Die Kirche bringt sich selbst in Bedrängnis – und viele, die für Kirchensteuer streiten
Ich gehöre zu den Menschen, die die Kirchensteuer an sich und ihre sinnvolle Verwendung immer verteidigt haben. Ein Unterfangen, das nie ganz einfach war und das in den vergangenen Jahren immer schwieriger wurde. Um mich herum sind viele, Freunde, Bekannte, Kollegen, aus der Kirche ausgetreten – selten, weil sie nicht an Gott, sondern weil sie nicht an die Institution glaubten. Und daran, dass eben diese Institution das Geld, die Kirchensteuer, vernünftig ausgibt.
Ich habe keine Ahnung, an wie vielen Diskussionen zu diesem Thema ich mich beteiligt habe, aber eines weiß ich sicher: Ich habe die Kirche und ihre Funktion immer in Schutz genommen und versucht, meine Gesprächspartner davon zu überzeugen, dass die Zahlung von Kirchensteuer etwas ist, was sich lohnt. Und ich hatte tatsächlich keinen ernsthaften Zweifel daran.
Bis jetzt.
Seit bekannt ist, dass die Kirche aus, ich zitiere, „nicht verbrauchten Kirchensteuermitteln“ die Volksinitiative zum Rückkauf der Energienetze unterstützt, hat der Gesprächsbedarf über den Sinn dieser Abgabe deutlich zu-, die Durchschlagskraft meiner Argumente aber leider abgenommen. „Wir haben es dir doch immer gesagt“, erklären jetzt jene, von denen oben die Rede ist. Oder: „Glaubst du uns nun endlich, dass die Kirchensteuer nicht vernünftig ausgegeben wird?“
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Natürlich sind die 25.000 Euro, die der Kirchenkreis Hamburg-Ost der Initiative „Unser Hamburg – unser Netz“ als Bürgschaft zur Verfügung gestellt hat, keine gigantische Summe. Aber diese Zeilen hätten auch geschrieben werden müssen, wenn es nur 1000 oder 5000 Euro gewesen wären.
Dafür ist das Thema Kirchensteuer ein viel zu sensibles, dafür sehen viele Menschen zu genau hin, was mit ihrem Geld geschieht. Und, vor allem: Dafür gibt es einfach viel zu viele Menschen, bei denen zwischen Kirchenmitgliedschaft und Kirchenaustritt nicht viel legt. Wer ihnen einen Anlass gibt, und wirkt er noch so klein, den zweiten Weg zu gehen, handelt fahrlässig. Teile der evangelischen Kirche in Hamburg müssen sich diesen Vorwurf gefallen lassen.
Sie machen es allen, die an sie glauben, die für sie einstehen – ob jetzt aktiv in der Gemeinde oder „nur“ in Diskussionen mit anderen –, unglaublich schwer. Wie soll man jemandem auch erklären, dass Kirchensteuern allen Ernstes für ein Projekt ausgegeben werden, in dem es um Stromnetze geht? Warum, bitte schön, interessiert sich die Kirche dafür? Ob nun Rückkauf, Verkauf, wie auch immer: Was sollen Stromnetze, wie es offenbar einige Befürworter der Aktion sagen, mit der „Bewahrung der Schöpfung“ zu tun haben? Die Begründung erschließt sich zumindest nicht auf den ersten Blick, und sie ist offensichtlich auch in der Kirche selbst umstritten. Immerhin.
Es wäre jetzt Zeit für ein klares Wort, dass Stromnetze eben nicht, um es mal im Marketingdeutsch zu sagen, zum Markenkern der evangelischen Kirche gehören. Danach sollte man sich eindringlich damit beschäftigen, ob die Vergabe von Kirchensteuern in der aktuellen Form auch den aktuellen Herausforderungen der Organisation gerecht wird.
Klar ist, dass sich die Kirche keinen Gefallen damit tut, wenn sie ihr Tätigkeitsfeld zu sehr ausdehnt, wenn sie versucht, sich in Debatten einzumischen, in denen man sie qua Funktion und Kompetenz nicht erwartet. Schon gar nicht, wenn diese Einmischung mithilfe von Kirchensteuergeldern erfolgt.
Es bleibt die Frage, was man als überzeugter Kirchensteuerzahler jetzt all jenen erzählt, die einen dafür schon in der Vergangenheit müde belächelt haben. Leichter wird es nicht. Und das macht mich traurig.
Der Autor ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts