15.300 Kinder sind davon betroffen, dass es ab dem Sommer keine Hort-Gutscheine gibt. Eltern beklagen: Nicht alle Schulen haben Kantinen
Hamburg. Es ist gut möglich, dass Schulsenator Ties Rabe (SPD) in diesen Tagen mehr als einen Brief von Grundschuleltern bekommt. Darin drücken Väter und Mütter ihre Sorge um das Wohl ihrer Kinder aus. Denn nach den Sommerferien wird es keine Kita-Gutscheine für die Nachmittagsbetreuung im Hort mehr geben. 200 der 204 Grundschulen in der Stadt bieten ab dem nächsten Schuljahr Ganztagsbetreuung an, nahezu alle Grundschüler sollen dann ganztags an ihren Schulen bleiben. Doch viele Schulgebäude sind zu klein und müssen umgebaut werden. Oftmals gibt es noch keine Kantinen. "Wir müssen die Kinder aus der guten Betreuung in der Kita in die vermutlich schlechtere Betreuung an der Schule geben", sagt Petra Ackmann, Mutter der achtjährigen Meret, aus Winterhude. Sie wünscht sich eine Verlängerung der Kita-Gutscheine für die Hortunterbringung. Das hat sie dem Senator jetzt geschrieben.
Und sie ist damit nicht allein. Simone Schliehe hat Unterschriften gesammelt. Das Problem: An der Carl-Cohn-Schule in Winterhude, in der ihre Tochter Jule die zweite Klasse besucht, gibt es keine Kantine. Der Neubau soll 2017 fertig werden. "Schon jetzt essen die Schüler in zwei Schichten Mittag, wenn im Sommer noch mal deutlich mehr Kinder dazukommen, müssen sie in drei Schichten essen", sagt die 41-Jährige. Trotzdem reicht der Platz nicht. Ein Teil der Schüler muss in den Vorschulklassen essen - immerhin gibt es dort eine Küchenzeile. Im Moment geht Jule nach der Schule in die Hortgruppe der Kita der Martin-Luther-Gemeinde in Alsterdorf, dort war sie auch im Kindergarten. "Die Kinder fühlen sich wohl. Es ist klein und heimelig", sagt Simone Schliehe, die als Projektingenieurin bei Lufthansa Technik arbeitet. Die Eltern fordern jetzt eine Übergangslösung für die Betreuung in der Kita, bis die Umbauten an der Schule fertig sind.
Gut 14.000 Schulkinder werden nach Angaben der Sozialbehörde derzeit in einem Hort betreut - und sind von der Umstellung betroffen. Dazu kommen etwa 1300 Vorschüler. Die Abschaffung des Hortsystems hatte vor drei Jahren mit der Einführung der sogenannten Ganztägigen Bildung und Betreuung (GBS) begonnen. Dahinter steckt ein Hamburger Sonderweg: Zusätzlich zu den traditionellen Ganztagsschulen bieten Schulen in Kooperation mit Kita-Trägern auch die Nachmittagsbetreuung an. Die Teilnahme ist freiwillig. In einer Kernzeit bis 16 Uhr ist das Angebot kostenfrei, nur das Mittagessen muss bezahlt werden. Parallel hatte die Schulbehörde das Aus für die Horte eingeläutet. Eigentlich schon für vergangenes Jahr, dann war die Frist aber um ein Jahr verlängert worden. Viele Kitas haben sich bereits umgestellt. Hamburgs größter Kita-Träger, die Elbkinder Vereinigung Hamburger Kitas, könne nach den Sommerferien keine Hortplätze mehr garantieren, sagt die pädagogische Geschäftsführerin Franziska Larrá. "Wir haben unsere Hortplätze nach und nach abgebaut, umgebaut und entsprechende Zuschüsse für den Ausbau der Krippenplätze beantragt. Auf Hortkinder sind wir dann nicht mehr eingerichtet." Andere Horte, besonders kleine Einrichtungen, wissen noch nicht, wie es weitergehen soll. So teilte etwa Stapellauf e.V. in Eimsbüttel den Eltern vor einigen Tagen schriftlich mit, es gebe "so viele widersprüchliche Angaben darüber, wie es nach den Sommerferien weitergehen werde", dass man "keine Gewährleistung" mehr geben könnte, ob die Kinder weiter betreut werden können. Die Eltern sollten doch bitte selbst Kontakt mit der Behörde aufnehmen, wenn sie "100-prozentig sichere Antworten" haben wollten.
Aus dortiger Sicht ist die Entscheidung gefallen. "Ganztagsschulen stehen allen Kindern offen, Horte nur Kindern von Berufstätigen. Indem wir Hortplätze durch Ganztagsschulen ersetzen, ermöglichen wir allen Kindern eine Nachmittagsbetreuung und schaffen 10.000 zusätzliche Betreuungsplätze", sagt Schulsenator Rabe. Blieben Hortplätze dagegen weiter erhalten, sei der Ausbau der Ganztagsschulen nicht möglich. Er sagte auch: "Dort, wo es keine Ganztagsangebote gibt, können Kinder weiterhin die Horte besuchen." Rabe versprach, dass nur Ganztagsschulen an den Start gingen, bei denen es ein vernünftiges Mittagessen gebe. Die baulichen Voraussetzungen müssten akzeptabel sein. Es sei allen klar, dass es nicht immer die Ideallösung sei. Nach Angaben aus seinem Haus nehmen derzeit 120 Schulen am GBS-Programm teil. Es gibt 100 Baumaßnahmen. Insgesamt stellt der Senat 100 Millionen Euro für die Umstellung zur Verfügung.
Trotzdem ist die Verunsicherung bei den Eltern groß, zumal am 15. Februar die Anmeldefrist für die Nachmittagsangebote in den GBS-Schulen endet. Auch beim Landeselternausschuss Kindertagesbetreuung (LEA) haben sich besorgte Mütter und Vater gemeldet. "Wir unterstützen die Forderung der Eltern, die Umsetzung der Reform zu entschleunigen", sagt LEA-Vorstand Jörg Gröndahl. Ausnahmereglungen bei der Verlängerung der Hortbetreuung seien eine Option, um den harten Übergang abzumildern.
Die Kita der Martin-Luther-Gemeinde wartet erst einmal ab. "Wenn die Schulbehörde es genehmigt, sind wir gern bereit, die Schulkinder weiter zu betreuen", sagt Leiterin Christiane Kullig. Die Eltern hoffen jetzt auf eine Ausnahmereglung. So könnte es auch bei den Barmbeker Lachmöwen laufen, wo Petra Ackmanns Tochter Meret betreut wird. In ihrem Brief an Senator Rabe hat die Steuerberaterin, die auch im Vorstand der Kita ist, noch mal die Probleme deutlich gemacht. An der Schule ihrer Tochter wurde mit den notwendigen Umbaumaßnahmen noch gar nicht begonnen. Dabei, sagt Petra Ackmann, sei sie wie die meisten Eltern mit der Umstellung auf Ganztagsschulen grundsätzlich einverstanden. "Aber", sagt sie, "so ein großer Prozess braucht eine Übergangszeit. Wenn die Verlängerung der Kita-Gutscheine dazu beitragen könnte, wäre das doch eine tolle und einfache Idee."