Im Hamburger Strommarkt wird schwer um Kunden gebuhlt: Hamburg Energie beliefert nun 85.000 Haushalte - Konkurrent Vattenfall kämpft nun mit Zahlungen von Boni um neue Abnehmer.
Hamburg. Der städtische Energieversorger Hamburg Energie (HE) baut seinen Kundenstamm weiter aus. Das Unternehmen beliefert derzeit in der Metropolregion Hamburg 85.000 Kunden mit Strom; das sind 7000 mehr als im vergangenen Jahr. Auch die Zahl der Biogasverträge steigt weiter. „Wir haben gegenüber dem Vorjahrszeitraum rund 600 Stromkunden pro Monat gewonnen“, sagt der Geschäftsführer von Hamburg Energie, Michael Beckereit dem Abendblatt. „Beim Gas haben wir im Monat gut 100 Kunden gewonnen. In Summe waren es 1.300 auf aktuell 11.300 Gaskunden.“
Verdoppelungen der Kundenzahlen wie in den Anfangsjahren nach der Gründung 2009 seien nicht mehr drin. „Aber wir wollen die Zahl unserer Kunden um etwa zehn bis 15 Prozent jährlich steigern“, so Beckereit. Andere Anbieter, darunter auch Hamburgs größter Energieversorger Vattenfall, versuchen derweil mit Boni auf Internetvergleichsportalen Neukunden zu gewinnen. So wirbt das Portal Verivox auf seiner Internetseite für den „Easy 12 Extra Strom“-Tarif von Vattenfall mit Boni von insgesamt 175 Euro. Dafür listet das Vergleichsportal den Energiekonzern an Platz eins der preisgünstigsten Stromanbieter. Nach Ansicht der Verbraucherzentrale sind solche Angebote allerdings mit Vorsicht zu genießen: „Boni versprechen verführerisch günstige Strompreise. Meistens sind sie aber nur im ersten Jahr besonders billig“, sagt Verbraucherberaterin Andrea Grimm. „Im zweiten Jahr steigen die Preise aber in der Regel um 30 Prozent. Wer das nicht will, muss vorher kündigen und bekommt den Bonus dann häufig nicht gewährt“, so Grimm. Ohne diesen Bonus wäre Hamburg Energie wiederum günstiger als Vattenfall.
„Wir sind nicht die Preisgünstigsten, arbeiten dafür aber auch nicht mit solchen Methoden wie Wechselboni“, sagt Beckereit dazu. Die Verschleierung des Preises ist aus seiner Sicht nicht in Ordnung. „Verbraucher kalkulieren ihren Strompreis für ein Jahr, nicht für zwei.“ Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier hält dagegen: „Boni sind Teil des Wettbewerbs um Neukunden. Wir machen keine Kampfpreise, sondern zahlen nur einen Bonus, der auch wirtschaftlich vertretbar ist.“
Trotz steigender Ökostromumlage wollen sowohl Vattenfall wie auch Hamburg Energie die Preise zum Jahreswechsel nicht erhöhen. „Die Strompreise bleiben stabil“, sagt Hamburg-Energie-Chef Beckereit. Der normale Ökostromtarif „Tor zur Welt“ liegt für Neukunden bei 25,60 Cent pro Kilowattstunde und einem Grundpreis von sechs Euro monatlich.
Dabei muss das Unternehmen kräftig Strom zukaufen. Lediglich 17 Prozent des verkauften Stroms stellt das noch junge Unternehmen durch eigene Fotovoltaik und Windkraftanlagen her. Hamburg Energie hat sich aber als einziges Unternehmen unter den führenden Energieversorgern in der Hansestadt freiwillig dazu verpflichtet, seinen Stromvertrieb an die Erzeugung erneuerbarer Energien zu koppeln. Bis 2015 will das Unternehmen mindestens 50 Prozent der an Kunden abgegebenen Energiemenge in eigenen Anlagen erzeugen. Dazu wird jetzt kräftig investiert: Der städtische Ökostromanbieter hat einen Windpark in Bülkau nahe Cuxhaven gekauft und sich an einem weiteren in Oberndorf unweit davon mit 25,1 Prozent beteiligt. Zusätzlich hat Hamburg Energie mit 74,9 Prozent die Mehrheit an einem Biomasseheizkraftwerk in Brunsbüttel erworben sowie 25,1 Prozent an einem weiteren in Elsfleth an der Unterweser.
Dazu ist der städtische Versorger eine Partnerschaft mit der Koehler Paper Gruppe, einem süddeutschen Papierhersteller, eingegangen, der auch in erneuerbare Energien investieren will. Die in den Biomassekraftwerken entstehende Wärme wird direkt an Gewerbekunden wie das Bitumenwerk Total in Brunsbüttel verkauft. Der Ökostrom wird wie bei den Windkraftanlagen ins allgemeine Netz eingespeist. „In Summe haben die neuen Kraftwerke eine elektrische Leistung von 60 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Damit können 20.000 Haushalte mit Ökostrom versorgt werden“, so Beckereit. Statt bisher 15.000 kann Hamburg Energie künftig also 35.000 Kunden mit selbst produziertem Strom beliefern. Das Unternehmen hat dazu 43 Millionen Euro in die vier neuen Anlagen investiert, die zum Teil fertig sind, zum Teil erst Ende 2014 ans Netz gehen.
Das Geld dazu hat Hamburg Energie am Kapitalmarkt aufgenommen. Wobei das Unternehmen günstigere Zinsen erhält, weil die Stadt für die Summe bürgt. Hamburg Energie ist in der Vergangenheit vorgeworfen worden, durch staatliche Quersubvention Vorteile am allgemeinen Strommarkt zu ergattern. Beckereit weist den Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung zurück: Eine Quersubventionierung gebe es nicht. „Und für die Bürgschaft zahlen wir ganz normal Avale an die Stadt.“
Noch ist das Unternehmen verschuldet: „Wir haben in den ersten drei Startjahren rund 8,4 Millionen Euro Verlust gemacht.“ Das vergangene Jahr schloss Hamburg Energie mit einem Plus von 800.000 Euro ab. „In diesem Jahr wollen wir einen Überschuss von 1,2 Millionen Euro erwirtschaften.“ Ziel sei es, bereits ab 2016 Dividenden auszuschütten, sagt Beckereit.