Es ist ein öffentlich ausgetragener Familienstreit, und es geht um die Zukunft des Traditionsunternehmens: In dieser Woche müssen sich die zerstritten Gesellschafter einigen. Doch was, wenn nicht?
Stellingen/Neustadt. Der neue Elefantenbulle Gajendra beglückt die Damen seiner Umgebung, Katta-Weibchen Dicke kuschelt mit ihren Zwillingsbabys, und die neu eingetroffenen Minischweine Frederick und Rosalie haben eigentlich nur zwei Dinge im Sinn: fressen und schmusen. Liebe und Eintracht allüberall im Tierpark Hagenbeck. Nur nicht in der Chefetage. Dort stehen in dieser Woche gleich zwei Gerichtsentscheidungen an, die die Zukunft des Traditionsunternehmens stark beeinflussen werden. Und eines ist jetzt schon klar: In dem ebenso erbittert wie öffentlich ausgetragenen Familienstreit ist auch in den vergangenen Wochen keine Friedenspfeife geraucht worden.
Rückblick: Am 17. Mai hatte es einen Paukenschlag gegeben. Karsten Nevermann, Richter am Landgericht, hatte beide Geschäftsführer ihrer Posten enthoben. Vier Wochen Zeit blieben Claus Hagenbeck und Joachim Weinlig-Hagenbeck daraufhin, um Nachfolger für sich selbst zu installieren, Berufung einzulegen oder sich doch noch einvernehmlich zu einigen. Diese Frist endet am Donnerstag, dann wird das Urteil rechtskräftig. Bisher ist noch nichts entschieden – doch es scheint auf den Gang in die Berufung hinauszulaufen. Das bedeutet, dass monatelang weitergestritten würde.
Dass es in dem seit mehr als einem Jahr ausgetragenen Familienzwist zu keiner Annäherung gekommen ist, offenbarte sich auch beim jüngsten Gerichtstermin, bei dem in einer vermeintlichen Nebensache verhandelt wurde. Der Hintergrund: Seit etwa anderthalb Jahren bindet Claus Hagenbeck seinen Freund und Berater Dirk Albrecht in die Leitung des Tierparks mit ein. In dieser Zeit, so der Vorwurf der Rechtsanwälte von Joachim Weinlig-Hagenbeck, sei es zu „einer gezielten Ausweitung der Tätigkeit“ Albrechts gekommen. Zunächst nur als Berater im Hintergrund, trete dieser inzwischen „als Generalbevollmächtigter und Zweitgeschäftsführer“ auf. Er führe Gespräche mit Wirtschaftsprüfern, einer Werbeagentur und dem Betriebsrat und sollte auf den Wunsch von Claus Hagenbeck auch an Budgetbesprechungen teilnehmen. Damit sei, so Weinlig-Hagenbeck, „die rote Linie überschritten“.
Seit April liegen dringliche Entscheidungen auf Eis
Was kein Besucher mitbekommt: Die Einbindung Dirk Albrechts macht das Unternehmen Hagenbeck seit Wochen handlungsunfähig. Denn weil sich Joachim Weinlig-Hagenbeck weigert, Dirk Albrecht zu wichtigen Terminen zuzulassen, weigert sich Claus Hagenbeck zu kommen. Seit April gab es kein Treffen der beiden Gesellschafter mehr. Zahlreiche dringliche Entscheidungen liegen auf Eis. Deshalb beantragte Joachim Weinlig-Hagenbeck nun per einstweiliger Verfügung den Stopp für Dirk Albrecht.
Die Anwälte der Gegenseite konterten schnell. Wie sei es zu erklären, dass Dirk Albrecht erst mehrfach zu Gesprächen getroffen wurde, nun aber kategorisch abgelehnt wird? Und warum könne es eigentlich niemand aus dem Umfeld von Claus Hagenbeck, gemeint sind seine Tochter Bettina, ihr Mann Stephan Hering-Hagenbeck und Dirk Albrecht, dem für Wirtschaft und Finanzen zuständigen Geschäftsführer recht machen? Da konnte der (im Gegensatz zu Claus Hagenbeck) anwesende Joachim Weinlig-Hagenbeck nicht mehr ruhig bleiben: „Ich habe überhaupt nichts gegen Bettina und auch nichts gegen Herrn Hering-Hagenbeck. Im Gegenteil, Bettina ist die Zukunft des Unternehmens. Aber ich kann mich doch nicht den ganzen Tag gegen eine Dreierspitze wehren, die meinen Geschäftsbereich lahmlegen will.“ Und auch zu den Gesprächen mit Dirk Albrecht gebe es eine Erklärung.
Man habe sich an fünf Terminen „nicht freudig, sondern notgedrungen“ mit ihm getroffen, um sich über ihn mit Claus Hagenbeck verständigen zu können. Denn seit dieser im März 2012 den Geschäftsführerposten von seinem Schwiegersohn übernahm, herrscht so gut wie Funkstille zwischen den Geschäftsführern. In dieser Zeit scheiterten zwei Mediationsversuche, kaum dass sie begonnen hatten. Rote Linie überschritten, essenzielle Gefahr, Diskreditierung von Personen – Richter Nevermann sagte, man könne „keine Schuldzuweisungen brauchen“ und regte an, Albrecht in die zweite Reihe treten zu lassen. „Da ist er doch schon“, sagten die Anwälte von Claus Hagenbeck. „Dann vielleicht in die dritte Reihe?“, antwortete der Richter und rang weiter beharrlich um eine einvernehmliche Lösung. Joachim Weinlig-Hagenbeck nickte: „Was wir brauchen, sind Gespräche.“ Nevermanns Kompromissvorschlag: Albrecht bleibt Berater, darf aber nicht an Mitarbeitergesprächen oder Gesellschafterversammlungen teilnehmen. Weinlig-Hagenbeck akzeptierte, Claus Hagenbeck muss sich bis Mittwoch entscheiden. Lehnt er ab, wird der Richter ein Urteil fällen.
Geht es Richtung Kompromiss oder Konfrontation?
Dirk Albrecht hat in der Sportszene durchaus einen Namen, er war in den 80er-Jahren Chef der HSV-Marketing GmbH, bevor er von HSV-Präsident Ernst Naumann fristlos entlassen wurde. Mit Claus Hagenbeck war er auch im Vorstand des Golfclubs Gut Waldhof e.V., beide scheiterten 2008 mit ihren Bemühungen, den in die Insolvenz gegangenen Betrieb zu übernehmen. Heute betreibt Albrecht die TA&P Team Dr. Albrecht & Partner Marketingstrategien + Services. Vom Abendblatt zur Causa Hagenbeck befragt, sagte er: „Ich möchte mich zu dem schwebenden Verfahren nicht äußern.“
In dieser Woche wird es so oder so zu Weichenstellungen kommen. Ob die beiden Hagenbeck-Familienzweige doch noch das Gleis Richtung Kompromiss oder jenes Richtung Konfrontation wählen, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar.