Die Aktivistinnen aus der Hansestadt sorgen sich um ihre Mitstreiterin Josephine, die in Tunis für vier Monate im Gefängnis bleiben soll. Nach der Urteilsverkündung fordern sie Kanzlerin Merkel zum Handeln auf.
Tunis/Berlin. Nach der Freiheitsstrafe gegen die Hamburger Femen-Aktivistin Josephine fordern ihre Mitstreiterinnen eine Reaktion aus Berlin. „Angela Merkel muss aktiv werden“, so ein Femen-Mitglied aus Hamburg.
Am Donnerstag hieß es, dass sich die Bundesregierung besorgt über die Verurteilung zeige. Die deutsche Botschaft in Tunis werde „die deutsche Staatsangehörige weiter konsularisch betreuen und das Verfahren aufmerksam verfolgen“. Aus Kreisen des Auswärtigen Amts hieß es weiter, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), werde nach Tunesien reisen. Er wolle den Aktivistinnen in der Haft einen Besuch abstatten.
Im Vorfeld des Prozesses hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Treffen mit dem tunesischen Ministerpräsidenten Ali Larayedh in der vergangenen Woche „einen fairen und vernünftigen Umgang in rechtsstaatlichen Verfahren“ angemahnt - vergeblich.
Weil sie Ende Mai mit entblößtem Oberkörper vor dem Justizpalast der tunesischen Hauptstadt demonstrierten, müssen die Hamburger Philosophiestudentin Josephine W. und zwei weitere französische Femen-Aktivistinnen nun eine Gefängnisstrafe verbüßen. Die Frauen sollten „wegen unzüchtigen Verhaltens vier Monate und einen Tag“ im Gefängnis verbringen, sagte einer ihrer Anwälte, Souheib Bahri.
Josephines Femen-Kolleginnen aus Hamburg haben derzeit keine Möglichkeit, zu ihrer inhaftierten Mitstreiterin Kontakt aufzunehmen. Laut Femen-Mitglied Helen L. ist Josephine erst seit ein paar Monaten dabei, hat aber bereits bei zahlreichen größeren Aktionen mitgemacht. In der Hansestadt gibt es derzeit fünf Femen, die sich aktiv an Aktionen beteiligen.
Das zuständige Gericht bewertete das Zeigen der nackten Brüste am Mittwoch als unsittliches Verhalten und damit als Straftat. Die Aktivistin der Frauenrechtsgruppe Femen bleibt damit vorerst im Gefängnis. Sie war am 29. Mai direkt nach der Aktion in Untersuchungshaft gekommen.
Femen-Chefin kündigt neue Proteste an
Die Chefin der feministischen Organisation, Inna Schewtschenko, bezeichnete das Urteil des tunesischen Gerichts als „politische Entscheidung“ und das härteste, das jemals gegen Aktivistinnen der Gruppe verhängt worden sei. „Wir sind nach diesem sehr harten Urteil sehr wütend“, sagte sie.
„Wenn sie denken, dass sie feministische Aktivitäten (...) mit der Inhaftierung von Frauen stoppen können, irren sie sich“, kommentierte die Sprecherin mit Blick auf die tunesischen Behörden. „Die Motivation für neue Oben-Ohne-Proteste in Tunesien ist jetzt noch größer.“
Auch der französische Anwalt der Aktivistinnen, Patrick Klugman, nannte das Urteil gegen Josephine W., Margaret S. und Pauline H. „extrem hart“. Es handele sich um „einen schweren Angriff auf die freie Meinungsäußerung“.
Die französische Regierung zeigte sich bestürzt über das Urteil. „Wir bedauern die Härte der Strafe“, teilte das Außenministerium in Paris am Abend mit. Man habe auf Nachsicht gehofft.
Die Protestaktion der drei Frauen am 29. Mai richtete sich gegen die Inhaftierung der Femen-Aktivistin Amina Sboui. Die Tunesierin war am 19. Mai in Gewahrsam genommen worden, weil sie gegen eine Versammlung von Salafisten protestiert und auf eine Mauer nahe einem Friedhof das Wort Femen geschrieben hatte.
Höchststrafe hätte sechs Monate betragen
Vor Gericht sagte Josephine W. aus, die Aktion habe sich nicht gegen die tunesischen Wertvorstellungen gerichtet, sie sei vielmehr eine Form des politischen Protests gewesen.
Anwälte aus konservativen Kreisen in Tunesien machten dagegen geltend, dass Nacktauftritte auch in Deutschland als exhibitionistische Handlungen mit bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft werden könnten. Die Verteidigung der Frauen kündigte einen Einspruch gegen das Urteil an.
Während des Prozesses waren die drei angeklagten Frauen - wie vor tunesischen Richtern üblich - in helle bodenlange Gewänder gehüllt. Das Verfahren war vergangenen Mittwoch eröffnet, aber sofort vertagt worden.
Während seines Berlin-Besuchs in der vergangenen Woche hatte der tunesische Ministerpräsident Ali Larayedh ein rechtsstaatliches Verfahren zugesagt. Die Höchststrafe hätte sechs Monate Haft betragen.