In der Heimat der Diddl-Maus und des legendären Till Eulenspiegel setzte sich schon der Eiserne Kanzler Otto von Bismarck zur Ruhe.
Viel Grün und viel Wasser, geschichtsträchtige Orte und eine seit Jahren steigende Anzahl an Jobs - es gibt einige Gründe dafür, weshalb immer mehr Menschen in den schleswig-holsteinischen Kreis ziehen, der den vornehmen Namen Herzogtum Lauenburg tragen darf. Die Region, die einst an die DDR grenzte, hat ihr Schattendasein weitgehend abgelegt. Seit 1990 kommen Unternehmen und Neubürger - Letztere besonders aus Hamburg.
Der Trend der wachsenden Einwohnerzahl soll sich bis 2025 fortsetzen. Ein Dasein als Pendler nehmen dabei viele in Kauf. Gut 50 Prozent der Berufstätigen steigen morgens in die Bahn oder ins Auto, um nach Hamburg oder Lübeck zu fahren. Andere fahren in die Gegenrichtung, besonders am Wochenende. Speziell bei Tagesausflüglern erfreut sich der Landstrich einer wachsenden Beliebtheit.
Mit Alfred Nobel kam der Aufschwung
Wer das Herzogtum kennenlernen möchte, sollte sich an das blaue, seitenverkehrte L auf der Landkarte halten. Dieses L besteht aus der Elbe und dem Elbe-Lübeck-Kanal - zwei Wasserläufe, die die Region erfahrbar machen. Wer möchte, kann vom Hamburger Hafen aus den Ausflugsdampfer gen Osten nehmen. Oder er fährt mit dem Fahrrad auf dem Elbe-Radwanderweg, der zunächst nach Geesthacht führt.
Gut 30.000 Einwohner machen die Stadt, die noch bis 1937 zu Hamburg gehörte, zur größten des Kreises. Das wirtschaftliche Zentrum der Region ist sie außerdem. Die Entwicklung begann damit, dass kein Geringerer als der Schwede Alfred Nobel im Jahr 1865 eine Dynamitfabrik in den Geesthachter Dünen bauen ließ. Im Zweiten Weltkrieg produzierten Tausende Zwangsarbeiter Munition, später sorgte das Kernkraftwerk im Geesthachter Stadtteil Krümmel für Strom und - nach Störfällen - für zweifelhafte Bekanntheit. Ein Erbe des heute stillgelegten Kraftwerks ist eine Vielzahl von Technologieunternehmen. Außerdem hat die Stadt mit der Diddl-Maus eine prominente Einwohnerin. Das Unternehmen Depesche, das sich die Artikel mit dem Tier ausdenkt und sie vertreibt, ist in Geesthacht ansässig.
Ruhe trotz Wiedervereinigung
Etwa 15 Kilometer flussaufwärts liegt Lauenburg. Der einstige Zweitsitz der Herzöge verfügt über eine hübsche Altstadt, die gleich am Elbufer liegt. Auch nach dem Wegfall der DDR-Grenze hat sich die Stadt ihre Ruhe bewahrt. Ausflügler können sich in einem der Hotels direkt an der Hafenpromenade oder einem der unter Denkmalschutz stehenden Privathäuser einquartieren. Wer die Treppen in die Oberstadt hinaufgeht, dem Wohnort des Großteils der 11.000 Einwohner, findet die Reste der Burg der Askanier, jenes Adelsgeschlechts, das die Stadt gegründet haben soll und am Anfang des einstigen Herzogtums Sachsen-Lauenburg stand. In Lauenburg mündet auch der Elbe-Lübeck-Kanal, der sich wie ein verbindenes blaues Band mitten durch den Landkreis zieht. Wer will, kann in der Stadt an der Elbe ein Schiff besteigen - oder man nimmt den Radweg am Kanal, der sich zu einem touristischen Rückgrat für die Region entwickelt hat. Auch kulturell hat die Wasserstraße einige Bedeutung. Mit dem jährlich stattfindenden "Kultursommer am Kanal" will der Landkreis Gäste ans Ufer und ins Umland locken.
Wirtschaftlich hatte die Wasserstraße, die bis zur Einweihung des Kanals im Jahr 1900 in Form der Flüsse Stecknitz und Delvenau existierte, besonders im Mittelalter Bedeutung. Von Lüneburg aus transportierten die sogenannten Stecknitz-Fahrer Salz bis nach Lübeck.
