Nach den Bomben-Explosionen beim Marathon in Boston prüft auch der Hamburger Veranstalter das Sicherheitskonzept. Der Lauf soll aber wie geplant am Sonntag stattfinden.

Hamburg. Nachdem bei zwei Bombenanschlägen am Rande des traditionellen Bostoner Marathons mindestens drei Menschen ums Leben gekommen und mehr als 100 verletzt worden sind, hat auch der Veranstalter des Hamburg Marathons zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen überprüft. „Wir stehen in engem Kontakt mit der Innenbehörde“, sagte Organisator Frank Thaleiser am Dienstagmittag dem Abendblatt. In jedem Fall werde die Veranstaltung am kommenden Sonntag, den 21. April, aber wie geplant stattfinden. Zu dem Marathon haben sich mittlerweile rund 15.300 Läufer angemeldet.

„Die Sicherheitslage in Hamburg ist nach wie vor sehr gut“, sagte Thaleiser. Anlass zur Panik bestehe nicht. Solange die Hintergründe der Tat unklar sind, werde man keine übereilten Schritte unternehmen. Auch der Hamburger Verfassungsschutz hält sich mit einer Bewertung der Situation noch zurück. „Die derzeitige Erkenntnislage zu den Anschlägen in Boston ist noch zu vage, um irgendeine vertretbare Einschätzung vorzunehmen“, sagte der Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, Manfred Murck.

Absagen von verängstigten Marathon-Teilnehmern habe es bislang noch nicht gegeben. Diese seien jedoch nicht auszuschließen, meinte Thaleiser. Die Hotline des Hamburg Marathon hätten bereits viele Teilnehmer angerufen, um zu erfahren, ob der Lauf stattfindet. Thaleiser hatte in der Nacht zu Dienstag von dem schrecklichen Attentat in Boston erfahren.

Auch Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) will trotz der Anschläge in Boston wie geplant am Hamburg-Marathon teilnehmen: „Jetzt erst recht“, sagte der Politiker dem „Abendblatt“. Er werde für eine Werbeaktion zur Organspende mitlaufen, kündigte Bahr an.

Herr Minister Bahr, Sie haben sich für den Hamburger Marathonlauf an diesem Sonntag angemeldet. Wird es ein unbeschwertes Rennen?

Daniel Bahr: Das sollte es. Das Schöne an einem Marathonlauf ist die Volksfeststimmung. Viele verschiedene Nationen laufen glücklich und friedlich mit unglaublicher Weltoffenheit und Toleranz miteinander. Solche Ereignisse sind Werbung für die Austragungsorte. Es wäre falsch, wenn wir jetzt ängstlich dem Hamburger Marathon entgegen sehen. Sonst würden wir dem oder den Tätern von Boston, die die Friedlichkeit eines Marathonlaufs zerstören wollten, sogar Recht geben.

Haben Sie Sicherheitsbedenken?

Bahr: Nein. Man kann bei einem 42-Kilometer-Lauf durch eine Stadt keine absolute Sicherheit gewährleisten. Es ist ein Volkslauf, und das soll er bleiben. Ich mache mir überhaupt keine Sorgen.

Wer sorgt für Ihren persönlichen Schutz?

Bahr: Seit ich Minister bin, kann ich bei solchen Veranstaltungen nicht alleine unterwegs sein. Es laufen Personenschützer mit, die sich die Strecke einteilen und abwechseln.

Was macht so einen Lauf zu einem besonderen Erlebnis?

Bahr: Ein Beispiel: Wenn einer stolpert, sind sofort drei andere Läufer da, die einem helfen aufzustehen. Man reicht einander das Wasser. Man fragt einander, ob es einem gut geht. Es ist ein großartiges Gemeinschaftserlebnis. An der Strecke sind immer viele Kinder, die abgeklatscht werden wollen, die ihre Eltern und Freunde sehen wollen.

Fühlen Sie sich fit?

Bahr: Ich bin nicht so gut im Training, wie ich sein sollte. Mal schauen, wie es wird. In Hamburg war ich schon mal angemeldet, musste aber wegen eines Infekts absagen. Es war mir zu riskant, da zu laufen.

