Zehntausende Zuschauer kamen zu traditioneller Einlaufparade. Ein Blick hinter die Kulissen des Segel-Kreuzfahrtschiffs “Star Flyer“.
Hamburg. Ihr Klang gehört zum größten Hafenfest der Welt wie Elbe und Landungsbrücken: Mit vier Glockenschlägen an Bord der "Rickmer Rickmers" hat Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag um 16 Uhr das Startsignal für den 824. Hafengeburtstag gegeben - zusammen mit Angelo Berlangieri, Kultur- und Tourismusminister der italienischen Region Ligurien. Italien ist dieses Jahr das Partnerland des Feier-Marathons.
Trotz Schietwetters und fiesen Windböen versammelten sich Zehntausende Schaulustige an den Landungsbrücken, um die feierliche Einlaufparade zu erleben. "Auf dieser Seite der Elbe ist man mittendrin, und super ist die Ansage, welches Schiff gerade vorbeigleitet", sagte Christine Mailänder, 40, aus Ottensen. Dem Mix aus grauer Wolkendecke, Regen und Sonnenschein trotzt sie mit passender Ausrüstung. "Sonnenbrille und Regenschirm einfach immer dabei haben", sagte die Schiffeguckerin.
Das Segelschulschiff "Gorch Fock" schipperte vorweg. Ein weiterer besonderer Gast lief an Position drei ein: Die "Europa 2", die am Freitag um 19 Uhr von Dana Schweiger getauft wird. Insgesamt rund 300 Schiffe zogen in den Hafen ein. Darunter historische Segler, ebenso wie Passagierschiffe, Yachten und Marineeinheiten aus mehreren Ländern - unter anderem aus Kanada, Dänemark und Brasilien. Insgesamt sind neben den mittelgroßen Traditionssegelschiffen sieben große Windjammer in Hamburg zu Gast - so viele wie noch nie. Bei der Einlaufparade dabei waren das russische Segelschulschiff "Kruzenshtern" und die "Mir", der junge Großsegler "Alexander von Humboldt II", die "Dar Mlodziezy" aus Polen, die brasilianische Schönheit "Cisne Branco". Ein weiterer auffallend eleganter Gast: Das Kreuzfahrtsegelschiff "Star Flyer". Es unterscheidet sich nicht nur in Linienführung und Takelage von anderen an der Parade teilnehmenden Großseglern, wie "Gorch Fock". Während auf Segelschulschiffen der Marinenachwuchs gedrillt wird und der Aufenthalt alles andere als Erholung ist, steht diese bei den Gästen auf der "Star Flyer" im Mittelpunkt. Es ist mit 115 Metern Länge eines der größten Segel-Kreuzfahrtschiffe der Welt.
„Sie haben damals den Rhythmus vorgegeben“
In Dienst gestellt wurde die "Star Flyer" im Jahr 1992 von dem schwedischen Reeder Mikael Krafft, der fasziniert ist von der großen Zeit der Windjammer und selbst eine Flotte von drei Schiffen betreibt, die den Großseglern des 19. und 20. Jahrhunderts nachempfunden sind. Er schwärmt von der Tradition Hamburger Großsegler, die für die Reederei Laeisz immer wieder um Kap Hoorn fuhren: "Sie haben damals den Rhythmus vorgegeben, der auf den Meeren herrschte."
Tatsächlich standen die Segler der Hamburger Reederei auf dem Höhepunkt der technischen Entwicklung ihrer Zeit. Unter fähigen Kapitänen, den zu ihrer Zeit wohl besten der Welt, unternahmen diese Schiffe nur unter Segeln und ohne jeglichen Maschinenantrieb schnelle Reisen zwischen Deutschland und Chile, um Salpeter zu holen, den die deutsche Landwirtschaft als Düngemittel benötigte. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde die Chemikalie dann wichtig zur Produktion von Sprengstoff, weshalb deutsche Segler von Engländern und Franzosen regelrecht gejagt wurden, um den Nachschub zu unterbinden. Das beschleunigte den Niedergang der Frachtsegler. Schiffe, die den Krieg überstanden hatten, mussten als Reparationsleistungen an die Siegermächte abgeliefert werden. Kenner der Schiffe sagen heute, die großen Frachtsegler traten ab, als sie gerade ihre technische Vollkommenheit erreicht hatten.
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Diese Einschätzung bezieht sich aber nur auf die Form der Segel und Takelage. Würde man heute noch Ladung über die Meere auf Seglern transportieren und hätten Schiffsantriebe nicht Dampf und Diesel als Energiequellen benutzt, so würden diese Schiffe wohl mittlerweile funktionieren wie die "Star Flyer". Wenn sie Segel setzt, dann müssen keine Matrosen mehr in die 63 Meter hohen Masten aufentern, die Stoffbahnen sind innerhalb der Rahen aufgerollt und können von der Crew maschinell herausgerollt werden. Genauso verläuft auch das Bergen, also das Einrollen des Segeltuches, das früher für die Besatzungen körperliche Schwerarbeit war. Angebrasst, also in ihrer Stellung zum Wind verändert, werden die Segel auf der "Star Flyer" über elektrische Winschen. Eine Arbeit, die zu alten Seglerzeiten noch Dutzende Matrosen mit Körperkraft schaffen mussten, erledigen heute zwei Mann.
Auf der Kommandobrücke hat längst, wie auf allen modernen Schiffen, Computertechnik ihren Einzug gehalten. Die Entwicklung von Wind und Wetter, Standorte, Kurse, Wassertiefen, all dies zeigen Geräte an, die technische Abkürzungen wie AIS oder ECDIS tragen. Aber Kapitän Jürgen Müller-Cyran ärgert sich jedes Mal, wenn er irgendwo liest oder hört, sein Schiff werde von Computern gesteuert. Denn im Vergleich zu alten Zeiten ist eines gleich geblieben: Die Kraft von Wind und Wellen sowie ihre Auswirkungen auf ein Schiff. Um sie einschätzen zu können, braucht auch der Kapitän eines Segelschiffes noch immer seine Erfahrung und muss die Nase in den Wind stecken. So sieht man Kapitän Müller-Cyran während eines Törns selten vor den Bildschirmen, sondern eher auf der Brücke stehend, während er Wolken, Wind und See beobachtet. So, wie seine Kollegen früherer Generationen auch. Wenn heutzutage jemand an Bord der "Star Flyer" in die Wanten aufentert, dann ist es entweder ein Besatzungsmitglied oder aber ein Passagier. Die "Star Flyer" unternimmt während des Hafengeburtstages auch Tagesfahrten auf der Elbe.