Die FDP-Fraktionschefin in der Hamburgischen Bürgerschaft, Katja Suding, über die Ursachen und die Folgen der Wahlschlappe für die FDP. Sie will künftig mehr Verantwortung übernehmen.

Hamburg Eine Partei leckt ihre Wunden. Nachdem die FDP erstmals aus dem Deutschen Bundestag geflogen ist, grübeln die Liberalen: Warum hat es nicht gereicht? Das Abendblatt sprach mit der FDP-Fraktionschefin in der Bürgerschaft, Katja Suding, die künftig noch mehr Verantwortung auf Bundesebene übernehmen soll und will.

Hamburger Abendblatt: Die FDP ist nicht mehr im Bundestag. Hat sich das Modell der Steuersenkungspartei überholt?


Katja Suding: Programm und Politik der FDP waren nie so verengt, aber es stimmt, wir wirkten so. Das muss sich ändern. Liberalismus ist deutlich mehr und bedeutet vor allem Freiheit für den Bürger vor staatlicher Bevormundung und Freiheit für die Verwirklichung des eigenen Lebenskonzepts.

Man nimmt sie aber vor allem als Klientelpartei wahr, die zum Beispiel die Steuern für Hoteliers gesenkt hat.



Suding: Die Senkung der Hotelsteuer ist kommunikativ völlig schiefgelaufen. Man hätte die Mehrwertsteuersenkung in eine umfassende Reform einbinden müssen. Dazu kam es leider nicht mehr.

Seinerzeit waren Guido Westerwelle und später Philipp Rösler in der Verantwortung. Sie haben immer zu den beiden gehalten. Inwiefern fühlen Sie sich mitschuldig an dem Wahlergebnis?

Suding: Man kann nicht erst einen Parteivorsitzenden mit großer Mehrheit wählen und ihm dann, wenn er sich nicht als Heilsbringer herausstellt, in den Rücken fallen. Ich habe kaum konstruktive Vorschläge gehört, wie es anders hätte gehen sollen.

Aber Röslers Rücktritt begrüßen Sie?

Suding: Nach einer solchen Wahlniederlage geht es gar nicht anders. Wir müssen einen kompletten Neustart hinlegen und uns inhaltlich und personell neu aufstellen.

Was muss der designierte neue FDP-Chef Christian Lindner machen, um die Partei wieder auf die Beine zu bringen?

Suding: Er muss vor allem das große Potenzial an liberal denkenden Menschen ansprechen und ihnen eine politische Heimat bieten.

Geht es etwas konkreter?

Suding: Wir dürfen uns nicht auf das Steuerthema verengen. Zwar wollen wir weiterhin verhindern, dass die Bürger über Gebühr abkassiert werden, was mit der sich anbahnenden Großen Koalition so kommen dürfte. Aber die FDP steht auch für eine freie und vielfältige Gesellschaft, sie muss Antworten auf gesellschaftliche Veränderungen und auf Themen wie den NSA-Skandal bieten. Wir müssen dafür sorgen, dass den Bürgern ihre Privatsphäre gelassen wird. Wir sind auch eine Bildungspartei und stehen für Chancengerechtigkeit statt für Ergebnisgerechtigkeit. Das muss alles wieder viel stärker in den Vordergrund gestellt werden.

War es ein Fehler, sich zu eng an die CDU zu binden? Sollte nicht die sozialliberale Tradition wiederbelebt werden?

Suding: In den Wahlprogrammen gab es die größten Schnittmengen mit der Union. Insofern war es richtig, dass wir diese erfolgreiche Bundesregierung fortsetzen wollten. Wir haben uns aber zu stark als Anhängsel der Union präsentiert statt als eigenständige Kraft.

Wie sehen Sie persönlich Ihre künftige Rolle in der FDP auf Bundesebene?

Suding: Nach dem Verlust der Bundestagsfraktion kommt den neun Landtagsfraktionen eine besondere Rolle zu, also auch für Hamburg und mich als Fraktionschefin. Ich bin auch bereit, mehr Verantwortung zu tragen.

Wären Sie auch bereit, stellvertretende Parteivorsitzende zu werden?

Suding: An welcher Stelle und in welcher Funktion ich künftig agiere, werden wir gemeinsam besprechen.

Ihr Landesverband hat im eigentlich sehr liberalen Hamburg hat auch nur 4,8 Prozent geholt. Woran hat es gelegen?

Suding: Diese und andere Fragen müssen wir uns kritisch stellen. Warum hat die FDP in Schleswig-Holstein 5,6 Prozent geholt und wir nur 4,8? Warum liegt sie in vergleichbaren Städten wie München, Frankfurt, Stuttgart oder Düsseldorf über sieben Prozent?

In Schleswig-Holstein gab es mit Wolfgang Kubicki einen sehr starken Frontmann und Spitzenkandidaten. Für die Hamburger FDP sind dagegen Parteichefin Sylvia Canel und Burkhardt Müller-Sönksen angetreten...


Suding: Wolfgang Kubicki gehört neben Christian Lindner zu den profiliertesten Liberalen. Solche Leute gibt es halt nicht in jedem Landesverband. Ich will aber nicht mit dem Finger auf einzelne Personen zeigen. Wir müssen uns fragen, ob wir in Hamburg mit einer anderen Kampagne, mehr Eigenständigkeit und mehr Abgrenzung von Anti-Euro-Populisten nicht mehr erreicht hätten.

Wird es personelle Konsequenzen geben wie zum Beispiel in Bayern?

Suding: Das will ich nicht vorwegnehmen. Die Analyse, was schiefgelaufen ist, muss so gut und schonungslos sein, dass wir in der Zukunft bestehen können. Also zunächst bei den Wahlen zu den Bezirksversammlungen im Juni 2014. Da wollen wir in alle sieben Bezirksparlamente einziehen.

Wollen Sie nach dem gescheiterten Anlauf im Frühjahr ein zweites Mal versuchen, Landesvorsitzende zu werden?

Suding: Ich werde als Fraktionschefin nicht mehr für den Landesvorsitz kandidieren.

Wollen Sie die FDP in Hamburg eher als künftigen Partner der SPD positionieren oder eher an der Seite der CDU für eine Regierungswechsel sorgen?




Suding: Das Bundestagswahlergebnis lehrt: Anhängsel sein ist nicht unsere Aufgabe. Die FDP ist eine eigenständige liberale Kraft, und so wird die Bürgerschaftsfraktion auch wahrgenommen. Anfang September lagen wir in einer Umfrage bei über sieben Prozent.



Bleibt es denn bei Ihrer früheren Aussage, dass Sie sich eine Beteiligung am Scholz-Senat vorstellen können?

Suding: Aller Voraussicht nach wird die SPD 2015 nicht noch einmal die absolute Mehrheit holen. Wenn man uns dann fragt, würden wir grundsätzlich mit beiden großen Parteien über eine Koalition sprechen.

Vorausgesetzt, die FDP sitzt dann noch in der Bürgerschaft…

Suding: Dafür werden wir sorgen.