Die Angehörige eines Alkoholkranken musste mühsam lernen, an ihre eigene Gesundheit zu denken
Sie wollte ihn retten. Sie glaubte, das werde ihr gelingen, wenn sie nur hart genug kämpfte. Acht Jahre brauchte Gertrud Stuck*, um zu erkennen, dass sie sich selber retten musste. "Unbeschreiblich schmerzhaft", erzählt die 52-Jährige, sei die Erkenntnis gewesen, dass sie ihren alkoholsüchtigen Ehemann loslassen musste, während der sich zerstörte.
Er war ein feiner, liebenswürdiger Mann, hochintelligent, und er hatte seine Alkoholsucht jahrelang vor ihr verborgen. Er trank vor allem außer Haus, bei der Arbeit. Vielleicht wollte Gertrud Stuck es auch nicht wahrhaben. Als man sie darauf aufmerksam machte, dass er Wein wie Wasser trank, begann sie, ihn unter Druck zu setzen. Sie verschaffte ihm eine Entziehungskur, brachte ihn zu Therapeuten, ertrug die Einlassungen ihres Umfelds ("Der arme Mann"). Sie wollte stark sein, auch für ihre Kinder. Ihr Mann, so schildert sie es, war während dieser Zeit der Meinung, er habe kein Problem - selbst dann noch, als er durch die Sucht seinen Job verlor.
Erst als Gertrud Stuck in Hamburg einer Selbsthilfegruppe von Al-Anon beitrat, begann sie, die Handlungen ihres Mannes als Ausdruck einer - seiner - Krankheit zu sehen. "Ich begriff, dass er all das nicht böswillig tat. Ich lernte, ihm seine Würde zu lassen", erzählt Stuck. "Die Al-Anon Selbsthilfegruppe half mir dabei, Verantwortung für mein Leben zu übernehmen und mich der Realität zu stellen, ohne zu zerbrechen." Irgendwann zog sie mit den Kindern aus, hielt aber trotzdem weiter Kontakt zu ihrem Mann. Vor fünf Jahren starb er an den Folgen seiner Sucht.
Wenn Gertrud Stuck zurückblickt, tut sie das ohne Bitterkeit, ohne Wut. Sie ist froh, dass sie heute ein selbstbestimmtes Leben lebt, und sie ist stolz auf ihre Kinder, denen sie trotz all des Leids vermittelt habe, Freude am Leben zu haben.
* Name von der Redaktion geändert