Auf den Spuren Till Eulenspiegels
Anfang des 20. Jahrhunderts war es Kies, der auf dem Elbe-Lübeck-Kanal transportiert wurde. Im südlich von Mölln gelegenen Güster wurde das Material abgebaut und in die schnell wachsende Stadt Hamburg gebracht, wo es etwa zum Bau der Mönckebergstraße verwendet wurde. Heute sind es vor allem Sportboote, die auf dem Kanal fahren. Bei Siebeneichen transportiert eine 52 Jahre alte Fähre Autos und Fahrräder über den Kanal. Wer sich für die Stecknitzfahrer und ihr abenteuerliches Leben interessiert, wird in der schönen mittelalterlichen Altstadt Möllns fündig, die über den Stadtsee mit dem Elbe-Lübeck-Kanal verbunden ist. In der Sankt-Nicolai-Kirche, die sich über die einstige Handelsmetropole erhebt, steht noch heute eine Bank, auf der früher nur die tapferen Salzfuhrleute Platz nehmen durften. Eine andere wichtige Persönlichkeit des Mittelalters hat hier ebenfalls Spuren hinterlassen. Eine Gedenkplatte, die einst auf dem Grab Till Eulenspiegels gestanden haben soll, steht heute außen, hinter Gittern, in einer Einbuchtung der Außenmauern. Um 1350 herum soll der legendäre Spaßvogel mit den Füßen voran auf dem Möllner Kirchhof in das Grab gesenkt worden sein. Heute begegnet einem die sprichwörtliche Gestalt in der 18 500 Einwohner großen, selbst ernannten "Eulenspiegelstadt" fast überall.
Ausstellung zur DDR-Geschichte
War Mölln im Mittelalter das Handelszentrum, so war Ratzeburg die Residenzstadt des Herzogtums. Die Stadt, 13.700 Einwohner groß und heute die Kreisstadt, liegt im Norden des Herzogtums. Ein Großteil der Altstadt, einst eine Festung, liegt auf der Dominsel, umgeben vom Wasser des Ratzeburger Sees. Viele der Gebäude stammen aus dem 18. Jahrhundert. Sie wurden gebaut, nachdem Ratzeburg im Jahr 1689 von dänischen Truppen zerstört worden war. Im Alten Kreistagsgebäude am Markt steht ein Stuhl, auf dem einst Otto von Bismarck saß, der nach dem Ende seiner Zeit als Reichskanzler Mitglied des Lauenburgischen Kreistags war.
Ein wenig Nostalgie versprüht auch Rüdiger Jobmann: Er ist der letzte Berufsfischer auf dem Ratzeburger See. Seine Fänge verkauft er geräuchert, gebraten oder gekocht, in seinem Restaurant Fischerstube oder in der anliegenden Imbissbude auf der Dominsel. An Regentagen empfiehlt sich der Besuch im Kreismuseum, in dem auch eine Ausstellung zur DDR-Geschichte eingerichtet ist. Ein Blick aus dem Fenster zeigt, wo am Ufer des Ratzeburger Sees die Grenze zur DDR verlief.
Idealer Rückzugsort
Etwas weiter süd-östlich lief die deutsch-deutsche Grenze mitten durch den Schaalsee hindurch. Der See, der nur zehn Kilometer von Ratzeburg entfernt liegt, konnte sich deshalb seine besondere Natur bewahren. Wer etwa am Schaalseehof in Dargow haltmacht, entdeckt vom dortigen Aussichtsturm aus mit Glück einen Seeadler.
Der Besucher ahnt schnell: Das Herzogtum eignet sich auch und gerade als Altersruhesitz. Kein Geringerer als Otto von Bismarck, dem der Kreis immerhin verdanken soll, dass der Titel Herzogtum auch nach seinem Anschluss an Preußen erhalten geblieben ist, hat es vorgemacht. Auf seinem Gut bei Friedrichsruh im Sachsenwald, das ihm Kaiser Wilhelm I. im Jahr 1871 schenkte, verbrachte der einstige Eiserne Kanzler seine letzten Lebensjahre.
In der nächsten Folge am 12.12.: Landkreis Lüneburg