Große Unternehmen und Deutschlands einzige Hochseeinsel sind Markenzeichen. 16 Hamburger Stadtteile gehörten einst zum Kreis.

Der Kreis Pinneberg ist besser als sein Ruf. Der allerdings ist zugegebenermaßen ziemlich ramponiert. Zu welchen Wortspielen das Kennzeichenkürzel PI alles dient, muss hier keine Erwähnung finden.

Viele Hamburger, die gerne auf die "Provinzidioten" jenseits der Stadtgrenze schimpfen, sollten jedoch eines nicht vergessen: Wenn sie nicht die Gnade der späten Geburt genießen würden, wären sie vielleicht auch Pinneberger! Schließlich gehörten 16 Hamburger Stadtteile einst zu Schleswig-Holstein und damit auch zum Kreis Pinneberg. Etwa Övelgönne, Othmarschen und Bahrenfeld, die 1890 zu Altona kamen. Und nicht zu vergessen Blankenese, Nienstedten, Rissen, Sülldorf und weitere sechs Stadtteile, die 1927 nach Altona eingemeindet wurden. Zuletzt kehrten 1937 Lokstedt, Niendorf und Schnelsen dem Kreis Pinneberg den Rücken.

Anhaltender Boom

Heute sind die Stadtgrenzen kaum noch erkennbar. Der Teil der PI-Region, der an die Metropole grenzt, unterschiedet sich kaum noch von ihr. Doch je weiter die Fahrt nach Norden geht, desto ländlicher wird das Bild. Der Kreis Pinneberg präsentiert sich zwar zur Stadtgrenze hin urban, zur Kreisgrenze nach Steinburg und Segeberg aber wieder provinziell-betulich. Pinneberg ist ein Kreis der Gegensätze. Er ist von den 20 Landkreisen in Schleswig-Holstein der kleinste, was die Fläche betrifft. Gleichzeitig ist er der größte, gemessen an der Einwohnerzahl. Und die wird weiter wachsen: Aktuell gehören fast 304 000 Menschen zum Kreis Pinneberg - 2025 werden es laut einer Vorausberechnung des Statistischen Landesamts 309 000 sein.

40 000 Bewohner des Kreises pendeln täglich zwischen ihrem Wohnort und ihrer Arbeitsstätte in Hamburg. Immerhin 12 000 Hamburger nehmen den umgekehrten Weg. Das zeigt eindrucksvoll, welche Wirtschaftskraft der Speckgürtel rund um Hamburg entfaltet. In der "Focus Money"-Rangliste 2011 schneidet der Kreis Pinneberg sogar als wirtschaftstärkste Region in Schleswig-Holstein ab. Und noch ein Beleg dieser Erfolgsgeschichte: Unter insgesamt 393 Kreisen in ganz Deutschland rangiert Pinneberg auf einem durchaus respektablen 32. Platz.

Beliebtes Feriendomizil

Immerhin fünf der 20 umsatzstärksten Unternehmen des nördlichsten Bundeslandes haben ihren Sitz im Kreis Pinneberg. Orlen und Tamoil verkaufen von Elmshorn aus Benzin, Autoliv fertigt dort Sicherheitseinrichtungen, E.on Hanse dominiert von Quickborn aus den norddeutschen Energiemarkt, und AstraZeneca mit Sitz in Wedel ist eines der führenden Pharmaunternehmen in Deutschland.

Doch auch andere bekannte Unternehmen haben ihren Hauptsitz im Kreisgebiet: zum Beispiel die Kölln-Flocken-Werke oder Teppich Kibek.

Der Kreis ist also auf der einen Seite Wirtschaftsmetropole, auf der anderen Seite aber auch ein beliebtes Feriendomizil. Das gilt in erster Linie für Helgoland. Deutschlands einzige Hochseeinsel gehört seit 80 Jahren (Stichtag 1. Oktober 2012) zum Kreis Pinneberg. Dass das so ist, liegt vor allem an der guten Verkehrsanbindung. Sie gab im Jahr 1932 den Ausschlag: Wenn auf der Insel die staatliche Ordnungsmacht gefragt war, so konnte diese am schnellsten von Pinneberg aus per Bahn und Schiff anreisen. Zuvor hatte Helgoland zum Kreis Süderdithmarschen gehört. Eine enge Bindung der Insulaner an den Kreis Pinneberg entstand nach der Evakuierung 1945. Damals fanden viele Helgoländer im Kreis Unterschlupf.

