Büros oder Konferenzräume in Betrieben von den ermittelnden „Tatort“-Kommissaren aufgesucht werden, sind die Rollen klar verteilt: Die Manager sind fleißig, aber rücksichtslos, dazu gefühlsarm und nicht selten auch kriminell. Zu diesem Schluss kommen die TV-Forscher in einer Studie in der 70 „Tatort“-Folgen aus den vergangenen zehn Jahren analysiert wurden.
In der Regel ist die Rollenverteilung schon durch die Krimi-Logik bedingt: Protagonisten sind die Kommissare, denen zumeist die größte Sympathie zukommt. Manager werden überwiegend unsympathisch, Angestellte sympathisch dargestellt.
Selbst tote Manager kommen schlecht weg
Selbst tote Manager haben in der Krimireihe einen schlechten Charakter. In dem Tatort „Kassensturz“ von 2009 muss Kommissarin Lena Odenthal den Mörder eines Managers einer Discount-Kette finden. Selbst wenn die Tat letztlich im Affekt ausgeübt wurde, wird in dem Film schnell deutlich, wer der Böse ist: die Leiche im Kühlhaus.
Der Mann hat zu Lebzeiten seine Angestellte beobachten lassen. Zudem wurden in den Filialen der Kette fingierte Diebstähle organisiert, um die Aufmerksamkeit der Angestellten zu testen. Schließlich wollte das Opfer sogar allen Angestellten kündigen, da er herausgefunden hatte, dass die Frauen die Gründung eines Betriebsrats planten. In diesem Plot wurden alle Klischees bemüht, die die Problematik Discountbranche mit sich bringen kann.
Dabei ist die Handlung des Films zumeist nicht das Problem: „Inhaltlich sind die Themen in der Regel gut recherchiert. Die Missbräuche in der Discountbranche sind in diesem Fall allesamt dokumentiert, wenn auch nicht in dieser Häufung“, sagt Elisabet Richter, Koordinatorin des Forschungs- und Kompetenzzentrums Audiovisuelle Produktion der Hamburg Media School.
Die Drehbuchautoren hätten Gespräche mit Kassiererinnen bei Discountern geführt und Experten der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di befragt. „Nur in der Rollenverteilung wurden dann wieder stereotype Muster bemüht.“ Die Angestellten sind getrieben, das Management handelt menschenverachtend. Dass ein Manager mitunter Zwängen unterliegt, komme in der Darstellung viel zu kurz, so Richter.
Eine Welt voller Intrigen und Schwarzarbeit
Nur jeder fünfte Tatort hat überhaupt einen Wirtschaftsbezug. Und davon enthält nur ein knappes Drittel die Wirtschaft als Hauptthema. 140 verschiedene Unternehmen fanden die Experten in den 70 ausgewerteten Episoden. Die häufigsten Branchen sind Bau, Handel, Gastronomie und Finanzdienstleistungen.
Bei der Darstellung der Probleme dort geht es überwiegend um negative Begriffe wie Mitarbeitermanipulation, Intrigen, Abhängigkeit, Lohnbetrug, Personaleinsparung, Entlassung, Lohndumping oder Schwarzarbeit. Mit klassischer Wirtschaftskriminalität befasst sich der „Tatort“ selten. Gemeint sind Unterschlagung, Bestechung, Scheinfirmen oder Geldwäsche beziehungsweise Schwarzgeld.
Dass Manager in der Darstellung schlecht wegkommen, habe ihn nicht überrascht, sagt Oliver Castendyk, Herausgeber der Studie „Wirtschaftsbilder in der Fernsehunterhaltung“ (Tectumverlag, 34,95 Euro). Erstaunlicher sei gewesen, dass unabhängig vom Managerbild in den „Tatort“-Krimis die Arbeitswelt als tendenziell kalt gezeichnet wird.
„Im Gegensatz dazu steht die Arbeitswelt der Kommissare in der Behörde, die zwar weniger schick, aber dafür menschlicher und solidarischer erscheint. Manchmal sogar mit Zimmerpflanze auf der Fensterbank“, sagt Castendyk.
Ein zweites Ergebnis hingegen habe ihn überrascht, und das sei die Unterscheidung zwischen Unternehmer und Manager: „Unternehmer können in der Darstellung auch mal wie knorrige alte Eichen sein, sind aber nicht so effizienzgetrieben und kalt wie die Manager.“
Kritik aus der realen Wirtschaft
Der realen Wirtschaft ist die Darstellung zu einseitig: „Dass Manager, Unternehmer und Freiberufler im ‚Tatort’ Erfolg und Macht wollen und dafür Recht und Menschenwürde verletzen, empfinde ich als sehr problematisch“, sagt Jörn Arfs von der Handelskammer. Mit diesen klischeebeladenen Vorstellungen von Wirtschaft würden Bilder geprägt und Meinungen gemacht.
„Ich wünsche mir aufseiten der dafür Verantwortlichen mehr Sachkenntnis und mehr Verantwortung. Der Verein ‚Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg‘ stellt Drehbuchautoren und Regisseuren gerne seine Expertise zur Verfügung, um sich ein realistisches Unternehmerbild zu machen“, sagt Arfs.
Dass es auch differenzierter geht, zeigen andere Genres, wie etwa Daily-Soap-Serien. Dazu haben die Filmexperten 89 Folgen der RTL-Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (GZSZ) untersucht. Diese spricht vor allem jüngere Zielgruppen an.
Unternehmer und Manager als Repräsentanten der Wirtschaftselite kommen in der Serie ebenso wenig vor wie etwa Arbeitskonflikte. Stattdessen geht es um emotionale Streitereien und private Beziehungen. Wirtschaftsthemen werden nicht gesellschaftskritisch, sondern als Beispiel für Wege der Emanzipation und beruflichen Etablierung positiv dargestellt.