Steinbrück hat mehr als ein Nebenverdienst-Problem
Geldverdienen ist in der Marktwirtschaft nichts Ehrenrühriges. Schon gar nicht, wenn das ohne Wenn und Aber nach Recht, Gesetz und geltenden Bestimmungen geschieht. Die hat Peer Steinbrück nach Lage der Dinge alle eingehalten - und trotzdem hat er ein massives Problem: Glaubwürdigkeit. Die ist unbezahlbar, lässt sich mit Geld auch gar nicht kaufen, wohl aber verspielen.
Jenseits der Debatte, ob seine Volksvertreter-Diäten im Vergleich zu seinen Honoraren nicht eher die wirklichen Nebeneinnahmen sind, bleibt die Frage, ob ein Nebenerwerbsmillionär der beste Kanzlerkandidat einer Partei ist, die sich die soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben hat. Noch dazu, wenn aus seinem bisherigen politischen Wirken ablesbar ist, dass er mit seinem privaten Vermögen deutlich besser haushalten kann als mit öffentlichen Geldern. So hat er als Finanzminister und Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen 2001 und 2002 Haushalte durchgedrückt, die teils mit kreditfinanzierten Rücklagen gedeckt und deshalb nach Auffassung des Landesverfassungsgerichts verfassungswidrig waren. Der Mann, der heute gern die Auswüchse der Kreditwirtschaft geißelt, hat als Bundesfinanzminister für deren Deregulierung gesorgt. Gegen Konjunkturprogramme, die die Krise auf dem Arbeitsmarkt gemildert haben, hat er sich lange gesperrt. Mit seiner Einschätzung, das deutsche Bankensystem sei stabil und bedürfe keiner Rettung, lag er gründlich daneben. Für die Gerechtigkeitsfanatiker in der eigenen Partei, die Steinbrück abschätzig Heulsusen nannte, bleiben noch die Reizthemen Hartz IV, Rente mit 67 und Absenkung des Rentenniveaus mit dem Kandidaten verbunden.
Für die politische Konkurrenz bietet Steinbrück also auch jenseits seiner Honorare noch reichlich Angriffsfläche. Seinen Genossen vom linken Flügel erst recht. Nach einem kurzen Hoch am Start sinken jetzt die Popularitätswerte schon bedenklich - noch bevor der SPD-Parteitag aus dem designierten Kanzlerkandidaten einen echten gemacht hat. Die SPD hat sicherlich den medienwirksamsten Kandidaten gefunden, aber auch den am wenigsten sozialdemokratischen.