14.100 Hamburger Kinder werden eingeschult. Und das geht kaum ohne die prall gefüllte Schultüte. Der Brauch kommt ursprünglich aus Dresden. In Hoheluft-Ost gibt es eine besonders große Auswahl.
Hoheluft-Ost. Sie ist 70 Zentimeter groß, bunt und gefüllt mit Süßigkeiten: die Schultüte. Auf sie freuen sich in diesem Jahr laut Hamburger Schulbehörde rund 14.100 Erstklässler. Am ersten Schultag werden die Fünf- bis Sechsjährigen die Tüte in allen erdenklichen Farben – mit Mickey Mouse, Pferden, Fußballspielern oder Feen darauf – in den Händen halten. Und am liebsten noch mit dem eigenen Namen verziert. „Der Name auf der Schultüte ist ein Trend der letzten drei bis vier Jahre“, sagt Alexandra Schnitzmeier. Die 41-Jährige bastelt und verkauft seit mehr als zehn Jahren Schultüten in ihrem Schreibwarenladen „Papier und Stift“ in Hoheluft-Ost.
Ursprünglich kommt der Brauch, den es nun schon seit mehr als 150 Jahre in Deutschland gibt, aus Sachsen und Thüringen weiß der pensionierte Hamburger Lehrer Hans-Günter Löwe. Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sich der 70-Jährige mit dem Schulanfang und sammelt alles rund um den ersten Schultag. „Die Schultüte ist ein Brauch, der sich entwickelt“, sagt Löwe. Erste Erwähnungen einer „Zuckertüte“ habe es bereits Ende des 18. Jahrhunderts gegeben. Eltern hätten ihren Kindern den Schulbeginn „versüßen“ wollen. Doch die damalige Schultüte sei nicht mit jenen von heute zu vergleichen, war sie doch eher eine Kiosk-Tüte mit Gebäck.
1852 war in Dresden ein Kinderbuch erschienen, in dem die Geschichte des Zuckertütenbaums erzählt wird. In jeder Schule wachse ein Zuckertütenbaum, von dem der Lehrer den braven Schülern Süßigkeiten pflücken könne. Pädagoge Löwe vermutet, dass diese Geschichte in Sachsen sehr bekannt gewesen sein muss. In Hamburg und im Norden beschenkte jedoch zu dieser Zeit noch niemand die Kinder zur Einschulung.
Erste Produktion um Jahrhundertwende
Erst um 1900 habe die professionelle Produktion der Schultüte begonnen. Kartonagefabriken in Sachsen und Thüringen fertigten Tausende von Schultüten, und nach und nach breitete sich die Schultüte immer weiter aus. In Hamburg habe es die ersten Zuckertüten erst nach dem Ersten Weltkrieg gegeben. „Aber auch dann längst nicht für jeden. Das war immer eine Frage des Geldbeutels“, sagt Löwe. In Norddeutschland, vor allem in dörflichen Gegenden, sei der Brauch erst nach dem Zweiten Weltkrieg aufgekommen.
Bei den Motiven auf der Schultüte sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Viele Eltern ließen ihre Kinder entscheiden, so Schnitzmeier, die schon seit Mai Bestellungen entgegengenommen hat. In diesem Jahr seien bei den Jungs wieder Fußballer, bei den Mädchen weiß-silberne Pferde in Anlehnung an die Buchreihe „Sternenschweif“ gefragt. Bis zu drei Tage dauert die Anfertigung.