Die Kirchengemeinde St. Pauli wird doch keine Zeltstadt für die in Hamburg gestrandeten Afrikaner um ihr Gotteshaus errichten. Stattdessen entsteht ein Nachtlager auf unbefristete Zeit im Gebäude.

Hamburg. Nach den Überlegungen des Pastors der St.-Pauli-Kirche, eine Zeltstadt für die libyschen Flüchtlinge am Pinnasberg auf St. Pauli zu errichten, wird es diese nun doch nicht geben. Stattdessen sollen 70 Flüchtlinge dauerhaft in der Kirche unterkommen. Das habe der Kirchengemeinderat der St.-Pauli-Kirche in einer Sondersitzung beschlossen, sagte Pastor Sieghard Wilm am Dienstagvormittag zu abendblatt.de.

„Die Zelte versperren die engen Wege rund um das Gebäude und verstoßen somit gegen Brandschutzbestimmungen“, sagte Wilm. Deshalb hätten Experten von der Zeltstadt abgeraten. Zudem würden die dünnen Stoffwände der Zelte den Flüchtlingen nicht genügend Schutz vor Lärm aus dem Stadtteil - wie etwa von der nahe gelegenen Reeperbahn - bieten. Die vor dem Krieg in Libyen geflohenen Männer bräuchten viel Ruhe.

Nun soll rund 70 der 300 in Hamburg weitgehend auf der Straße lebenden Männern auf unbefristete Zeit ein Nachtlager im Kirchengebäude zur Verfügung stehen. Vor dem Gebäude wird ein Container mit Duschen und Toiletten für die Flüchtlinge aufgestellt. Ein so genanntes „Zelt der Begegnung“ wird tagsüber zu einem Aufenthaltsort. „Auch eine Ausstellung zur Situation und den Hintergründen der Flüchtlinge ist darin geplant“, so Wilm.

Da die Flüchtlinge nur nachts in der Kirche unterkommen, sei der kirchliche Betrieb nicht beeinträchtigt. „Gottesdienste finden weiterhin wie gewohnt statt“, sagte Wilm. Das sei möglich, weil es keine Kirchenbänke, sondern einfache Stühle in der Kirche gebe, die weggeräumt und jederzeit wieder aufgestellt werden könnten.

In der Nacht zu Dienstag schliefen die Afrikaner die dritte Nacht in Folge in der Kirche. Waren es in den ersten Nächten etwa 50 Flüchtlinge, stieg die Zahl in der vergangenen Nacht auf 70. „Damit ist die Kapazität des Gotteshauses ausgelastet“, sagte Wilm. Die Männer schlafen auf Matten und einzelnen Matratzen auf dem Boden, sie bekamen Decken und Kissen gespendet. Lebensmittelspenden von Nachbarn, Gemeindemitgliedern und benachbarten Lokalen wurden zu einem Buffet aufgebaut: Neben heißer Gemüsesuppe, reichlich Brot, Obst und Gemüse gab es Kaffee und Tee für die Männer.

Pastor Wilm betonte am Dienstag noch einmal, dass es sich bei der Aktion der Kirche nicht um Kirchenasyl handele. „Wir leisten hier einfach humanitäre Nothilfe.“ Jedoch sei die Hemmschwelle, die Flüchtlinge abzuschieben - sollten sie nach Ablauf ihres Visums davon bedroht sein -, für die Stadt höher, wenn die Libyer in der Kirche Unterschlupf gefunden hätten. Kirchenasyl könne von einer Kirchengemeinde nur gewährt werden, um eine drohende Abschiebung in Gefahrensituation abzuwenden.

Seit rund acht Wochen sind die Flüchtlinge obdachlos und campierten bislang weitgehend unter freiem Himmel. Verhandlungen zwischen Kirche, Diakonie und der Stadt waren am Wochenende gescheitert. Die Kirche wollte die von der Stadt als Unterkunft angebotene Schule in Langenhorn nicht als Unterkunft akzeptieren, weil sie „an Bedingungen geknüpft war, die allein der Abschiebung dienen“, sagte Diakoniechefin Annegrethe Stoltenberg.