Das Modelabel Musterbrand hilft Computerspielern, wie Helden in einem PC-Programm auszusehen. Auch Kleidung für Frauen ist geplant.

Hamburg. Der Trenchcoat von Knut Jochen Bergel wirkt auf den ersten Blick völlig unscheinbar. Schwarz und eng geschnitten ist er, die Oberfläche schimmert in einer matten Silikon-Baumwoll-Mischung. Das ungewöhnlichste sind noch die kleinen, dunklen Ringe, die von oben nach unten über den gesamten Stoff laufen.

Nur absoluten Fans dürfte auffallen, dass in exakt solch einem Mantel der Held des Computerspiels Deus Ex: Human Revolution durch eine düstere Zukunftswelt hetzt. Versehen mit unterschiedlichsten Bioimplantaten versucht er als Sicherheitschef eines Konzerns, die Hintergründe eines Anschlags auf das Unternehmen aufzuklären. Millionen von Gamern haben Deus Ex in den vergangenen Jahren gespielt und sind quasi mit der Hauptfigur verschmolzen.

„Der Wunsch vieler Spieler ist groß, das Erlebnis aus einem Game auch mit den normalen Alltag hinüberzunehmen“, sagt Bergel. „Dem tragen wir unseren Kollektionen Rechnung.“ In den schwarzen Mantel gehüllt und mit seinem markanten schwarzen Bart erscheint der Chef des Hamburger Modelabels Musterbrand selbst ein wenig wie die bullige Version des Deus Ex-Helden.

Bergel hat sich mit seiner im Jahr 2010 gegründeten Firma auf solche Kleidung für Computerspieler spezialisiert. In den weiß getünchten Räumen einer ehemaligen Hutfabrik am Holstenwall stehen Schaufensterpuppen, die Pullover, Sweatshirts oder Halstücher passend zum Rennspiel Gran Turismo, zum Abenteuer-Epos Uncharted oder dem Kampfspiel Street Fighter tragen.

Die meisten Stücke wirken dabei ähnlich dezent wie der Deus Ex-Mantel. „Wir entwickeln keine Kostüme, sondern legere Alltagskleidung, die von den Spielen inspiriert wurde“, erklärt Bergel den Anspruch seines Labels.

Entworfen werden Mäntel und Jacken in enger Abstimmung mit den großen Unternehmen der Computerspieleindustrie, die die Kreationen der Hamburger immer auch genehmigen müssen. Mit Argusaugen wachen die Konzerne darüber, dass ihre Marken nicht beschädigt werden. „Es hat viel Mühe und Überzeugungsarbeit gekostet, um mit den großen Studios überhaupt ins Geschäft zu kommen“, sagt Bergel.

Musterbrand-Designer Radek Sadowski, 33, hat gerade mehrere Wochen im kanadischen Montreal beim Entwicklerstudio Ubisoft verbracht, um dort die neue Kollektion zum Bestseller Assassin’s Creed abzustimmen. Der jüngste Titel der Serie, in der der Spieler in die Rolle eines einsamen Rächers schlüpft, ist in der Welt der Piraten angesiedelt, daher arbeitet der Designer bei der dazugehörigen Kleidung mit maritimen Farben wie dunkelblau und Accessoires wie kleinen, aufgesetzten Kordeln.

Bei einer früher entworfenen, groben Strickjacke weisen nur die charakteristische Kapuze, aufgesetzte Dreiecke und ein winziges Logo auf das dazugehörige Spiel hin. Wer einmal mit dem einsamen Rächer Altair durch das virtuelle Jerusalem oder Venedig gereist ist, versteht die Anspielung sofort – für alle anderen handelt es sich einfach nur um eine Jacke.

Nachfrage ist enorm

Die Nachfrage nach solchen Modellen ist nach den Worten von Musterbrand-Chef Bergel enorm. Von der Assassin’s Creed-Jacke hat die Firma binnen fünf Tagen 2000 Stück verkauft, beim Deus Ex-Mantel seien es bislang 4000 Stück gewesen. Und das, obwohl die in Asien, der Türkei und in Portugal gefertigten Artikel zwischen 120 und 190 Euro kosten.

Käufer sind Computerspieler aus der ganzen Welt. „Ein Assassin’s Creed-Fan aus Kalifornien hat uns über Monate hinweg immer wieder E-Mails geschrieben bis wir ihm auch dorthin eine Jacke geliefert haben“, erzählt Bergel. Erst kürzlich hat die Firma den Vertrieb auch auf Russland und Südamerika ausgeweitet.

Vertrieben werden die Kleidungsstücke bislang ausschließlich über das Internet. Mit klassischen Einzelhändlern und Warenhäusern ins Geschäft zu kommen, ist für Musterbrand hingegen schwierig. „Es gibt da gewisse Berührungsängste“, gibt Bergel offen zu. Dies hat auch damit zu tun, dass die bestverkauften Computerspiele, für die sich die Entwicklung einer eigenen Kollektion lohnt, nicht gerade zu den friedfertigsten gehören.

Titel wie Resident Evil, Metal Gear Solid oder Hitman, zu denen Musterbrand ebenfalls Kleidungsstücke entworfen hat, geizen nicht mit Gewaltdarstellungen. Das Jackett eines Auftragskillers wollen manche Händler lieber nicht in ihren Regalen liegen haben.

Unter anderem aus diesem Grund dürfte sich auch die Otto-Tochtergesellschaft Hermes International, die Musterbrand zusammen mit Chef Bergel im Jahr 2010 in New York aus der Taufe hob, aus der anfänglichen Partnerschaft zurückgezogen haben. Offiziell will sich Hermes dazu nicht äußern, bei Musterbrand heißt es dazu lediglich, die Strukturen der kleinen Firma und des großen Konzerns hätten nicht so recht zusammengepasst.

Musterbrand-Chef Bergel kann die Vorbehalte gegen manch ein Kleidungsstück des Unternehmens durchaus nachvollziehen, teilt sie aber nicht. „Mit der Fankultur der Computerspieler ist es ein wenig so wie mit der Rockmusik in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts“, sagt er. „Die galt am Anfang auch als wild und unangepasst und ist heute einfach Teil der normalen Alltagskultur.“

Gänzlich unproblematisch dürften in diesem Zusammenhang die neuen Kollektionen des Labels sein, die sich mit Motiven von Computerspielklassikern wie Pac Man oder dem Logo der legendären Firma Atari beschäftigen.

Und auch die weiblichen Spieler will Chef Bergel künftig mit eigenen Kleidungsstücken ansprechen. Da könnte dann auch etwas für Merreth Sönnichsen dabei sein, die als eine der wenigen Frauen bei Musterbrand arbeitet und als Bekleidungstechnikerin den Kontakt zu den Produzenten hält. Was sie sich wünschen würde? „Die Shorts von Lara Croft aus Tomb Raider – die sollten wir mal ins Programm aufnehmen.“