Wie bereiten Sie sich auf die Rennen vor?

Bahr: Das sind in der Regel zwölf Wochen intensives Training mit einem Trainingsplan und fest strukturierten Einheiten. Am Wochenende absolviere ich dann immer einen langen Lauf mit bis zu 32 Kilometern. Aber hier hakt es diesmal. Meine geplanten 30- und 32-Kilometerläufe habe ich zeitlich nicht geschafft.

Warum?

Bahr: Ich wollte nach dem FDP-Parteitag Anfang März schön drei Stunden lang im Treptower Park in Berlin trainieren. Aber dann brach ein regelrechter Schneesturm aus, der mich nach einer Stunde gestoppt hat.

Welche Einlaufzeit streben Sie in Hamburg an?

Bahr: Ich möchte nur ins Ziel kommen. Wenn ich gut durchkomme, bleibe ich unter viereinhalb stunden. Meine beste Zeit war drei Stunden42 Minuten. Mein letzter Marathon war vier Stunden acht Minuten. Das hört sich nach wenig Unterschied an, zeigt aber doch einen erheblichen Trainingsunterschied. Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht verletze. Ab Montagmorgen ist hier wieder volles Programm inklusive einer Sitzungswoche. Ich darf nicht ausfallen wegen kaputter Beine.

Sie haben Termine von morgens bis abends, auch an Wochenenden. Wo nehmen Sie die Fitness her?

Bahr: Es gibt einen entscheidenden Vorteil beim Laufen. Man braucht nur Turnschuhe. Die passen in jedes Reisegepäck. Man muss in der Tat mal eine Stunde früher aufstehen oder am Abend sich zwingen, manche Akten nicht mehr zu lesen. Häufig ist man nach dem Laufen viel frischer und konzentrierter. Deswegen laufe ich gern morgens. Ich habe dann einen ruhigen Puls und bin konzentrierter.

Beim Laufen passieren im Kopf bisweilen die erstaunlichsten Dinge. Das sagt Joschka Fischer. Was macht das Laufen aus Ihnen?

Bahr: Ich entwickle Ideen beim Laufen. Manchmal strukturiere ich eine Rede, die ich vorher konzipiert habe. Man ist beim Laufen ganz bei sich, ist nicht abgelenkt. Das bringt was. Aber anders als Joschka Fischer laufe ich ungern nachts. Lieber morgen um sechs oder sieben.

Hilft es Ihnen in den Kämpfen des politischen Betriebs, ein Marathonläufer zu sein?

Bahr: Mag sein. Man hält mit einer gewissen Grundfitness lange Sitzungen gut aus. Im täglichen Einsatz im Berliner Betrieb braucht man auch gute Ausdauer. Den schnellen Erfolg gibt es ganz selten in der Politik. Da sind Hartnäckigkeit und Ruhe gefragt.

Wo wir gerade bei Joschka Fischer sind: Angst vorm Jojo-Effekt?

Bahr: (lacht) Bisher halte ich mich ganz gut. Aber natürlich nehme ich mehr ab, wenn ich im Training bin. Bei Joschka Fischer ist der Jojo-Effekt ja extrem. Ich bin weit davon entfernt, so exzessiv zu essen oder exzessiv Sport zu machen, wie er es tut. Ich habe mich mit ihm im vergangenen Herbst übers Laufen unterhalten. Er sagte mir, dass er wieder angefangen hat zu laufen. Ich habe auch sein Buch „Mein langer Lauf zu mir selbst“ gelesen. Interessant ist, dass er körperlich wieder da ist, wo er ganz am Anfang war.

Haben Sie sportliche Ziele?

Bahr: Ich würde gern den Marathon in New York laufen, auch in Boston möchte ich laufen.

Andere Mitglieder des Bundeskabinetts, die dafür bekannt sind, dass sie gerne und viel joggen gehen sind Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Innenminister Hans-Peter Friedrich (CDU). In der Vergangenheit hatte schon Joschka Fischer (Die Grünen) als amtierender Außenminister am Hamburger Marathon teilgenommen.

