Hamburgs Justizsenatorin Jana Schiedek muss sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren
Das Amt des Justizsenators zählt zu den undankbarsten öffentlichen Aufgaben, die der Stadtstaat Hamburg zu vergeben hat. Die Chancen zur politischen Profilierung mit positiv besetzten Themen sind eher gering. Das liegt nicht zuletzt an der schwierigen Klientel. Aber wehe, wenn ein Gefangener ausbricht, dann ist der Ruf nach dem Rücktritt des zuständigen Senators häufig nicht weit. Im Grunde lässt sich die Erfolgsformel für Justizsenatoren, ähnlich wie beim Ressortkollegen des Inneren, knapp zusammenfassen: Keine Nachrichten sind hier gute Nachrichten.
Gleichwohl: Hamburgs junge Justizsenatorin Jana Schiedek hat in den ersten gut zwei Jahren ihrer Amtszeit aus den bescheidenen Möglichkeiten, die sich ihr bieten, viel gemacht. Die Sozialdemokratin, die auch für das Thema Gleichstellung zuständig ist, hat mit ihrem konsequenten Eintreten für eine feste Frauenquote in Aufsichtsräten von DAX-Unternehmen im Bundesrat eine Mehrheit gefunden und dabei auch CDU-geführte Länder überzeugt. Im Bundestag scheiterte die Quote nur knapp nach einem Machtwort von Kanzlerin Angela Merkel, die die Abweichlerinnen in der Union auf Linie brachte. Das Echo war so groß, dass Schiedek eine Zeit lang sogar als Kandidatin für das Justizressort im Schattenkabinett des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück gehandelt wurde.
Doch seit dem Wochenende ist für die Senatorin der Ernstfall des Strafvollzugs eingetreten. Die spektakuläre Flucht eines Mannes aus dem Untersuchungsgefängnis wirft eine Reihe unangenehmer Fragen für die Senatorin auf. Selbstverständlich ist kein Justizminister, keine Ministerin für einen Ausbruch persönlich verantwortlich. Aber die Politik setzt den Rahmen und muss auf die Einhaltung der Vorgaben achten. Wenn sich jetzt herausstellt, dass ein Teil der Außenmauer wegen Bauarbeiten nicht mit einem Stacheldraht geschützt war, dann leuchtet auch Laien ein, dass hier eine Sicherheitslücke vorliegt.
Politisch noch bedrohlicher ist für die Senatorin der marode bauliche Zustand des ältesten Flügels der Haftanstalt, aus dem der Gefangene entwich. Wenn die Angaben aus den Antworten des Senats auf Anfragen von Bürgerschaftsabgeordneten stimmen, dann sieht die mittelfristige Finanzplanung bis 2015 bislang keine Investitionen in die dringend erforderliche Grundinstandsetzung vor. Hier hätte die Senatorin längst reagieren müssen, weil schon vor sechs Jahren einem Häftling aus demselben Gebäude die Flucht gelungen war – mit derselben Methode. Löffel, Besenstiel und Tischbein reichen offensichtlich aus, um den Mörtel am vergitterten Fenster in kurzer Zeit zu lösen und Steine herauszubrechen – heute wie 2007. Da kann von sicherem Vollzug in der U-Haft keine Rede mehr sein.
Dass Schiedek nach der erneuten Flucht die Verlegung aller Gefangenen aus diesem Gebäudetrakt in andere Bereiche angeordnet hat, um weitere Ausbrüche zu verhindern, wirkt da wie ein Eingeständnis.
Der Strafvollzug ist die Achillesferse der Justizpolitik aus dem Hause Schiedek. Gefragt ist ein Konzept für die Haftanstalten aus einem Guss – auch angesichts vorhandener Überkapazitäten. Bislang fehlt es. Jana Schiedek hat gegen den Rat vieler Experten die Verlegung der Frauenhaftanstalt von der Elbinsel Hahnöfersand auf das Gelände des Männergefängnisses Billwerder durchgesetzt. Die erforderlichen Umbauten kosten Geld, das nun an anderer Stelle fehlt. Und die Anstalt Billwerder ist für sich ein Problemfall: Die schweren Übergriffe von Gefangenen auf einen Mithäftling müssen dringend aufgeklärt werden. Der hohe Krankenstand in Billwerder weist auf ein schlechtes Klima hin. Schiedek muss sich dringend auf ihre Kernaufgabe als Senatorin konzentrieren: die Gewährleistung eines sicheren Strafvollzugs.