Pilotprojekt: Die Berufseinstiegsbegleiterin Caroline Jungkurth engagiert sich seit Februar für 20 Hauptschüler.
Abendblatt: Seit dem ersten Februar dieses Jahres sind Sie Berufseinstiegsbegleiterin und unterstützen Jugendliche in Hamburg beim Übergang von der Schule in den Beruf. Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?
Caroline Jungkurth: Um acht Uhr gehe ich in das Lehrerzimmer, prüfe meine Termine und gehe dann in die Klasse. Ich treffe mich mit einzelnen Schülern zur Sprechstunde. Schülergespräche machen wir in Kleingruppen. Und dann muss ich wieder sehr kreativ und flexibel sein, muss Lösungen für die Bedürfnisse und Probleme meiner Schüler finden. Das nimmt oft viel Zeit in Anspruch. Und dann stehe ich in ständigem Kontakt zu Eltern, Nachhilfelehrern, Sozialpädagogen und den anderen Betreuern der Jugendlichen. Oder ich treffe am Nachmittag die Schüler im Jugendcafé.
Abendblatt: Wie unterstützen Sie die Jugendlichen konkret?
Jungkurth: Ein praktisches Beispiel ist unser Besuch im Ausbildungszentrum Bau. Dort sind alle Gewerke vertreten und Jugendliche anwesend, die gerade ihre Ausbildung als Maler, Stuckateur, Maurer machen. Ein Meister hat uns dort die Gewerke gezeigt und unsere Fragen beantwortet. Meine Jugendlichen durften auch selbst mauern. Das war eine sehr gute Erfahrung. Für viele war es das erste Mal, dass sie etwas mit Stein gemacht haben. Zwei wollen nun Maurer werden. Erst durch diese Praxis sehen sie diese Perspektive.
Abendblatt: Welche Berufe wollten Ihre Schüler denn anfangs erlernen?
Jungkurth: Die Berufsbilder waren extrem eingeschränkt. Fast jeder wollte Kfz-Mechatroniker werden oder Türsteher auf dem Kiez. Die Mädchen Model, Anwältin, Hausfrau und Mutter. Oder aber sie wollten gar nicht arbeiten.
Abendblatt: Und welche Berufe streben die von Ihnen betreuten Jugendlichen heute an?
Jungkurth: Nun wollen sie sozialpädagogische Assistentin, Maurer, Maler und Lackierer werden. Immer noch gerne Kfz-Mechatroniker, aber auch Gärtner oder Kosmetikerin. Ein Junge möchte Friseur werden.
Abendblatt: Sie begleiten 20 Schüler, die nun die achte Klasse absolviert haben. Nach welchen Kriterien werden die Jugendlichen für das Projekt ausgewählt?
Jungkurth: Das sind Jugendliche mit speziellem Förderbedarf im Schulischen wie im Sozialen. Jugendliche, die Schwierigkeiten mit dem Lernstoff haben, Schwierigkeiten, überhaupt zur Schule zu kommen, Schwierigkeiten im Sozialverhalten, vielfach haben sie auch Schwierigkeiten in der Familie, zum Beispiel Gewalterfahrungen.
Abendblatt: Was bedeutet es für einen Jugendlichen, einen Berufseinstiegsbegleiter zu haben?
Jungkurth: Manchen Jugendlichen bin ich eine große Hilfe. Andere empfinden mich sicher nicht immer als angenehm. Ich lege auch den Finger in die Wunde, wenn die Hausaufgaben nicht gemacht sind, rufe an, ich wecke morgens, ich stehe morgens vor der Haustür und bringe den Jugendlichen zur Schule, wenn er nicht aufsteht.
Abendblatt: Was sind typische Probleme bei der Betreuung?
Jungkurth: Viele Probleme entstehen aus dem Familienkontext. Vor ihrem kulturellen Hintergrund haben manche Jugendlichen auch Probleme mit meiner Rolle. Dazu kommen die sprachlichen Probleme, im Besonderen bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Im Schriftlichen haben diese Schüler einen sehr eingeschränkten Wortschatz und sind sehr ungeübt, sich auszudrücken. Mit ihnen treffe ich mich in der Gruppe und wir üben zusammen.
Abendblatt: Wie gehen Sie denn bei der Arbeit mit einzelnen Jugendlichen vor?
Jungkurth: Das hängt davon ab, was der Einzelne braucht. Mit manchen treffe ich mich alle zwei Wochen zum Vieraugengespräch, mit dem anderen jeden Montag, um Referate oder Praktikumsberichte zu schreiben. Mathe und Prozentrechnen üben wir in der Gruppe. Meine Arbeit ist nie gleich. Manchmal muss ich schimpfen, unterstützen, vermitteln, wenn es hakt. Das ist ganz vielfältig.
Abendblatt: In Hamburg betreuen 13 Berufseinstiegsbegleiter 230 Jugendliche. Reicht das aus?
Jungkurth: Der Bedarf an unseren Hauptschulen ist wesentlich größer. Wir haben wesentlich mehr Schüler, die einen Unterstützungsbedarf haben.
Abendblatt: Wie bilanzieren sie heute Ihr erstes halbes Jahr als Berufseinstiegsbegleiterin?
Jungkurth: Die Zusammenarbeit mit der Schule und der Arbeitsagentur ist gut. Die Vertrauensebene mit den Schülern wächst immer mehr. Das ist wichtig, denn ich betreue die Jugendlichen ja bis zu drei Jahre. Aktuell ist der Großteil in die nächste Klasse gekommen. Die Schüler haben ihren Praktikumslehrgang gemacht, konnten Berufserfahrung sammeln, wissen, was vor ihnen liegt. Das ist toll gelaufen.
Abendblatt: Was sind nun die weiteren Schritte?
Jungkurth: Betriebsbesichtigungen, direkt in Betriebe gehen und dann heißt es ganz klar: Bewerbungen schreiben.
Abendblatt: Ihr Fazit?
Jungkurth: Berufseinstiegsbegleitung hilft präventiv, zeigt Berufsmöglichkeiten und fördert die Teilnehmer gezielt und individuell. Vernetzt mit anderen Institutionen können wir positiv auf Defizite einwirken. Es reicht nicht, Jugendliche erst dann zu fördern, wenn sie ohne Schulabschluss dastehen. Wir müssen in der Schule anfangen.