Die Nachfrage nach Wohnungen in den Kriegs-Artefakten steigt – trotz deren beklemmender Geschichte. In Hamburg werden immer mehr Bunker zu Wohnraum umgebaut. Architekten sprechen von einem Boom.
Die Bauten, mit denen sich Rainer Mielke beschäftigt, haben eine beklemmende Geschichte. Darin geht es um Bomben, Krieg, Angst und Elend vieler Menschen. Und doch weiß der Architekt, dass es Mieter gibt, die in solchen Gebäuden leben wollen.
Deswegen steht Mielke auf einer Baustelle in Hamburg-Eilbek und sieht zu, wie ein Maschinen-Koloss, „Felsmeißel“, gerade Stahlbeton aus meterdicken Wänden hämmert. Feiner Staub wirbelt in der Luft, macht sie diesig.
Wenn alles fertig ist, hat Mielke wieder einmal einen Bunker in Wohnungen umgewandelt. In diesem Fall werden es 13 Loftwohnungen sein. Der Immobilienmarkt der Großstadt braucht neuen Wohnraum und hat dabei die alten Trutzburgen aus Kriegszeiten entdeckt.
Der Bremer Rainer Mielke und sein Partner Claus Freudenberg stemmen solche Projekte bereits seit mehr als zehn Jahren mit Folgen für die Preisentwicklung. „Die Preise für Bunker sind stark gestiegen“, sagt er über die aktuelle Nachfrage.
Besitzer sind in der Regel der Bund oder die Stadt. Dass sie überhaupt umgebaut werden dürfen liegt am politischen Klima. Mit Ende des Kalten Krieges erlosch die Bedeutung der Bunker weitestgehend. Nach und nach sollen die Kriegs-Artefakte daher in Privatbesitz übergehen – bundesweit.
Auf der Seite der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima), die die Bunker für den Bund an den Mann bringt, finden sich aktuell Angebote aus Bremen, Hannover oder München.
Bund und Städte verkaufen Bunker
Seit ihrer Gründung 2005 hat die Bima nach eigenen Angaben bereits rund 180 Hochbunker verkauft. Diese Bunkerart liegt oberirdisch – und heizt damit die Fantasie von Wohnungsplanern an. Vielfach werden sie auch zu Proberäumen für Bands oder zu Ausstellungsflächen umgewandelt.
220 Hochbunker stehen noch vor dem Verkauf – die meisten in Nordrhein-Westfalen. Die Behörde glaubt, dass das Interesse in den kommenden Jahren weiter steigen wird. „Die Erwartung stützt sich auf die Nachfrage, insbesondere nach innerstädtischen Lagen ganz allgemein, und auf den Zugewinn an Erfahrung aus Projekten zur Umnutzung von Bunkern“, erklärt der Leiter des Marketings bei der Bima, Michael Odenthal.
In Hamburg hat die Bima seit Verkaufsstart 2011 bereits zwölf Hochbunker verkauft – überwiegend, um daraus Wohnungen zu machen. 17 befinden sich derzeit noch im Portfolio. Und Wohnraum kann die Stadt gut gebrauchen.
Laut einer Studie der Hamburger Sparkasse (Haspa) und des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) benötigt die Hansestadt bis 2030 rund 90.000 neue Wohnungen. Die oft von guten Wohngebieten umschlossenen Bunker wecken deshalb Begehrlichkeiten.
Viel Tageslicht gegen die böse Erinnerung
„Die Preise für Bunker explodieren. Mittlerweile gehen sie in die Millionen, vor zehn oder 15 Jahren waren es vielleicht 100.000 Euro. Und gerade das Wohnen darin boomt“, sagt der Hamburger Architekt Rüdiger F. Solvie, der sich wie sein Kollege Mielke mit den zum Teil komplizierten Umbauten befasst.
Dem Berufsstand spielt seit einigen Jahren die technische Entwicklung in die Karten. „Die Kosten, um Ausschnitte in die Wände zu bohren, liegen heute bei einem Bruchteil von damals“, sagt Solvie. Auch das befeuert die Nachfrage.
Was die Technik allerdings nicht kann, ist das Löschen der Erinnerung an die vergangenen Bombennächte in den Gemäuern. Diese Geister der Vergangenheit kann niemand vertreiben. „Wir versuchen deshalb die Bunker unglaublich hell zu machen. Es soll so viel Tageslicht rein, wie es geht“, sagt Solvie.
Dass sich indes nicht jeder der Weltkriegsbauten zum Wohnen eignet, zeigt das Beispiel des Energiebunkers. Für die gerade beendete Internationale Bauausstellung im Stadtteil Wilhelmsburg wurde die Kriegsruine für rund 27 Millionen Euro in ein Öko-Kraftwerk verwandelt.
Mit seiner Aussichtsplattform, Café und einer Ausstellung zur Geschichte des Baus entwickelte sich der ehemalige Flak-Bunker immerhin zu einem Besuchermagneten.
In Eilbek lässt Mielke nur zwei Seitenwände des ehemaligen Zufluchtsortes stehen – jede Seite besteht aus rund 1000 Tonnen Stahlbeton. Dazwischen modelliert er die Loftwohnungen.
Sie kosten zwischen 410.000 und 635.000 Euro und sind 114 bis 145 Quadratmeter groß. „Die Fassade werden wir aber so lassen. Sie ist einmalig“, sagt Mielke. Wenn wie geplant die ersten Mieter Mitte 2014 einziehen, sollen noch Einschusslöcher zu sehen sein. Rund 20 Meter ragt der Stahlbeton-Koloss in den Himmel. Wer ganz oben einzieht, wird auf seiner Dachterrasse dem Himmel so nah sein, wie niemand sonst in der Nachbarschaft.