Die Staatsanwaltschaft hat schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Vorstand der HSH-Nordbank erhoben. Die sechs Angeklagten hüllen sich größtenteils in Schweigen.

Hamburg. Der Auftakt des HSH-Nordbank-Prozesses bot einen ersten Ausblick auf die Strategien von Staatsanwaltschaft und Verteidigung. Die sechs Angeklagten geben sich überwiegend schweigsam und wollen vor Gericht zu den Vorwürfen zunächst nicht Stellung nehmen. Vielleicht später. Ausnahme: Der ehemalige HSH-Vorstandsvorsitzende Hans Berger, der am Mittwoch zum Auftakt des Prozesses sichtlich mitgenommen und abgemagert wirkte, kündigte über seinen Anwalt für die nächste Verhandlung eine halbstündige Erklärung an. Die anderen schweigen und mauern.

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Marc Tully, der Vorsitzende Richter der 8. Großen Strafkammer des Hamburger Landgerichts, setzte so etwas wie Leitplanken zu Beginn des Prozesses. „Es wird die Möglichkeiten dieser Kammer ganz sicher sprengen, uns mit der Genese der Finanzmarktkrise befassen zu wollen“, sagte er. Das sei die Aufgabe von Ökonomen und Historikern. Doch auch mit dem angeklagten Geschäft „Omega 55“ betrete das Gericht juristisches Neuland. Hintergrund: Es gibt eine gefestigte Rechtsprechung zur sogenannten Kredit-Untreue, also wenn Banken leichtfertig oder ohne ordentliche Prüfung Kredite vergeben, die verloren gehen. Zu modernen Finanzinstrumenten und dem sogenannten Kredit-Ersatzgeschäft gibt es eine solche Rechtsprechung noch nicht.

Prozessschwächen, Fehlentwicklungen, Fehleinschätzungen

Auf den Tag genau lässt es sich nicht mehr festlegen, wann die Dinge begannen aus dem Ruder zu laufen. Schon vor ihrer Fusion zur HSH Nordbank 2003 hatten die Hamburgische Landesbank und die Landesbank Schleswig-Holstein begonnen, in sogenannte innovative Finanzprodukte zu investieren, statt einfach nur Schiffe, Immobilien oder Maschinen zu finanzieren. Die Eigentümer forderten mehr Gewinn, das Institut sollte an die Börse. Eigene Liquidität war für die öffentlichen Banken billig, so lange die Länder für die Wertpapiere der Landesbanken hafteten. Da waren hochverzinsliche Produkte als Anlage attraktiv, zumal sie von Ratingagenturen gut benotet wurden.

Nicht nur die HSH Nordbank, auch viele andere Banken kauften sich Papiere wie CDS (Credit Default Swaps), CDO (Collateralized Debt Obligations) oder MBS (Mortgage Backed Securities), meist von US-Finanzkonzernen. Die Banker aus dem Norden müssen irgendwann den Überblick verloren haben, welches Risiko sie in ihren Büchern hatten.

„In der HSH Nordbank gab es erhebliche Prozessschwächen, es gab Fehlentwicklungen und Fehleinschätzungen“, sagte schon vor längerer Zeit der Angeklagte Dirk Jens Nonnenmacher, der erst kurz vor „Omega 55“ zu der Bank gekommen war und erst später HSH Nordbank-Chef wurde. „Der Komplexität vieler Geschäfte stand keine entsprechende organisatorische, personelle und technische Ausstattung gegenüber. Als sich die Finanzmarktkrise zuspitzte, geriet die Bank auch deshalb in eine dramatische Schieflage.“

„Omage 55“ trotz großen Zeitdrucks

Das gilt nicht nur für die HSH Nordbank, aber ihr ehemaliger Vorstand steht jetzt als erste komplette Führungsriege vor Gericht. Im Dezember 2007 war der Umgang mit komplexen Finanzprodukten schon lange nichts besonderes mehr in der Bank. Der Vorstand winkte „Omega 55“ trotz großen Zeitdrucks und Bedenken bei den Fachleuten der Bank kurz vor Weihnachten durch. Der bis heute kaum durchschaubare Deal kostete die HSH Nordbank am Ende einen dreistelligen Millionenbetrag. „Ein Sinnbild für ein Geschäft, das sich wohl nur jemand ausdenken und für unkritisch halten konnte, der sein Finanzmarkt-Raumschiff seit Jahren nicht mehr verlassen hat“, kommentierte das „Hamburger Abendblatt“.

Juristisch ist dabei wichtig: Der HSH-Vorstand musste im Dezember 2007 nicht wissen, dass Lehman Brothers neun Monate später pleite sein würde. Oder dass isländische Staatsanleihen wertlos sind. Ob der Vorstand Untreue begangen hat, hängt von der ganz konkreten Ausgestaltung des „Omega 55“-Geschäfts ab. „Wir werden das sehr kleinteilig untersuchen“, kündigte Tully an. Und den ungeduldigen Bankmanagern, die stundenlange Ausführungen der Verteidiger zum Geschäftsplan der Hamburger Gerichte anhören mussten, kündigte er an: „In Ihrem früheren Berufsleben sind sie vielleicht schneller zu Entscheidungen gelangt, aber nun kommen wir zur Entschleunigung. Wir werden manchmal nur in einem Ameisentempo vorankommen.“