Otto Waalkes studierte Malerei, ehe er mit seinen Blödeleien Erfolg hatte. Nun kehrt er zurück zu seinen Wurzeln – mit einer ersten Ausstellung. Ein Interview mit dem 64-jährigen Starkomiker.

Er ist 64 Jahre alt – und kein bisschen leise. Obwohl seine neueste Beschäftigung sprachlos macht: Starkomiker Otto Waalkes malt. Ein Gespräch über Spucknäpfe, Heino marschierend auf einer Brücke und zukünftige Ex-Frauen.

Hamburger Abendblatt:

Lieber Otto, weißt du noch Anfang der 70er-Jahre? Ich war damals Radiomoderator bei NDR 2, und wir beide lebten mit vielen Mitbegründern der damaligen „Hamburger Szene“ wie Udo Lindenberg, Marius Müller-Westernhagen, Willem F. Dincklage und Gottfried Böttger in einer Wohngemeinschaft …

Otto Waalkes:

… Ich weiß noch, du hast direkt unterm Dach der legendären Villa Kunterbunt im Rondeel in Winterhude gewohnt. Mein Zimmer war ein Stockwerk tiefer und hatte eine italienische Note, was hauptsächlich an den Tomatensoßenflecken auf dem Fußboden und den Chiantiflaschenkerzen lag …

Und schon damals hast du überall Ottifanten auf die Tapeten gemalt.

Ich war 20 Jahre alt und noch Kunststudent an der Hochschule für Bildende Künste Lerchenfeld. Um mein Studium zu finanzieren, habe ich Musik in den Clubs gemacht. Die Zeichnerei und Malerei hat mich nie losgelassen, bis heute!

Davon konnte man sich erst kürzlich in deiner Ausstellung in der Galerie „Udo Lindenberg & More“ in der Europa-Passage überzeugen.

Meine eigenen Gemälde in einer Galerie hängen zu sehen, das war für mich schon ein wenig merkwürdig. Und bei der Eröffnung war ich ziemlich aufgeregt. Fast wie vor meinem ersten Auftritt. Das ist ja ein ganz anderes Klientel als bei meinen Bühnenauftritten, Kunstkenner, die meine Werke kritisch betrachten und sie analysieren: Nun malt der auch noch! Wer hätte das gedacht?

Durch alle Gemälde zieht sich das Motiv der besagten Ottifanten aus deiner frühen Schaffensperiode. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie sind die eigentlich entstanden?

Ich habe damals versucht, ein Selbstporträt zu zeichnen. Das ist mir nur stellenweise gelungen: die Nase zu lang, die Ohren zu groß. Da habe ich die Nase einfach noch länger gezeichnet – als Rüssel, und die Ohren noch größer, darunter vier kleine, dicke Beinchen, Schwänzchen hinten dran und fertig war mein Elefant: die Geburt des Ottifanten …

Ich hätte dir seinerzeit gleich sagen können, dass so ein Selbstporträt in die Hose gehen würde …

Wieso?

Na ja, bei deinem Gesicht….

Damals war ich faltenfrei! Die heutigen Faltenwürfe wären viel anspruchsvoller.

Nach meinen Informationen waren alle ausgestellten 60 Originalgemälde deiner Ausstellung sofort verkauft. Das ist sensationell, oder?

Davon habe ich auch gehört. Ich muss gleich mal gucken, was da noch hängt. Ich war jetzt längere Zeit nicht dort.

Was muss man denn für einen echten „Otto“ bezahlen?

Sie sind unbezahlbar. Ich kann sie mir jedenfalls nicht leisten …

Wie ernst möchtest du eigentlich mit deiner Malerei genommen werden?

Ich will gar nicht ernst genommen werden. Das ist nicht meine Stärke. Mir reicht’s, wenn man mich als Maler akzeptiert. Und es freut mich, wenn man sich über meine Bilder amüsiert. Ich erwarte natürlich keine lauten Lacher, nur ein leises Schmunzeln und einen stummen Griff zur Brieftasche. Es ist wie auf der Bühne: Ich übertrage mein eigenes Vergnügen aufs Publikum. Wenn es gelingt, ist das für mich das größte Kompliment.

Wie würdest du deine Maltechnik beschreiben?

Egalité! Liberté! Ostfriesentee!

Aha – und was heißt das?

Egalité heißt: Die Technik ist mir egal. Liberté: Ich male lieber im freien Stil. Und Ostfriesentee: Als geborener Ostfriese ist Tee für mich ein Grundnahrungsmittel. Darum habe ich mein Lieblingsgetränk als Malgrund verwendet. Ich habe meine Badewanne mit kochendem Wasser gefüllt und so lange Ostfriesentee zugeschüttet, bis der gewünschte Sättigungsgrad erreicht ist. Danach habe ich mein Zeichenpapier durch die Teebrühe gezogen, bis es jenen kostbaren Braunton zeigte, der für Ostfriesentee und altmeisterliche Zeichnungen charakteristisch ist.

Beeindruckend! Aber meine Mama hat mir immer gesagt: mit Lebensmitteln spielt man nicht!

…meine Mama auch!

Und

Das ist doch kein echter Tee. Das ist ein sogenannter Malertee.

Ach so. Und was ist das bitte?

