In der HSH-Verhandlung treten viele Ungereimtheiten zutage. Ob sie am Ende dem Ex-Vorstand anzulasten sind, ist ungewiss. Eine Zwischenbilanz.

Neustadt. Von Nervosität keine Spur. Beherrscht und unergründlich wirkt Dirk Jens Nonnenmacher, ganz die Personifizierung des Alphatiers, mit einer gerüttelt Portion Herablassung im Blick. In allererster Reihe zu stehen und im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit ist für ihn längst zur Gewohnheit geworden. Der Karrierist, der Macher, Überflieger. Nonnenmacher trägt auch Monate nach seiner unsanften Landung auf der Anklagebank im Prozess gegen den Ex-Vorstand der HSH Nordbank die Nase hoch und das prägnante süffisante Lächeln auf den Lippen.

Und doch wirkt der Zug um den Mund des Mannes mit den Wochen, die die Verhandlung vor dem Landgericht andauert, um Nuancen weniger arrogant und der frühere HSH-Vorstandschef insgesamt nicht mehr ganz so unnahbar wie zu Beginn. Auch sonst hat sich Nonnenmacher optisch ein wenig verändert. Auf das Gel im Haar, das einst wie sein Markenzeichen wirkte, verzichtet der 50-Jährige mittlerweile. Sich allerdings insgesamt in Zurückhaltung zu üben, ist seine Sache immer noch nicht. Zumindest an die Adresse der Staatsanwaltschaft hat der frühere Vorstandschef nicht mit vehementen Attacken und einer Schärfe in der Wortwahl gespart. Von „absurden“ Vorwürfen und „Voreingenommenheit“ der Anklagebehörde hat der Mann mit dem auf einen James-Bond-Bösewicht gemünzten Spitznamen „Dr. No“ gesprochen. Zudem wirft Nonnenmacher der Anklagebehörde eine Haltung vor, „die mit der Suche nach Wahrheit nichts zu tun hat“.

Die Suche nach der Wahrheit gestaltet sich allerdings schwierig in diesem Verfahren, in dem sich erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik der gesamte ehemalige Vorstand einer Bank wegen der Vorgänge zur Zeit der Finanzkrise vor Gericht verantworten muss, der Untreue im besonders schweren Fall angeklagt. Nach 24 Verhandlungstagen und der Aussage von etlichen Zeugen aus mehreren Abteilungen der HSH ist noch ein üppiges Beweisprogramm zu bewältigen. Mehrere Zeugen auch aus gehobenen Positionen der Bank werden in den kommenden Wochen noch erwartet.

Unisono haben alle Ex-Vorstände der HSH Nordbank zu Beginn des Verfahrens energisch die Vorwürfe aus der Anklage von sich gewiesen. Dieser Prozess scheint die Männer in einer Art Schicksalsgemeinschaft zusammenzuschweißen. Nach anfänglicher Eiszeit im Umgang miteinander hat Tauwetter eingesetzt, aus dem anfänglichen Schweigen in den Prozesspausen sind mittlerweile längst freundschaftlich angeregte Gespräche geworden, bei denen man sogar hin und wieder scherzt und lacht. Ob die sechs Männer auch am Ende des Verfahrens allen Grund haben, guter Dinge zu sein, bleibt indes abzuwarten.

Es ist ein Deal mit dem mysteriösen Etikett „Omega 55“, der Nonnenmacher sowie den weiteren Angeklagten Hans Berger, Hartmut Strauß, Peter Rieck, Joachim Friedrich und Bernhard Visker zum Verhängnis werden könnte. Laut Staatsanwaltschaft ließ sich der Vorstand der HSH Nordbank im Jahr 2007 trotz der globalen Finanzkrise kurz vor dem geplanten Börsengang auf das Geschäft ein, um die Bilanz der Bank mit reichlich Kosmetik aufzuhübschen. Mit dem Ziel, die Eigenkapitalquote der Bank nach oben zu treiben, hätten die Vorstände leichtfertig und überhastet ein riskantes Kreislaufgeschäft mit der französischen Bank BNP Paribas (BNPP) abgesegnet und damit ein großes Risiko in Kauf genommen.

