Mit dem Surf Club Altona will Kim Birtel sozial benachteiligten Kindern das Surfen ermöglichen. Dafür organisierte er ein für die Kinder kostenloses Surfcamp in Dänemark.
Hamburg. Die kleine Naemi ist erst neun Jahre alt, trotzdem „ist sie schon eine relativ talentierte junge Frau“, sagt ihr Vater Kim Birtel. Naemi hat unter anderem einen Drachen und einen Roboterjungen gemalt, sie zieren die selbst entworfenen T-Shirts, die ihr Vater im Internet verkauft. Das Geld, das er damit einnimmt, kommt einem guten Zweck zugute: Kim Birtel ist Gründer des Surf Club Altona, mit dem er gerade ein zweiwöchiges Surfcamp in Dänemark organisiert hat. Für Kinder, deren Eltern ihren Kindern keinen Urlaub finanzieren können.
Er sei immer noch „total geflasht“, erzählt Birtel, seine Stimme ist laut und kraftvoll. „Das war eine lebensverändernde Zeit für mich.“ Im Sommer vorigen Jahres begann der 44-Jährige, die Idee rund um den Surf Club Altona zu entwickeln. Birtel selber surft, seitdem er 16 ist, angefangen hat er in St. Peter Ording, von dort zog er weiter an die Strände dieser Welt. „Durch das Surfen habe ich wahnsinnig viel über Freundschaft und Verantwortung gelernt. Das hat mir auch viel Selbstvertrauen gegeben“, sagt Birtel.
Sein Projekt richtet sich in erster Linie an Kinder aus schwierigen sozialen Verhältnissen. „Es gibt viele Menschen, die kämpfen müssen, um einen gewissen Lebensstandard herstellen zu können, da bleiben Kinder häufig auf der Strecke“, sagt Birtel. Genau diesen Kindern wollte er helfen. In seinem Bekanntenkreis erhielt die Idee viel Zuspruch, und so kam das Camp tatsächlich zustande: Zwei Wochen lang fuhr er mit zehn Hamburger Kindern an die dänische Küste.
Was ohne die Unterstützung vieler Freunde und Bekannte nicht geklappt hätte. Eine Kung-Fu-Lehrerin reiste zum Beispiel mit und gab den Kindern Unterricht in Selbstverteidigung. Ein Koch aus seinem Freundeskreis kümmerte sich um die Verpflegung. Alle halfen freiwillig mit und opferten ihren Urlaub, um dabei zu sein. „Toll, wie engagiert alle waren“, sagt Birtel. Ich habe bei unseren Helfern ein sehr intaktes soziales Gefüge über alle gesellschaftlichen Strukturen hinweg erlebt.“
Dieses intakte Gefüge haben einige der Kinder vor allem zu Hause nicht. „Viele hatten schweres Gepäck dabei“, sagt Birtel und meint damit nicht die großen Koffer für zwei Wochen Dänemark. Jeder brachte seine eigene, mitunter tragische Geschichte mit an die Nordsee. Ein Junge leidet an ADHS und muss täglich Ritalin einnehmen. Mit ihm arbeitete in Dänemark ein Meditationstrainer und half ihm damit so sehr, dass er auch über den Trip hinaus mit dem Jungen weiterarbeiten will. Ein Mädchen, gerade mal acht Jahre alt, hat schon drei Pflegefamilien durchlebt, ein anderer Junge hat im vergangenen Jahr seinen Vater verloren, wieder ein anderer hatte Aggressionsprobleme.
Statt sie zu maßregeln, ließ Birtel den Kindern viel Freiraum zur Selbstentfaltung. „Die Kinder haben eine große soziale Intelligenz entwickelt und sind wirklich über sich hinausgewachsen.“ Viele Kinder müssten zu Hause „funktionieren“, doch während des Surfcamps bekam Birtel die Möglichkeit, sich nicht nur oberflächlich mit ihnen zu beschäftigen. Er tauchte in ihre Persönlichkeiten ein. „Es ist berührend, wenn sich die Kinder emotional öffnen“, erzählt Birtel, der auch den Eltern dankbar ist, dass sie ihm ihre Kinder bedenkenlos anvertraut haben. Die meisten von ihnen kannte er aus dem Umfeld seiner Tochter.
Neben dem reinen Wellenreiten lernten sie viel über sich selbst und das Leben an sich – auch über das Surfen selbst. „Die Kraft des Meeres ist nicht zu kontrollieren, man muss es lesen und mit der Strömung leben. Das ist auch eine gute Metapher fürs Leben“, glaubt Birtel. So ginge es darum, Grenzen zu akzeptieren, sich selbst zu vertrauen und so die individuelle Welle des Lebens zu reiten.
Da das Projekt so erfolgreich war, will Birtel es fortführen. Mindestens einmal im Jahr soll das Camp in Zukunft stattfinden, dazu sind regelmäßige Treffen und Wochenendausflüge nach Sylt geplant. Bei der Finanzierung ist Birtel bisher fast ausschließlich auf Spenden angewiesen – sowie auf die T-Shirt-Erlöse aus seinem Onlineshop. Neben Geldbeträgen wurden auch Surfboards und Neoprenanzüge gespendet. Obwohl der Zuspruch hoch war, musste Kim Birtel am Ende noch fast 3000 Euro selbst hinzuzahlen. Doch das stört den 44-Jährigen wenig: „Es klingt kitschig, aber wenn ein strahlendes Kind auf einem Surfboard steht, dann ist das mit Geld nur schwer aufzuwiegen.“
Er selbst brauche keine Statussymbole, bekräftigt Birtel und lacht, in diesem Lachen liegt sehr viel Glück. Mit dem Winterurlaub im Warmen könnte es in diesem Jahr schwierig werden, gibt er zu. Aber zur Not hat er ja aber immer noch eine talentierte Jungdesignerin in der Familie.