Ein Abfallprodukt, das normalerweise weggeworfen wird, gewonnen aus Tee-Rückständen, die von den Teeprüfern in meiner Geburtsstadt Emden ausgespuckt und entsorgt werden …

Hm, lecker! Und was passiert dann?

Die Teespucknäpfe habe ich gesammelt, denn nur deren Inhalt ergibt diese prachtvolle sattbraune Farbe.

Hast du während deiner Schaffensphase eine Muse gehabt?

Eine Muse? Wo gibt’s die? Im Museum?

Mensch Otto, alle großen Maler der Vergangenheit hatten doch eine Muse. Salvador Dali zum Beispiel Amanda Lear …

Ach so, eine Schmuse-Muse! Jetzt verstehe ich. Ich dachte schon, ich müsste zum Arzt.

In deinem Leben waren bestimmt in erster Linie Frauen eine Muse?

Hm, ja, weibliche Musen haben mich immer angezogen, auch ausgezogen. Eva, meine zweite Ex-Ehefrau war eine tolle Muse. Die hat mich oft geküsst. Leider konnte ich sie nie zeichnen, denn sie konnte nicht still sitzen. Und meine erste Ex-Gattin, Manou, die hat mich auch sehr positiv beeinflusst, was meine Musik und Kompositionen angeht. Mal sehen, was meine zukünftige Ex noch für Talente zum Vorschein bringt.

Auch Udo Lindenberg hat dich geküsst?

Ja! Er war meine Allzweck-Muse. Wir haben ja viel Musik zusammen gemacht, und gezeichnet hat Udo auch immer schon. Natürlich sind seine Likörelle mein großes Vorbild. Diese zarte Grundierung von Absinthgrün bis Kornblau, und wie diese Bilder duften! Das reicht schon, um sich leicht beschwipst zu fühlen. Meine Bilder sind dagegen etwas realistischer, gesünder und – garantiert jugendfrei.

Als Vorlage deiner Werke mussten auch bekannte Maler dran glauben: Leonardo da Vinci, Michelangelo, Rembrandt, Monet oder Edvard Munch …

… mit „Der Schrei“. Bei mir hat die Figur allerdings Grund zum Schreien. Auf der Brücke marschiert aus dem Hintergrund Heino ein. Das sind so kleine Orientierungshilfen, leichte Parodien wie die auf Franz Marc, der als Mitbegründer der Vereinigung „Blaue Reiter“ natürlich einen „Turm der blauen Pferde“ vorgelegt hat, aus dem ich den Turm der blauen Ottifanten gemacht habe. Das war für mich sehr reizvoll. Man lernt ganz nebenbei, sich der Technik der alten Meister zu bedienen. Die Frage ist natürlich: Wie viel Komik verträgt die Kunst?

Mich interessiert eher, ob die Erben der besagten alten Meister schon angerufen haben, die Ur-ur-ur-ur-Enkel also, weil du ihre Werke veräppelst.

Damit gab es noch keine Probleme. Parodie ist schließlich eine Form der Hochachtung. Wie oft ist zum Beispiel die Mona Lisa durch den Kakao, beziehungsweise den Tee gezogen worden? Oder Albrecht Dürers „Knetende Hände“ …

Wie ordnest du dich als Maler in die heutige Kunstgeschichte ein?

Keine Ahnung. Ich dachte immer, das machen dann die Kunstgeschichtler? Wenn es zu einer Fußnote reichen sollte – ich wäre höchst zufrieden!

Bist du ein künstlerischer Komiker oder ein komischer Künstler?

Schwierig! Ich versuche die Kunst etwas komisch und die Komik etwas kunstvoll aussehen zu lassen.

Die Malerei ist ja so etwas wie eine Rückkehr zu deinen Wurzeln. Schließt sich für dich damit ein Kreis?

Nein, es öffnet sich ein Tor. Was sage ich da: eine Tour! Im September geht’s mit einem neuen Programm wieder auf Deutschland-Tournee. Im Frühjahr 2014 stehen 50 Termine an, davon mehrere allein in Hamburg. Nein, ernsthaft, ich habe zeit meines Lebens gemalt: die ersten Cover meiner Langspielplatten, Plakate für meine Auftritte, Titel meiner Filme, alles mögliche. Leider meine einzige handwerkliche Begabung, ich kriege nicht mal einen Nagel in die Wand.

Du streichst zu Hause die Wände nicht selbst?

Das kann ich nicht.

Aber dein Vater war doch Malermeister von Beruf!

Ja, das stimmt, der konnte das. Er hat mich früher mit zur Arbeit genommen, aber auch hochkantig rausgeworfen, weil ich als Kind in seine frisch gestrichenen, lackierten Fensterbänke mit dem Tapeziermesser kleine Ottifanten ins Holz geritzt habe.

Viele, vor allem ältere Menschen, beginnen mit der Malerei in späteren Jahren, um innerlich etwas mehr zur Ruhe zu kommen. War das auch dein Motiv als stets doch recht zappeliger Mensch?

Ich zappel, äh, male ja schon seit vielen Jahren. Aber ja, das hat mich schon sehr beruhigt in den vergangenen mehr als 40 Jahren. Heute strahle ich eine Ruhe aus, die zieht dir glatt die Schuhe aus.

Am 22. Juli wirst Du 65 Jahre alt. Du gehst stramm auf die 70 zu. Bist Du nachdenklicher geworden?

Hmmmmmm, darüber habe ich noch nicht nachgedacht.