Hamburger Linienreederei kämpft gegen wachsenden Wettbewerbsdruck. Rote Zahlen von Januar bis September wegen Überkapazitäten.
Steigende Transportmengen, sinkende Gewinne – in diesem Spannungsfeld hat Deutschlands führende Linienreederei Hapag-Lloyd am Dienstag die Zahlen für das dritte Quartal 2013 präsentiert. Mit seinen derzeit 152 eigenen und gecharterten Frachtschiffen transportierte das Unternehmen von Juli bis September rund 1,4 Millionen Containereinheiten (TEU) und verdiente dabei operativ (Ebit) 61,2 Millionen Euro. Im dritten Quartal des Vorjahres betrug der operative Gewinn 79,8 Millionen Euro bei rund 1,3 Millionen TEU Transportmenge. „Die Entwicklung der Frachtraten war im dritten Quartal, der wichtigsten Saison in der Linienschifffahrt, sehr enttäuschend“, sagte Michael Behrendt, Vorstandsvorsitzender von Hapag-Lloyd. „Das irrationale Verhalten in der Branche, das im Oktober erneut zu einem drastischen Ratenverfall geführt hat, ist vollkommen unverständlich.“ Frachtraten sind Transportpreise für Container.
Behrendt, der auch Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) ist, hat in jüngerer Zeit wiederholt scharf die Preiskämpfe in seiner Branche kritisiert. Hintergrund dafür sind anhaltende Überkapazitäten bei den Schiffen. Selbst führenden Reedereien wie Hapag-Lloyd, der weltweit sechstgrößten Containerlinie, gelingt es nicht, robuste Preiserhöhungen durchzusetzen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres war die Transportmenge von Hapag-Lloyd um 3,6 Prozent auf rund 4,1 Millionen Containereinheiten gestiegen. Die durchschnittliche Frachtrate der Reederei über alle Fahrtgebiete sank jedoch in diesem Zeitraum auf 1506 Dollar (1126 Euro) je TEU, gegenüber 1574 Dollar im Vorjahreszeitraum.
Unterm Strich verbucht Hapag-Lloyd von Januar bis September einen Verlust von 56,1 Millionen Euro (Vorjahreszeitraum: 94,1 Millionen Euro). Dass das Nettoergebnis nicht noch schlechter ausfiel, lag vor allem an weiteren Einsparungen bei Hapag-Lloyd und an einem leicht gesunkenen Preis für Schweröl, dem Schiffsbrennstoff. Eine Tonne Bunkeröl kostete im Durchschnitt der ersten neun Monate 617 US-Dollar (Vorjahr: 665 Dollar). Man wolle das Jahr 2013 weiterhin mit einem operativen Gewinn abschließen, teilte Hapag-Lloyd mit. Höchst unwahrscheinlich ist allerdings, dass die Reederei im vierten Quartal den bisherigen Nettoverlust in einen Gewinn drehen kann.
Hamburg ist mit rund 37 Prozent der größte Anteilseigner bei Hapag-Lloyd: „Das Quartalsergebnis von Hapag-Lloyd ist enttäuschend, kommt aber nicht überraschend“, sagte Anjes Tjarks, der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft. „Anfang dieses Monats hatte der Senat noch mitgeteilt, dass er für 2013 mit einer Gewinnausschüttung von 20 Millionen Euro rechnet. Spätestens jetzt aber ist klar, dass Hapag-Lloyd der Stadt erneut keine Dividende zahlen wird.“ Für die Zahlung einer Dividende ist das Nettoergebnis ausschlaggebend. Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass die Stadt wie auch der zweitgrößte Hapag-Lloyd-Eigner, der Unternehmer Klaus-Michael Kühne, weiterhin einen Börsengang anstrebt: „Alle wollen einen Börsengang, sobald dieser unter wirtschaftlich vernünftigen Bedingungen möglich ist.“ Derzeit seien jedoch weder die Ergebnisse von Hapag-Lloyd noch die Lage der Branche so, dass man von einer Trendwende reden könne.
Ungewiss ist, ob sich die Lage für die Reedereien 2014 entspannt. Der Fachdienst Alphaliner stellte kürzlich fest, dass es bislang keine Konsolidierung in der Branche gegeben hat, obwohl die Schifffahrt bereits seit 2009 fast durchgängig in der Krise steckt. Abgesehen von kleineren Wettbewerbern am Containermarkt wie MISC aus Indonesien hat bislang keine Reederei aufgegeben. Auch Fusionen führender Marktteilnehmer gab es nicht. Allerdings dürfte die „P3“ genannte Kooperation der drei größten Linienreedereien Mærsk, MSC und CMA CGM im Fernostverkehr den Druck auf die übrigen Marktteilnehmer weiter erhöhen.
Nach wie vor kommen Neubauten an den Markt, die vor der Krise bestellt worden waren. Zugleich werden viele Schiffe aus insolventen Betreibergesellschaften zu Schnäppchenpreisen bei Auktionen von neuen Eignern übernommen, aber nicht dauerhaft aus dem Markt gezogen oder gar verschrottet. Wer ein relativ neues Schiff weit unter Neubauwert erworben hat, kann mit entsprechenden Kampfpreisen bei den Charterraten antreten. Auch niedrige Neubaupreise bei nicht ausgelasteten Werften in Asien locken derzeit Investoren, vor allem für den Bau von effizienteren Schiffen. Unter anderem am US-Markt suchen Reeder derzeit Zugang zu frischem Kapital: „Geld ist reichlich da“, sagte dem Abendblatt in New York kürzlich der Schifffahrts- und Finanzierungsexperte Guy E. C. Maitland, Managing Partner beim Unternehmen International Registries.