Gastwirt Marco Scheffler bringt seine Nachbarn dazu, sich im Stadtteil zu engagieren - abseits von Parteipolitik. Jetzt will er für Eimsbüttel nach Berlin.
Eimsbüttel. Politik gehört eigentlich nicht an den Tresen einer Bar. Das ist so ein ungeschriebenes Gastronomengesetz. Marco Scheffler aus Eimsbüttel bricht diese Regel jeden Abend. Der Wirt der Null-Vier-Null-Bar an der Methfesselstraße und zwei weiteren Bars, engagiert sich mit nachbarschaftlichen und politischen Aktionen im Stadtteil. Und er will noch mehr, er will das ganz Große: Er kandidiert für die Bundestagswahl.
Wichtig ist ihm politisches Engagement, abseits jeglicher Parteipolitik. "Die Leute müssen erkennen, dass es auch andere Wege gibt", sagt er. Der Vater von zwei Kindern wusste selbst irgendwann gar nicht mehr, welche Partei er überhaupt noch wählen soll. "Alle versprechen viel, doch es passiert nur wenig", sagt er. Volksvertreter seien Politiker schon lange nicht mehr.
Wie schon 2009 hat sich der 46-Jährige auch jetzt wieder als Direktkandidat der Initiative "Mensch macht Politik" für den Wahlkreis 20 Eimsbüttel aufstellen lassen. 200 Unterstützungsunterschriften von Wahlberechtigten aus dem Wahlkreis benötigt er, 230 hat er bereits. Flugblätter mit seinem Porträt und dem Wahlkampfslogan "Gemeinsam verantwortlich füreinander" sind gedruckt.
Auf dem Foto sieht er aus wie ein Versicherungskaufmann. Das macht nichts, denn das hat der Gastronom ursprünglich auch gelernt. Das ist lange her und kaum noch vorstellbar, so wie er jetzt mit seinen langen Haaren und der Zigarette in der Hand hinterm Tresen steht. Einen Bundestagskandidaten stellt man sich anders vor - angepasster, ordentlich mit Hemd - langweiliger eben. Als Gastronom, sagt er, sei er nah an den Menschen dran, hört viel von den Sorgen und Problemen. Er ist überzeugt, dass die Leute die Dinge durchaus gestalten wollen: "Es gibt keine Politik-, sondern eine Parteienverdrossenheit. Die Menschen sind politisch, haben Meinungen, aber sie sehen sich nicht gut vertreten." Und weil es leichter ist, die Dinge im Kleinen zu verändern, gründete Scheffler vor einem Jahr den Eimsbütteler Salon. Dort sitzt er mit neun weiteren Mitstreitern alle zwei Wochen in seiner Magdschänke zusammen, um Ideen und Projekte auszutüfteln, die alle etwas mit Mitmachen, Teilhaben und Veränderung zu tun haben. Die Wechselstube hat der Eimsbütteler Salon zum Beispiel initiiert: Dort können gebrauchte Gegenstände abgegeben und mitgenommen werden. Zurzeit sucht er nach einem neuen Standort für die Stube. Gespräche mit dem Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke, SPD, liefen.
Bei der "Götterspeise" in Kooperation mit einer Edeka-Filiale tragen der Salon und etliche Helfer jeden Abend fünf bis 15 Kisten mit Lebensmitteln heraus, aus denen sich jeder bedienen kann. Die Lebensmittel würden sonst im Müll landen, weil die Erdbeeren mal eine Delle haben oder das Mindesthaltbarkeitsdatum des Joghurts abgelaufen ist. Klar sei das Wahlkampf, aber eben nicht nur. Immer geht es um konkrete Projekte, die etwas verändern: "Wir setzen damit ein weiteres Zeichen für nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen", sagt Scheffler. Ansonsten setzt er sich für ein Grundeinkommen ein, für sozialverträgliche Mieten und ein würdevolles Altern ohne Altersarmut.
Sein Eimsbütteler Salon will zeigen, dass sich Engagement lohnt. "Mir geht es gar nicht um die hohe Politik", sagt Gwenn Mabileau, 30, vom Salon, "sondern um die Aktionen im Stadtteil. Schichtübergreifend können wir so Distanz abbauen", sagt der Industriemechaniker, der zurzeit arbeitslos ist. Astrid Pehmpfling, 36, Filialleiterin im Einzelhandel, ist ebenfalls dabei. "Es macht Spaß zu helfen und zu sehen, dass es anderen Freude macht."
Im Moment hungert Marco Scheffler gerade aus Protest gegen Hartz-IV-Kürzungen. So weit geht seine politische Leidenschaft, und das habe auch schon manchen Gast aus seinen Bars vertrieben. "Das macht aber nichts."