Etwa 20 Personen haben auf dem Rathausmarkt gegen Personalienfeststellungen von Lampedusa-Flüchtlingen demonstriert. Sie beklebten die Tür des Rathauses mit Absperrband und Plakaten.

Hamburg. Demonstration am geschlossenen Rathaustor. Die etwa 20 Teilnehmer, die vorwiegend aus der Punker- und Autonomenszene stammen, protestierten gegen die Personalienfeststellungen bei Männern aus der sogenannten "Lampedusa-Gruppe". Außerdem forderten sie ein Bleiberecht nicht nur für die etwa 300 Personen, sondern eine allgemeine Lockerung oder Abschaffung der Asylbestimmungen.

Die Polizei schickte mehrere Peterwagenbesatzungen zum Rathaus. Die zogen wenig später größtenteils wieder ab. Die Protestaktion verlagerte sich nach etwa einer Stunde in die Spitalerstraße. Zwei Personen wurden nach Angaben der Polizei festgenommen. Elf Demonstranten kamen in Gewahrsam und später wieder auf freien fuß.

Am 2. November, so war es auf an der Rathauswand aufgeklebte Plakate zu lesen, soll es in Hamburg eine Großdemonstration wegen der Lampedusa-Flüchtlinge geben.

Am Sonntagabend gab es in der Roten Flora eine Vollversammlung zu den Ereignissen der letzten Tage. Von dort startete auch eine weitere Demonstration auf St. Pauli gegen „die harte Linie des Senats“. Der Protestzug von bis zu 750 Personen zog von der Flora zur Reeperbahn und wieder zurück auf das Schulterblatt. Vereinzelt wurden Böller gezündet.

Mehrere Proteste am Wochenende

Die Hamburger Polizei hat am Wochenende weitere afrikanische Flüchtlinge zur Feststellung ihrer Identität vorübergehend festgenommen – trotz neuer Proteste von Unterstützern. 19 Personen seien kontrolliert und neun von ihnen unter dem Verdacht des illegalen Aufenthalts in Gewahrsam genommen worden, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Sie wurden der Ausländerbehörde überstellt und noch am Abend wieder freigelassen, wie ein Sprecher der Innenbehörde sagte.

Bereits am Freitag hatte die Polizei in den Stadtteilen St. Georg und St. Pauli gezielt afrikanische Migranten kontrolliert. Die Beamten hatten zehn Flüchtlinge der sogenannten Lampedusa-Gruppe vorübergehend in Gewahrsam genommen. Auch sie wurden der Ausländerbehörde übergeben und anschließend wieder auf freien Fuß gesetzt. Bislang habe keiner der überprüften Afrikaner einen Asylantrag gestellt, sagte der Sprecher der Innenbehörde. Da sich die Rechtsanwälte der Flüchtlinge zunächst mit ihren Mandanten beraten wollten, seien sie zu einem weiteren Termin am Mittwoch geladen worden.

Gegen die Polizeikontrollen demonstrierten am Freitag und Sonnabend jeweils etwa 500 Menschen. Am Sonnabend versammelten sie sich in der Nähe der St.-Pauli-Kirche und zogen über die Reeperbahn in Richtung Innenstadt. An der Aktion hätten sich viele Familien beteiligt, sie sei völlig friedlich verlaufen, hieß es von der Polizei.

Die Nordkirche und die Grünen kritisierten das Vorgehen der Innenbehörde. „Ein derart massiver Polizeieinsatz dürfte eine konstruktive, humanitäre Lösung nicht erleichtern. Im Gegenteil: Als Folge der Aktionen muss eher eine Verschärfung befürchtet werden“, erklärte der stellvertretender Bischof im Sprengel Hamburg und Lübeck, Propst Karl-Heinrich Melzer. Er appellierte an die Behörden, ihren Ermessensspielraum für eine humanitäre Lösung zu nutzen. „Gerade angesichts der Diskussionen seit der jüngsten Lampedusa-Tragödie hätten wir uns gewünscht, dass Hamburg sich in die internationale Nachdenklichkeit einreiht.“

Antje Möller, Sprecherin für Innen- und Flüchtlingspolitik der grünen Bürgerschaftsfraktion, meinte: „Es ist politisch unerträglich, dass gerade zu dem Zeitpunkt aktueller Flüchtlingskatastrophen vor Lampedusa der Senat in einer konzertierten Aktion die Polizei zu Kontrollen von Menschen mit schwarzer Hautfarbe veranlasst.“ Am Freitag war ein Flüchtlingsboot zwischen Malta und Lampedusa gekentert. 34 Menschen ertranken, 206 konnten gerettet werden.

„Die Not der Flüchtlinge, die ihr Leben bei der Überfahrt retten konnten, als Flüchtlinge anerkannt sind, aber in Italien und nun auch in Deutschland ohne Perspektive leben, ignoriert der Senat weiterhin“ monierte Möller. Sie forderte den Senat auf, mit den Flüchtlingen ernsthafte Gespräche zu führen und die Argumente für eine Gruppenlösung zu prüfen.

Unterdessen hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mitgeteilt, dass sie gut ausgebildeten Wirtschaftsflüchtlingen das oft aussichtslose Asylverfahren ersparen wolle. Stattdessen sollten sie gleich als Arbeitsmigranten aufgenommen werden, schlug Bundesamts-Präsident Manfred Schmidt im Magazin „Der Spiegel“ vor.

Die meisten Asylbewerber würden in ihrer Heimat nicht verfolgt, sondern kämen aus wirtschaftlicher Not nach Deutschland – ihre Asylanträge würden deshalb abgelehnt. Darunter seien auch „Studenten und hochqualifizierte Facharbeiter, aber weil ihr Schlepper erzählt hat, sie sollen „Asyl“ sagen, sitzen sie in der Falle des Systems“, sagte Schmidt. Das sei angesichts der Suche nach Fachkräften in Deutschland schizophren.

Deshalb sei er für ein neues Asylverfahren, in dem zuerst geprüft wird, ob ein Flüchtling als Arbeitsmigrant in Frage kommt. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), unterstützt den Vorstoß: „Ich möchte nicht, dass qualifizierte Arbeitskräfte meinen, unbedingt Asyl beantragen zu müssen.“