Knapp drei Jahre nach dem Diebstahl des Piratenschädels begann Prozess gegen drei Angeklagte. Kopf wäre beinahe im Schrott gelandet.
Hamburg. Zum Auftakt des Prozesses um den gestohlenen Störtebeker-Schädel, der im Januar 2010 aus dem Museum für Hamburgische Geschichte verschwand, hat sich am Mittwoch Vormittag einer der drei Angeklagten geäußert. Johnny J. wird im Zusammenhang mit dem verschwundenen Schädel der Hehlerei beschuldigt. Der 40-Jährige gab zu, den Piratenkopf auf einer Grillparty von Sven G., einem der beiden wegen Diebstahls Angeklagten, bekommen zu haben.
Er habe das Stück jedoch nicht verkaufen, sondern an Sven G. zurückgeben wollen, beteuerte Johnny J., doch das habe sich verzögert, weil der andere mehrfach wegen psychiatrischer Behandlung und Klinikaufenthalten nicht zu erwischen gewesen sei. Und außerdem habe er das außergewöhnliche Stück sogar vor der Schrottpresse gerettet, erzählte der Angeklagte vor Gericht. Der Schädel sei im Fahrerhäuschen eines Lastwagens versteckt worden, der auf einem Schrottplatz stand. Als er gehört habe, dass der Lkw nun zur Verschrottung dran sei, habe er den Störtebeker-Schädel dort schnell weggeholt. Schließlich habe er nicht mehr auf den Kopf aufpassen wollen und sich an die Polizei gewandt. Er habe gehofft, dass dann auch die Beamten im Fall seines eingezogenen Führerscheins „etwas machen können”, wenn das wertvolle Raubgut wieder da sei.
Aber ist der Störtebeker-Schädel überhaupt wirklich das Haupt des legendären Piraten Klaus Störtebeker? Die Verteidigung zweifelt das an: „Es gibt nicht den geringsten Beweis, dass das der Störtebeker-Kopf ist.“ Möglicherweise handele es sich schlicht um den Schädel eines namenlosen Hingerichteten.
Der gestohlene Schädel war jedenfalls für Millionen versichert - die Anklage spricht von zwei Millionen Euro, das Museum von einer Million. Im Museum war der Totenkopf damals allerdings nicht gesichert, es gab weder Alarmanlage noch Videoaufzeichnungen. Nach Ansicht einer Polizeibeamtin, die nach dem Diebstahl am Tatort war, war es sehr einfach, mit einem Rucksack in die Ausstellung zu gehen und den Schädel darin verschwinden zu lassen: „Das merkt keiner.“ Die Direktorin des Museums, Lisa Kosok, erklärte dazu als Zeugin lediglich: „Man muss schon gewillt sein, diesen Kopf zu stehlen.“
Kosok und ihr Mitarbeiter, der Mittelalter-Experte Ralf Wiechmann, stellten die Bedeutung des Schädels heraus – unabhängig davon, ob er Störtebeker zuzurechnen ist oder nicht. Der Totenkopf habe einen herausragenden wissenschaftlichen Wert, betonte Wiechmann. Zum wissenschaftlichen Streit, ob der Schädel tatsächlich von Störtebeker ist, sagte Kosok: „Das Gegenteil ist eben auch noch nicht bewiesen.“
Störtebeker, der mit seinen Gefährten Nord- und Ostsee unsicher machte, war um 1400 im Hafen der Hansestadt enthauptet worden. Vom 14. bis ins 18. Jahrhundert waren am Grasbrook viele hundert Seeräuber geköpft worden. Um den ein- und auslaufenden Handelsschiffen und ihren Seeleuten zu zeigen, welches Schicksal den Piraten blühte, wurden die abgeschlagenen Köpfe mit langen eisernen Nägeln auf einem weithin sichtbaren Holzgestell befestigt.
Die beiden wegen Diebstahls angeklagten Hauptverdächtigen schweigen bislang vor Gericht. Ihnen drohen bei einer Verurteilung Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren. Auf Hehlerei stehen eine Geldstrafe oder bis zu fünf Jahre Haft. Der Schädel liegt inzwischen wieder im Museum: 14 Monate nach dem Verschwinden kehrte er dorthin zurück, nachdem er über einen Mittelsmann übergeben worden war.
Mit Material von dapd und dpa