51 Wochen hätten Marathon-Organisator Thaleiser und seine Kollegen den Hamburg Marathon geplant. „In der Woche vor dem Marathon herrscht immer eine große Euphorie, man weiß ja, es geht bald los, alles ist erledigt. Diese Stimmung ist jetzt komplett über den Haufen geworfen“, so Thaleiser. Der Streckenverlauf zum Großklicken Auch wenn an dem gegenwärtigen Sicherheitskonzept kaum etwas geändert werden sollte, so würden die für die Absicherung der 42 Kilometer langen Strecke und das Wohl der Läufer zuständigen 3000 Marathon-Helfer am Sonntag noch wachsamer sein. „Aber absolute Sicherheit gibt es bei Großveranstaltungen nun Mal nicht, es gibt immer ein Restrisiko. Wir können nicht in jede Tasche gucken und nicht jeden Menschen überprüfen.“ Ein „martialisches Aufgebot“ von zusätzlich 100 Polizeibeamten an der Ziellinie mache keinen Sinn und schüre „nur überflüssige Panik“, so Thaleiser.

Die Zeittabelle als PDF zum Herunterladen Auch die Polizei überprüft ihr Sicherheitskonzept, sieht aktuell aber keinen Grund, es zu ändern. „Wir sind mit 400 Beamten im Einsatz, das Sicherheitsniveau ist ohnehin hoch. Es gibt keine erkennbaren Bezüge von Boston zu Hamburg. Die Hamburger Polizei steht über das Bundeskriminalamt in Kontakt mit den US-Behörden“, sagte Polizeisprecherin Karina Sadowsky. Ähnlich äußert sich auch die Hamburger Feuerwehr. „Wir bei jeder Großveranstaltung halten wir zahlreiche Kräfte vor. Das ändert sich natürlich, sobald es eine andere Lageeinschätzung, sprich eine konkrete Bedrohungslage gibt, aber danach sieht es nicht aus“, sagte Feuerwehrsprecher Hendrik Frese.

Für den extrem unwahrscheinlichen Fall, dass Bomben am Rande der Strecke platziert und diese rechtzeitig entdeckt würden, seien für die Entschärfung die Kampfmittelräumer der Hamburger Polizei zuständig. Die Feuerwehr mache lediglich Sprengmittel aus der Zeit der Weltkriege unschädlich, sagte Frese, die Entschärfung von Bomben neueren Typs – meist selbstgebastelt – sei Aufgabe der Polizei.

Auch in den sozialen Netzwerken sind die Menschen besorgt über die Ereignisse in Boston und die Auswirkungen auf den Hamburger Marathon: Verena Rebecca postete auf Twitter: „Kriegt man gleich ein ganz komisches Gefühl, da am Sonntag Hamburg Marathon ist...furchtbar, die armen Menschen da“. „Unverlierbar“ meint: „Nun gehe ich mit keinem guten Gefühl am Sonntag zum Hamburg-Marathon.“ Jörg Hüttmann dagegen findet: „Jetzt erst recht!“ Auch ein englischsprachiger Teilnehmer meldetet sich auf Twitter zum Thema: „Bei meinem Hamburg-Marathon dieses Wochenende sind all meine Gedanken bei den Läufern des Boston Marathons“, schrieb El Bell. Die Tweets zum Thema Boston werden sekündlich mehr.

Auch auf Facebook ist der Marathon ein großes Thema. „Ich bin geschockt und traurig über die Ereignisse in Boston und in Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen. Am Sonntag werden in Hamburg die 42, 195 km gelaufen und an Stelle der Vorfreude stehen jetzt Angst und Unsicherheit“, schreibt etwa Nadja Käther. „Ich stelle mir gerade vor, es wäre 2008 passiert, als ich in Hamburg über die Ziellinie gelaufen bin. Ich zünde ein Licht an und öffne mein Herz für all das Leid in Boston“, schreibt Dirk Hoppe.

Telefonhotline des Haspa Marathon Hamburg: 01805-77 17 60 (14 ct/min aus dem deutschen Festnetz, höchstens 42 ct/min aus Mobilfunknetzen), Mo-Fr, 9-15 Uhr