Die Gastfreundschaft der Hamburger ist die Basis für den Erfolg des Kirchentages

Manchmal beginnt Religion mit den kleinen Dingen des Lebens: Mit einer Herberge für die schwangere Maria und ihren Mann Joseph - wie damals in Bethlehem. Mit Räumen der Stille und Spiritualität - wie auf den modernen Flughäfen und Bahnhöfen auch bei uns. Oder einfach nur mit einer Koje zum Schlafen für einen bisher fremden Menschen.

Für den Hamburger evangelischen Kirchentag vom 1. bis 5. Mai werden insgesamt 12.000 Privatunterkünfte gebraucht, aber noch nimmer fehlen 4500 Betten. Das ist der Grund, weshalb Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), der Schirmherr der Kampagne "Koje frei", zu Recht erneut an alle Hanseaten appelliert hat, Kojen bereitzustellen. Erst wenn alle auswärtigen Besucher einen Schlafplatz gefunden haben, können sie ausgeruht und frohgemut das größte religiöse Event des Jahres genießen.

Wer sich bei der Kirchentags-Bettenzentrale meldet, zeigt eine große Geste gelebter Gastfreundschaft. Jeder Gastgeber öffnet die eigenen vier Wände fremden Menschen, lässt sie teilhaben an seiner Privatsphäre. Und schafft somit die Basis, dass insgesamt 100.000 Menschen diskutieren, feiern, singen, beten - und nach einem erlebnisreichen Tag auch schlummern können.

Die Gastgeber in und um Hamburg unterstützen nicht nur jene protestantische Laienbewegung, die in der Nachkriegszeit entstand und sich noch heute als "evangelische Zeitansage" versteht. Sie tragen vor allem dazu bei, dass Hamburg in der Öffentlichkeit weiterhin als weltoffene und als eine gastfreundliche Stadt wahrgenommen wird.

Auch in einer postmodernen Gesellschaft mit ihren virtuellen Welten bleibt Religion auf reale Begegnungen angewiesen. Interesse am Glauben erschöpft sich kaum darin, Gott nur zu googeln. Glaube sucht vielmehr Gemeinschaft, die schließlich zum Gottesdienst führt.

Mehr noch: Um Aufmerksamkeit in einer weitgehend entkirchlichten Gesellschaft zu erzielen, bedarf es zuweilen großer Veranstaltungen und Ereignisse (neudeutsch Events) mit Zehntausenden von Menschen als Teilnehmer.

Solche Ereignisse wie der katholische Weltjugendtag in Köln im Jahr 2005 mit Papst Benedikt XVI., inzwischen "Papst Emeritus", und die evangelischen Kirchentage in Bremen und Dresden gehören dazu. Sie produzieren nachhaltig Bilder, die religiöse Phänomene sichtbar machen: Jugendliche, die dem Papst zujubeln; fröhliche Menschen, die vor der Kulisse der Dresdner Kreuzkirche christliche Lieder singen und Gottesdienst feiern.

Vom Hamburger Kirchentag werden ebenfalls eindrucksvolle Bilder ausgehen. Wenn sich Tausende von Pilgern vor dem Michel und den Landungsbrücken versammeln und singend durch die Stadt ziehen, bekommt die christliche Religion ein heiteres Antlitz.

Während in den traditionellen Gottesdiensten mit nur wenigen Besuchern häufig eine eher trübe Grundstimmung herrscht, die nur mühsam durch die frohe Botschaft, das Evangelium, aufgehellt wird, strahlen die religiösen Mega-Events mit der Kraft der großen Zahl. Mit jungen Menschen, die neugierig auf das Leben sind und Orientierung suchen. Erlebte Gemeinschaft stärkt den eigenen Glauben und gibt Impulse für das tägliche Handeln.

Wenn Bundespräsident Joachim Gauck zu den Hamburger Kirchentagsgästen sprechen wird, kommt darin höchste staatliche Wertschätzung gegenüber dieser protestantischen Laienbewegung zum Ausdruck. Gauck signalisiert mit seiner angekündigten Teilnahme, dass christlich motiviertes Handeln unverzichtbare Grundlage unserer Demokratie ist. Der frühere Bundesverfassungsrichter Ernst-Wolfgang Bockenförde formulierte das einmal so: "Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann."

Es mag simpel erscheinen: Aber damit solche Bilder von Hamburg ausgehen, werden noch private Gastgeber gesucht, die möglichst viele Betten bereitstellen. Komfortabel muss die Koje nicht sein - Jesus hatte schließlich auch nur einen Krippenplatz.