Eine interner Bericht belegt: Die Fehlzeiten in den Hamburger Justizvollzugsanstalten, 2011 auf Rekordstand, sinken zwar, sind aber immer noch sehr hoch. Im Frauenknast Hahnöfersand steigen sie sogar.

Hamburg. Am Anfang stand eine erschreckende Zahl: 17 Prozent. So hoch war Anfang 2011 in Hamburg der Krankenstand bei den Angestellten im Vollzugsdienst (AVD). Von den 1084 Stellen in den sechs Hamburger Gefängnissen waren also mehr als 180 krankheitsbedingt nicht besetzt. In der größten Anstalt in Billwerder war sogar mehr als jeder Fünfte (22,3 Prozent) der knapp 300 Mitarbeiter krank. Zum Vergleich: Bundesweit betrug der Krankenstand von Arbeitnehmern 2011 gerade mal 3,8 Prozent, in der Hamburger Verwaltung 7,7 Prozent. Hinzu kam ein niederschmetternder Befund: „Insgesamt sind die AVD-Bediensteten ... als eine hochgradig belastete und im bio-psycho-sozialem Sinne gefährdete Population anzusehen, deren Arbeitsbedingungen in mehrfacher Hinsicht nachhaltig verbesserungsbedürftig sind.“

So stand es in einem Gutachten, das der CDU-geführte Senat noch kurz vor seiner Abwahl in Auftrag gegeben hatte und dessen Ergebnisse dann dem neuen SPD-Senat im Frühjahr 2012 vorlagen. Als Gründe für die hohen Krankenstände wurden unter anderem mangelnde Führung, zu wenig Verantwortung und Wertschätzung sowie geringe Beförderungschancen angegeben.

Die Justizbehörde hatte daraufhin ein „Projekt“ unter der Leitung von Justizstaatsrat Ralf Kleindiek (SPD) eingerichtet: In jeder Justizvollzugsanstalt (JVA) sowie in der Untersuchungshaftanstalt und der Sozialtherapeutischen Anstalt musste ein Team gebildet werden, das die Gründe für die Misere sucht und Lösungen aufzeigt. Mittlerweile sind die ersten Zwischenberichte fertig – und liegen dem Abendblatt vor: Sie geben zwar keinen Anlass für Entwarnung, machen aber etwas Hoffnung. Demnach ist die Fehlzeitenquote bei den Vollzugsbediensteten von einst 17 auf 14,3 Prozent in den ersten drei Monaten 2013 gesunken. Rechnet man auch die Verwaltungsmitarbeiter hinzu, die nicht direkt im Vollzug arbeiten, sank die Quote von 16 Prozent Anfang 2011 auf 13,1 in diesem Jahr. „Insgesamt ist die Entwicklung erfreulich, denn wir haben den Trend nicht nur gestoppt, sondern umgekehrt“, sagte Kleindiek.

Allerdings ist die Entwicklung höchst unterschiedlich. So konnte Billwerder als größtes Sorgenkind den Anteil der kranken Vollzugsbediensteten zwar von mehr als 22 auf 15,6 Prozent senken. Auch Fuhlsbüttel als zweite große Haftanstalt meldet für das erste Quartal einen Rückgang von einst 17 auf 13,4 Prozent. Doch es gibt auch negative Entwicklungen. So wies die kleine JVA Glasmoor mit ihren knapp 50 AVD-Stellen nach einem Rückgang von 2011 auf 2012 in diesem Jahr wieder steigende Fehlzeiten auf (12,6 Prozent).

Massive Probleme gibt es auch auf Hahnöfersand. Kurz nachdem Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) im Oktober 2011 ihre Pläne vorgestellt hatte, die Frauenhaftanstalt auf der Elbinsel zu schließen und nach Billwerder zu verlegen – gegen den Widerstand der Opposition und auch aus der JVA selbst –, schnellte der Krankenstand nach oben: von bis dahin rund zwölf auf 18,9 Prozent im Dezember 2011. Im Jahresmittel stieg die Quote von 12,7 in 2011 auf zuletzt 15,2 Prozent – damit ist Hahnöfersand die einzige JVA mit stetig steigendem Krankenstand. Auch aus dem Projektbericht geht hervor, dass es im Frauenknast knirscht. Dort konnte sich das interne Projektteam anfangs nicht einmal darauf verständigen, worüber gesprochen werden soll. Führungskultur? Oder doch Beförderungschancen, wie die Mitarbeiter es sich wünschten?

Für Farid Müller (Grüne), Vorsitzender des Justizausschusses der Bürgerschaft, ist die Unzufriedenheit gerade in dieser JVA keine Überraschung. „In der vor der Schließung stehenden Frauen-JVA Hahnöfersand steigen die Krankheitsmeldungen auf Rekordhöhe, ohne dass der SPD-Senat dafür eine Erklärung hat“, kritisiert er. „Auch insgesamt bleibt die Personalsituation im Hamburger Strafvollzug mit 15Prozent Krankmeldungen weiter desolat, allein mit Arbeitsgruppen kann die Senatorin die Probleme nicht wegmoderieren.“

Auf die große Unzufriedenheit der Vollzugsbediensteten beim Thema Besoldung und Aufstieg reagiert die Behörde mit einer neuen Zulage von etwa 40 bis 50 Euro. Zusammen mit der Tariferhöhung könne ein A7-Bediensteter (verheiratet, ein Kind) etwa 130 Euro mehr verdienen (bei 20 Jahren Berufserfahrung etwa 2920 Euro netto). Außerdem sollen mehr Beschäftigte von A7 nach A8 oder A9 befördert werden, dann gibt es bis zu 3249 Euro.

Dem Phänomen „Krankfeiern“ will der Senat ein neues Fehlzeitenkonzept entgegensetzen. Nach 75 Tagen durchgehender Erkrankung erfolgt eine Meldung an die Behörde, dann setzt ein fester Prozess ein. An dessen Ende kann die Wiedereingliederung in den Job, die Vermittlung auf einen anderen Platz in der Verwaltung oder die Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand stehen. 2012 kam dieses letzte Mittel in 20 Fällen zum Tragen – ein stolzer Wert bei gut 1000 Stellen. „Wenn jemand krank ist, ist er krank, und wir bemühen uns, ihm schnellstmöglich zu helfen“, sagt Kleindiek. „Die Botschaft des neuen Konzepts lautet aber auch: Mit Krankfeiern kommt niemand mehr durch.“