Nach einer neuen Entscheidung des Chefredakteurs Wolfgang Büchner soll Blome zwar das Hauptstadtbüro in Berlin leiten, aber nicht mehr stellvertretender Chefredakteur des Nachrichtenmagazins werden.

Hamburg. In den festgefahrenen Streit um den Wechsel des „Bild“-Vizes Nikolaus Blome zum Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ kommt Bewegung. Der künftige „Spiegel“-Chefredakteur Wolfgang Büchner will Blome (49) nicht mehr wie von ihm geplant zum stellvertretenden Chefredakteur machen. Stattdessen soll der bisherige „Bild“-Journalist lediglich Mitglied der Chefredaktion des „Spiegels“ werden. Diese neue Entscheidung von Büchner (47) bestätigte eine Verlagssprecherin am Mittwoch. Blome wird künftig das Hauptstadtbüro der Redaktion in Berlin leiten.

Über den vor einer Woche bekanntgewordenen Wechsel war im „Spiegel“ heftige Kritik laut geworden, die sich vor allem an der Stellvertreterrolle Blomes entzündete. Nach Angaben der Verlagssprecherin informierte Büchner die gegen Blome eingestellten Ressortleiter des Magazins am Mittwochmittag über den veränderten Titel. Am Nachmittag wollte der Mehrheitsgesellschafter des „Spiegel“, die Mitarbeiter KG, seine Teilhaber über den Stand der Dinge informieren.

Der bisherige dpa-Chefredakteur Büchner übernimmt seine neue Aufgabe als Chefredakteur von „Spiegel“ und „Spiegel Online“ am 1. September. Seine Stellvertreter sind Klaus Brinkbäumer und Martin Doerry, die die Redaktion seit April vorübergehend führten. Rüdiger Ditz verantwortet das Nachrichtenangebot im Internet.

Am Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ ist seit 2004 die Mitarbeiter KG mit 50,5 Prozent beteiligt, der Hamburger Zeitschriftenverlag Gruner+Jahr mit 25,5 Prozent und Erben des Verlagsgründers Rudolf Augstein mit 24 Prozent. Sie werden von dem Verleger der linken Wochenzeitung „Der Freitag“, Jakob Augstein, vertreten.

Die Mitarbeiter-KG des „Spiegel“ – ungewöhnliche Mitbestimmung

Es war im Dezember 1969, als „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein mit einem besonderen Angebot an seine Mitarbeiter herantrat. Er wolle ihnen „Teilhabe am Unternehmen und am Ergebnis des Unternehmens“ im Wege einer Schenkung zukommen lassen, sagte er bei einer Betriebsversammlung. Die Mitarbeiter waren überrascht, nicht alle waren begeistert. Linke im Haus sprachen von einer „kleinkapitalistischen Illusion“, ihnen wäre ein Redaktionsstatut lieber gewesen.

Einige Zeit später gründete die Belegschaft die „Kommanditgesellschaft Beteiligungsgesellschaft für Spiegel-Mitarbeiter mbH & Co.“, kurz Mitarbeiter KG. Zum 8. November 1974 übernahm die Gesellschaft dann knapp die Hälfte des Unternehmenskapitals. Heute besitzt sie 50,5 Prozent der Anteile und damit die Mehrheit – eine Konstruktion, die nach Verlagsangaben in Europa einzigartig ist. 25,5 Prozent liegen aktuell beim Hamburger Verlag Gruner + Jahr, 24 Prozent bei den Erben des 2002 verstorbenen Augstein. Im Streit um die Ernennung des „Bild“-Journalisten Nikolaus Blome zum stellvertretenden „Spiegel“-Chefredakteur rückt diese besondere Konstellation einmal mehr in den Fokus der Öffentlichkeit.

Mehr als 700 Beschäftigte sind derzeit in der KG organisiert. Nach drei Jahren Betriebszugehörigkeit können Mitarbeiter des „Spiegels“ der Gesellschaft beitreten. Das gilt allerdings nicht für Angestellte von Tochterfirmen wie „Spiegel Online“ oder Spiegel TV – ein Umstand, der im Verlag immer wieder für Zwist sorgt.

Die „Spiegel“-Mitarbeiter nehmen zusammen mit den anderen Gesellschaftern Eigentümerfunktionen wahr, außerdem stehen ihnen 50,5 Prozent des Gewinns zu. Allerdings fungieren sie nur als stille Teilhaber. Operative Mitspracherechte hat allein die Geschäftsführung der KG, die aus fünf Personen besteht und alle drei Jahre basisdemokratisch gewählt wird. Dabei müssen Redaktion und Verlag jeweils zwei Vertreter und die Dokumentationsabteilung einen Vertreter stellen.

Derzeit vertreten Gunther Latsch, Reporter im Deutschland-Ressort, und Marianne Wellershoff, leitende Redakteurin der Beilage „Kultur-Spiegel“, die Redaktion in der KG-Geschäftsführung. Für den Verlag sitzen Thomas Hass (Vertrieb) und Rainer Buss in dem Gremium. Die Dokumentation wird von Anne-Sophie Fröhlich vertreten. Sprecher der KG-Geschäftsführung ist Hass, sein Stellvertreter ist Latsch.

Die KG entscheidet „in allen wichtigen Fragen“ mit, etwa bei Investitionen oder der Besetzung von Führungspositionen. Dabei muss laut Gesellschaftervertrag eine Mehrheit von 76 Prozent unter den Eigentümern erreicht werden – was in der Praxis zu einem Einigungszwang zwischen Mitarbeiter KG und Gruner + Jahr führt. Die Augstein-Erben haben mit ihren 24 Prozent formell kein Mitspracherecht.

Die Macht der Mitarbeiter KG hat schon so mancher Chef zu spüren bekommen. So wurde die Absetzung des langjährigen Chefredakteurs Stefan Aust, der wegen seines Führungsstils in die Kritik geraten war, 2008 von der KG-Geschäftsführung eingeleitet. Umstritten ist allerdings, ob es ein Mitbestimmungsrecht auch für die Position des stellvertretenden Chefredakteurs gibt. Seit den 90er Jahren haben sowohl KG als auch „Spiegel“-Geschäftsführung eigene Gutachten zu dieser Frage in Auftrag gegeben – mit konträren Ergebnissen. Bisher, so heißt es, haben beide Seiten darauf verzichtet, die Frage von Gerichten klären zu lassen. Es habe immer „Agreements“ gegeben.

Im aktuellen Fall Blome gibt es nun widersprüchliche Darstellungen: Einerseits wird kolportiert, die Geschäftsführung der KG habe klar zu erkennen gegeben, dass sie den „Bild“-Journalisten Nikolaus Blome als stellvertretenden Chefredakteur ablehne. Geschäftsführer Ove Saffe und der designierte „Spiegel“-Chefredakteur Wolfgang Büchner beteuern dagegen, die Besetzung des Postens sei nach den Regeln des Hauses abgelaufen.

Für Mittwochnachmittag hatte die KG-Geschäftsführung zu einer Info-Veranstaltung eingeladen – wohl auch, um ein Stimmungsbild bei den Beschäftigten einzuholen. Ein Termin für eine offizielle außerordentliche Versammlung der stillen Teilhaber stand zunächst noch nicht fest.