Mit Teil A von „Omega 55“ wurden demnach Immobilienkredite ausgelagert und bei der BNPP gegen Ausfall versichert. Der Haken dabei ist allerdings Teil B: Damit verpflichtete sich die HSH, den Franzosen ein giftiges Paket mit Hochrisikopapieren abzunehmen, und nahm damit die ursprünglich ausgelagerten Risiken im Prinzip wieder zurück. „Der Vorstand hat gegen Prüfungspflichten bewusst verstoßen und nahm billigend ein unüberschaubares Risiko in Kauf“, heißt es in der Anklage. Am Ende klaffte laut Staatsanwaltschaft dank „Omega 55“ durch Verluste in der Finanzkrise ein 158-Millionen-Loch in der Kasse.

Ex-HSH-Vorstandschef Nonnenmacher hat alle Schuld von sich gewiesen. Dass er die Transaktion abgezeichnet habe, sei aus seiner Sicht „nichts weiter als eine Kenntnisnahme“ gewesen. Er habe den Großteil seiner Zeit bei der HSH dafür aufgewandt, die Bank „aus einer nicht von mir verschuldeten existenziellen Krise herauszuführen und zu stabilisieren“. Allein der Gedanke, er könne ein Geschäft „bewilligt oder nicht beanstandet haben, das möglicherweise das nicht vertretbare Risiko eines Schadens für die HSH Nordbank beinhaltet“, sei „absurd“, hat der Mathematikprofessor verkündet.

Wie müssen Nonnenmacher und die anderen fünf Angeklagten es nun empfinden, wenn sie in dem seit Juli andauernden Prozess von den Verstimmungen hören, den Bedenken, den engen personellen Ressourcen und der Hektik, die laut mehrerer Zeugenaussagen vor dem Abschluss von „Omega 55“ Ende 2007 innerhalb der HSH Nordbank herrschten? Frühere Mitarbeiter aus Buchhaltung und Rechtsabteilung der HSH erzählten von „großem Druck“ bei „hohem Arbeitsaufwand“ und einer Koordination, die suboptimal gewesen sei. Eine von ihnen abgegebene „erste rechtliche Einschätzung“, sagten etwa Zeugen aus der Rechtsabteilung der Bank, sei an anderer Stelle zu ihrem Kummer sehr viel weitergehend gewertet worden, nämlich als „genauestens geprüft“ und letztlich „genehmigt“. „Darüber haben wir uns nicht gefreut“, formulierte eine Zeugin in wohl branchenüblicher Zurückhaltung.

Insgesamt ergibt sich bisher der Eindruck, dass offenbar manche Einzelheiten aus dem Deal „Omega 55“ von Mitarbeitern der Bank eben gerade nicht mit der nötigen Detailtreue geprüft oder auch dokumentiert wurden und dass es darüber hinaus auch Missverständnisse zwischen den Abteilungen gab. Die Frage stellt sich allerdings weiter, ob diese Versäumnisse für den Vorstand erkennbar waren und ihm dies im Ergebnis strafrechtlich anzulasten ist. „Was dem Vorstand vorgelegt werden sollte, sollte so kurz wie möglich sein. Man konnte nicht auf 30 oder 40 Seiten ein ganzes Produkt detailliert vorstellen“, sagte ein Zeuge. Einige wenige Seiten hätten ausreichen müssen.

So ist es denn auch alles andere als zwingend, dass die damaligen Chefs der HSH Nordbank beispielsweise von den Bedenken einer Zeugin aus der Rechtsabteilung erfuhren, die diese nach eigener Aussage ihrem direkten Vorgesetzten mitteilte. Sie habe gesagt, so erzählte die 42-Jährige, sie würde die Transaktion „so nicht abschließen“. Doch ihr Chef aus der Rechtsabteilung sei der Ansicht gewesen, mit der Transaktion sei alles in Ordnung. Gerade dieser Zeuge wird am Montag im Gericht erwartet.