Reichlich Rosen, Bäume und Kultur

Mehr als 307 000 Tagesgäste zählte die Insel im Jahr 2011. Die Zahl der Übernachtungen stieg im gleichen Zeitraum auf mehr als 264 000. Von solchen Zahlen kann der Festlandtourismus nur träumen. Doch auch hier geht es aufwärts. Schließlich hat der Kreis viel zu bieten. Klassische Ziele sind etwa die Schiffsbegrüßungsanlage Willkomm-Höft in Wedel, wo die einlaufenden Pötte mit der Nationalhymne ihres Herkunftslandes empfangen werden. Oder der Rosenpark Rosarium in Uetersen, das Klostergelände (ebenfalls Uetersen) oder das Arboretum, ein Baumpark mit vielen verschiedenartigen Gehölzen in Ellerhoop-Thiensen.

Doch auch kulturell hat der Kreis Pinneberg einiges zu bieten. Die Museumslandschaft reicht vom Stadtmuseum und dem Barlach Museum (beide in Wedel) über das Heimatmuseum Uetersen und das Industriemuseum Elmshorn bis zum Museum Langes Tannen in Uetersen. Und nicht zu vergessen die Gebäude der Schlossinsel im Rantzauer See in Barmstedt.

Wriggen wie früher

Der Kreis Pinneberg steht auch für Natur. Die Holmer Sandberge, das Himmelmoor in Quickborn, die Seestermüher und die Haseldorfer Marsch ziehen die Spaziergänger magisch an. Besondere Attraktion ist die unter Naturschutz stehende Liether Kalkgrube in Klein Nordende, eine bedeutende Fundstätte für Fossilien und steinzeitliche Werkzeuge. Und: Der Kreis gilt als das größte zusammenhängende Baumschulgebiet der Welt.

Die kleinste handbetriebene Fähre Schleswig-Holsteins verbindet den Kreis Pinneberg und die Nachbarn in Steinburg. Fährmeister Niels-Uwe Saß steht an Wochenenden und Feiertagen häufig persönlich am hölzernen Ruder, um die Ausflügler zwischen Seester und Neuendorf auf traditionelle Art überzusetzen - durch sogenanntes Wriggen mit einem Riemen. Der Flußübergang mit einer Breite von etwa 40 Metern war jahrhundertelang Verbindungsglied eines alten Handelsweges. Bei Ebbe oder Flut wurden 365 Tage im Jahr bei Bedarf Menschen, Tiere und Güter über die Krückau befördert. 1968 endete aus finanziellen Gründen der Betrieb, der vom Förderverein Kronsnester Fähre wiederbelebt wurde. Alle Fahrmänner leisten ihren Dienst übrigens ehrenamtlich.

Die Nummer zwei als Kreisstadt

Der Kreis Pinneberg verfügt über acht Städte, zwei Großgemeinden, die Insel Helgoland als amtsfreie Gemeinde sowie 38 Kommunen, die sich auf sechs Ämter aufteilen. Die größte Stadt ist Elmshorn mit fast 50 000 Einwohnern, sie bietet die besten Einkaufsmöglichkeiten.

Pinneberg ist mit rund 42 500 Einwohnern zahlenmäßig zwar die Nummer zwei, ist jedoch trotzdem Kreisstadt. Und das, obwohl die Kreisverwaltung nach langem Streit im Jahr 2011 nach Elmshorn umgezogen ist. Drittstärkste Stadt ist mit etwa 32 000 Einwohnern Wedel, 2012 geprägt von den Feierlichkeiten aus Anlass des 800-jährigen Bestehens.

In der nächsten Folge am 10.12.: Kreis Herzogtum Lauenburg

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